Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie die Welt meines Sohnes wohl sein wird?
Er hat sein ganzes Leben noch vor sich. Und wir so viel hinter uns
Mein Sohn schaut so friedvoll aus, denke ich mir. Wenn ich stille, bin ich gezwungen, zu pausieren. Mir tut das ganz gut, denn sonst gehöre ich zur Fraktion der Ruhelosen. Mit Kind werde ich aber gerade zwangsweise gewaltig umerzogen! Ich sitze auf der Couch bei meiner Schwiegerfamilie und genieße den Moment der Ruhe.
Mein Baby schaut so lieb aus, ist so unschuldig und mir völlig ausgeliefert (und ich ihm, aber das nur nebenbei!) – auf Gedeih und Verderb. Ersteres ziehe ich vor.
In welcher Welt wird er künftig wohl leben? Statistisch gesehen liegen vor ihm über 80 Lebensjahre. Die Welt vor 80 Jahren war eine ganz andere als heute. Schon wenn meine Eltern von früher erzählen – und nein, das ist nicht 80 Jahre her, sondern ich rede von den 1970erJahren – kommt mir das vor wie aus einer anderen Zeit. Ein eigener Telefonanschluss im Haus? Völlig unnötig. Zum Telefonieren gibt es doch Telefonzellen! Und als ich 16 war, bekam ich mein erstes Handy. Fand ich damals auch ziemlich überflüssig.
Was wohl in Sachen Telekommunikation in einigen Jahrzehnten möglich sein wird? Und wie die Welt wohl aussehen wird? Manchmal wird mir bang, wenn ich an Trump, Putin, Erdog˘an und Co. denke: durchgeknallte Typen in viel zu mächtigen Positionen. Gleichzeitig hat mein Sohn das Glück, im absoluten Wohlstand geboren zu sein. Objektiv gibt es für mich keinen Grund zur Sorge. Subjektiv will ich dieses bezaubernde Geschöpf schützen mit allen Mitteln. Ich frage mich, ob ich das kann. Die Weltordnung kann ich nicht oder nur sehr bedingt beeinflussen. Doch für meinen kleinen Schatz will ich seine Welt in Ordnung halten.
Während er trinkt und sich an mich kuschelt, fällt der Strom aus. Mein Mann, mein Schwiegervater und ich sind überrascht. Die jüngste Schwester meines Mannes – sie ist 15 und somit im besten Teenageralter – ist ebenfalls verwirrt. Aber nicht, weil das Licht aus ist und das Radio verstummt. „Hey, wo ist das WLAN?“, will sie vielmehr wissen. Wie die Welt sich doch ändert …
Tanja Wurster, 34, ist freie Mitarbeiterin der Land boten Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augs burg.