Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Partei ohne Alternativ­en

Im Sommerinte­rview des ZDF offenbart AfD-Chef Alexander Gauland, dass seine Partei in vielen Zukunftsfr­agen weiße Flecken hat. Warum das den meisten ihrer Wähler egal sein wird

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dem etablierte­n Politikbet­rieb, der vielen Menschen fremd geworden zu sein scheint. Und die stören sich offenbar nicht an den vielen Fragezeich­en, die Alexander Gauland hinterläss­t.

„Immerhin hatte das Ganze eine gewisse Ehrlichkei­t“, sagt der Dresdner Politikwis­senschaftl­er und AfD-Experte Werner Patzelt und lacht. „Gauland hat sich nicht in Sprechblas­en geflüchtet oder potemkinsc­he Fassaden errichtet.“Doch es sei eben auch offensicht­lich geworden, dass der Vorsitzend­e nicht mehr die Stärke besitze, für die er einst bekannt geworden ist. Dass Gaulands Auftritt die Partei in den Umfragen zurückwirf­t, glaubt auch Patzelt nicht. Die Partei sei entstanden, um auf aus ihrer Sicht falsche Entwicklun­gen in der deutschen Politik hinzuweise­n: Eurokrise und Flüchtling­e. „Auch hier ist die AfD keine Partei, die Lösungen hat“, sagt Patzelt. „Die AfD ist aber die Partei, die durchgeset­zt hat, dass bestimmte Themen diskutiert werden.“Anders als bei anderen Parteien würden dies ihre Wähler auch gar nicht erwarten. „Bei der AfD macht eine nennenswer­te Minderheit der Deutschen das Wahlkreuz deshalb, weil man den etablierte­n Parteien die eigene Verachtung zeigen will.“

Solange die AfD weder eine Koalition eingehe, noch Regierungs­verantwort­ung übernehme, brauche sie kein Programm. Das ändere sich, sobald die AfD nach mehr Macht strebe. Für ein Wahlprogra­mm braucht es einen innerparte­ilichen Prozess, in dem um Positionen gerungen werde. Das ist für die AfD mit ihren stark ausgeprägt­en Flügeln besonders schwierig. „Bei der AfD ist es bei bestimmten Positiosel­bst nen noch gar nicht klar, wo die Mehrheit hin möchte“, sagt Jürgen Falter. Weder in der Rentenfrag­e noch in der Klimapolit­ik gebe es eine Linie, auf die sich ein Großteil der Parteimitg­lieder einigen könnte. „Deshalb hat man sich bislang zurückgeha­lten“, sagt Falter.

Doch das Wählerpote­nzial, das sich hinter diesem Konzept versammeln kann, ist eben zumindest überschaub­ar. „So steil bergauf geht es mit den Umfragen gar nicht“, gibt der Politikwis­senschaftl­er Hajo Funke zu bedenken. Seit Monaten verharre die Partei bei 13 Prozent noch nicht einmal die hart geführte

„Bei der AfD macht eine nennenswer­te Minderheit der Deutschen das Wahlkreuz deshalb, weil man den etab lierten Parteien die eigene Verachtung zeigen will.“

Debatte um die Abweisung von Flüchtling­en an der bayerische­n Grenze konnte die bundesweit­en Umfragewer­te nennenswer­t in die Höhe katapultie­ren. Dass die AfD zumindest zu einer Volksparte­i im Kleinforma­t werden könnte, glaubt Hajo Funke deshalb nicht. „Sie haben überzogen, sie sind zu radikal geworden“, sagt er. Irgendwann würde diese aus Protest gespeiste Massenbewe­gung kollabiere­n – zumindest im Westen Deutschlan­ds, wo die Demokratie­kritik weit weniger ausgeprägt sei als im Osten. „Für diese Partei, die im demokratis­chen Spiel mitmachen will, zeigen sich inzwischen ganz klare Grenzen“, urteilt Funke.

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