Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie Muslime sichtbare Zeichen setzen
Nicht nur die Bobinger Ditib-Gemeinde hat einen architektonisch besonderen Neubau geschaffen. Auch in anderen Orten nehmen sogar kleine Vereine viel Geld in die Hand. Unsere Reporterin begab sich auf einen Streifzug durch die Region
Region Wie ein prächtiger Kubus ruht Bobingens neue Bilal-i HabesiMoschee in der Max-Fischer-Straße. Ringsum Gewerbeambiente: drüben der Trevira-Industriepark, zur rechten Hand ein Reifenhandel, zur Linken eine Produktionshalle, gegenüber die Dönerfabrik Mavi. Die Gegensätze zwischen dem strahlend weißen, ästhetischen Neubau der Moschee mit seinen hohen Rundbögen, der tristen Straße und den grauen Industriebauten könnten größer kaum sein. Auch Thomas Rauch, der katholische Stadtpfarrer von Bobingen, betonte zur Eröffnung der Moschee vor den 200 Gästen: „Ich hätte euch und eurem architektonischen Statement eine ansprechendere Nachbarschaft gewünscht.“
Das lichte Haus stammt aus dem Architekturbüro des Augsburgers Alen Jasarevic. Er baute schon 2005 das ebenfalls Licht durchflutete, inzwischen mehrfach ausgezeichnete Gebetshaus der bosnischen Gemeinde in Penzberg sowie 2009 das Islamische Forum der Deutsch-Bosnier in Augsburg. Diese hatte 2004 einen Rohbau für eine Lkw-Halle in Lechhausen gekauft. Jasarevic baute sie aus und setzte mit einer hölzernen Kanzel und einer luftigen, stählernen Gebetsnische die innenarchitektonischen Akzente. Bis zur Einweihung investierten die 330 Mitglieder 800000 Euro. Alle drei Moscheen strahlen ästhetische Ruhe aus und ähneln sich in der geometrischen Formgebung, der Kombination aus Glas und Weiß und dem Verzicht auf die traditionelle Kuppel.
Der helle Gebetsraum in Bobingen wirkt mit seinen weißen Wänden asketisch und setzt die stählerne Gebetsnische mit ihren kunstvoll ausgefrästen Kalligrafien erst richtig in Szene. Die von unten nicht einsehbare, über der Hälfte des Raums schwebende Empore bietet Platz für etwa 200 Frauen. Im ersten Stock des angrenzenden, großzügigen Kulturzentrums befinden sich die Wohnung des türkischen Imams sowie Unterrichts- und Wirtschaftsräume. In dem Container hinter dem Gebäude ist die Großküche, ausgelegt für den jährlichen Ansturm an Ramadan, wenn zum abendlichen Fastenbrechen über 1000 Menschen versorgt werden.
Ditib Bobingen ist die mit Abstand größte Moscheegemeinde in der Region. Die Kosten des Neubaus beziffert Vereinsvorsitzender Senol Isçi auf zwei Millionen Euro. Ein Zehntel haben die 600 zahlenden Mitglieder aus Eigenmitteln bestritten, den Rest besorgt ein Kredit. Ein lichtes Minarett ist mit 70000 Euro eingeplant, aber es hake noch an der Statik. Die Keimzelle geht aufs Jahr 1963 zurück, als die ersten türkischen Gastarbeiter von Hoechst erst in einem Wohnheim, dann in einer Dachwohnung ihre Gebete verrichteten. 1974 wurde der Verein gegründet, 1989 kaufte dieser ein ehemaliges Wirtshaus. Heute erreicht die Gemeinde bis zu 1700 Gläubige aus Bobingen Schwabmünchen. Auch Muslime aus den anderen sechs Ditib-Vereinen in Augsburg, Aichach, Friedberg und Gersthofen sind hier anzutreffen. Vom Ditib-Dachverband gibt es traditionell keine Unterstützung, auch nicht vom türkischen Religionsministerium, das die verbeamteten Imame entsendet. Alle DitibVereine in der Region haben bereits hunderttausende Euro investiert, die Kosten werden stets aus Mitgliedsbeiträgen sowie Spenden von Privatleuten und Unternehmen beglichen.
Ärger wie in Kaufbeuren, wo ein Bürgerentscheid einen Ditib-Neubau auf städtischem Grund verhinderte, oder wie in Regensburg, wo die „Identitäre Bewegung“das Baugrundstück des Ditib-Vereins mit Kreuzen versah, gab es in Bobingen nicht. Der sogenannte Bobinger Minarett-Streit tobte zu Beginn der 1990er Jahre und schaffte es in die bundesweite Presse. Die Gemeinde wollte damals neben der umgebauten Wirtschaft ein 25 Meter hohes Minarett setzen. Stadtrat und Verwaltungsgericht lehnten ab: Zu „orientalisch“hieß es im Urteil.
Isçi erinnert sich gut. Er übernahm den Vereinsvorsitz 1996 und begrub das Minarett-Projekt. „Für den Neubau haben wir über Jahre intensivste Öffentlichkeitsarbeit im Stadtrat, bei den Parteien, Kirchen, Vereinen geleistet. Und wir haben der Stadt ein Mitspracherecht bei der Gestaltung eingeräumt“, beschreibt Senol Isçi den politischen Abstim- mungsprozess rund um die Moschee. Ein Antrag der kleineren muslimischen Gemeinde Bobingens, die zum türkischen Dachverband Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) gehört und ebenfalls neu bauen wollte, wurde 2018 zum wiederholten Mal von der Verwaltung abgelehnt.
Auch in den beiden Landkreisen sowie in Augsburg wird von nahezu allen Vereinen kräftig investiert. Auch wenn sie nicht Bobinger Dimensionen erreicht: Ditib Gersthofen nahm im letzten Jahr einen 1,3-Millionen-Kredit auf und baute ein großes Gemeindezentrum neben die Moschee an der Augsburger Straße. Der große Backsteinbau wurde 2018 eröffnet und verfügt über Seminarräume, Jugendbereiche, eine Wohnung für den Imam, ein Gästezimmer und sechs Appartements für Studenten. Schon seit 2007 steht hier die erste Kuppelmoschee der Region, erbaut im traditionellen türkischen Stil, samt Kacheln und schwerem Kronenleuchter. Der Verein hat
330 Mitglieder.
Aichach hat zwei Moscheen. Die Fatih Cami (Fatih Moschee) gehört zur IGMG und kaufte ihr zweistöckiges Haus vor 18 Jahren und baute es notdürftig um. Die Selimiye Cami gehört zu Ditib und hat ihren Sitz in einem kleinen zweistöckigen Haus in der Altstadt, den der 1996 gegründete Verein im gleichen Jahr für
350 000 Mark erwarb, wie der Vorsitzende Sükrü Himmetoglu erzählt. Heute hat der Verein 100 Mitglieder, das Haus verfügt über je einen Gebetsraum für Männer und Frauen.
2012 wurden die Sanitäranlagen für die rituelle Waschung saniert und unterm Dach entstand eine Wohund nung für den aus der Türkei entsandten Imam. In Friedberg zählt eine Gemeinde zum Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ). Trotz mehrfacher Anfragen auch über den Umweg der großen VIKZ-Gemeinde in der Augsburger Eschenhofmoschee waren über diese Moschee keine Informationen erhältlich. Die andere Friedberger muslimische Gemeinde ist seit 33 Jahren in einem ehemaligen
Verein und Verwaltung stimmen sich ab
Denkmal der Textilindustrie saniert und neu belebt
Lebensmittel- und Videoladen beheimatet. 1985 in diesen Räumen gegründet, kaufte er die Immobilie 1995 und baut seither um und an. Die Organisation hat 170 Mitglieder und erreicht bis zu 600 meist türkische Muslime auch aus den umliegenden Gemeinden.
Und in Augsburg? In der Großstadt gibt es insgesamt 15 sunnitische Moscheevereine, zwölf von ihnen türkischsprachig und je eine bosnischen, arabischen sowie albanischen Ursprungs. Hinzu kommt eine Ahmadiyya-Moschee und eine schiitische Husseiniyya, wie die Iraker, die nach dem letzten Irakkrieg Anfang der 1990er Jahre nach Augsburg kamen, ihr Gebetshaus nennen.
Die jüngsten Investitionen gehen auf das Konto der Ahmadiyya-Gemeinde mit ihren 100 Mitgliedern. Anders als bei Ditib brachte nicht der Ortsverein die