Augsburger Allgemeine (Land West)
Angriffe gegen Freiwillige verurteilt
Nach der Diskussion um das Veto des Gemeinderats fragt Kutzenhausens Bürgermeisterin Silvia Kugelmann: Hat die Gesellschaft zu wenig Geld für einen einwandfreien Rettungsdienst?
Bürgermeisterin Silvia Kugelmann geht das entschieden zu weit: Die Feuerwehren im Gemeindegebiet werden angegriffen, nachdem sich der Gemeinderat mit einem Veto gegen die Reanimationseinsätze der Feuerwehren ausgesprochen hat. Sie fordert mehr Sachlichkeit in der Diskussion.
Kutzenhausen Bürgermeisterin Silvia Kugelmann geht das entschieden zu weit: Die Feuerwehren im Gemeindegebiet werden öffentlich angegriffen, nachdem sich der Gemeinderat mit einem Veto gegen die Reanimationseinsätze der Feuerwehren ausgesprochen hat. Sie fordert mehr Sachlichkeit in der Diskussion, die ein lange „unter der Oberfläche brodelndes Problem“zutage gebracht hat.
Nach der Berichterstattung in den vergangenen Tagen sollen die Kutzenhauser Feuerwehren immer wieder verbal angegriffen worden sein. Stimmt das? Silvia Kugelmann: Es kann nicht sein, dass sich ein Kommandant einer freiwilligen Feuerwehr für etwas rechtfertigen muss, was nicht von der Feuerwehr verursacht wurde. Aus diesem Grund stelle ich mich ausdrücklich vor meine Kommandanten. Es ist ein Unding, dass eine freiwillige Feuerwehr oder die Gemeinde Kutzenhausen für ein gesellschaftliches Thema verantwortlich gemacht werden, welches schon lange unter der Decke brodelt.
Das müssen Sie näher erklären. Kugelmann: Dieses sensible Thema liegt im Bereich Rettungsdienst und die damit verbundenen Engpässe beim Personal und den technischen Ausrüstungen, die seit Langem dem tatsächlichen Bedarf offenkundig nicht mehr gerecht werden. Die Verhältnisse bei Krankentransporten und der Einsatz von Rettungswagen hierzu wäre zu durchleuchten. Warum muss der Disponent der Integrierten Leitstelle auf Feuerwehren zurückgreifen, und warum hat unsere Gesellschaft offenbar zu wenig Geld übrig, um einen ein- wandfreien Rettungsdienst vorzuhalten? Warum wird gerade im Rettungsdienst mit so vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern dieser lebensrettende Dienst aufrechterhalten? Dies wurde in der Diskussion alles noch nicht auf den Tisch gelegt.
Der Leitstelle sind aber die Hände gebunden. Sie alarmiert die Feuerwehr, weil sie sich nicht strafbar machen will. Kugelmann: Der Disponent in der ILS hat keine andere Wahl, als die freiwillige Feuerwehr zu rufen, wenn kein anderes Rettungsfahrzeug zur Verfügung steht. Dafür habe ich Verständnis. Die ILS gibt ihr Bestes und alle, die im Rettungsdienst haupt- oder ehrenamtlich tätig sind, ebenfalls. Das Engagement ist hervorragend. Aber: Warum kommt es zu solch einer Situation? Das ist doch die Frage und nicht, wo ist die freiwillige Feuerwehr? Es wird so getan, als wäre die Feuerwehr schon zum großen Teil für den Rettungsdienst verantwortlich.
Das Innenministerium hatte den Feuerwehren freigestellt, ob sie sich an diesen Einsätzen beteiligen oder nicht. Kugelmann: Richtig. Eine Diskussion im Vorfeld, um Reanimationseinsätze richtig abhandeln zu können, muss doch bitte jeder Feuerwehr und jeder Gemeinde und jedem Gemeinderat gestattet sein. Genau das hat die Gemeinde Kutzenhausen getan. Für uns ging es um verantwortungsbewusstes Handeln und nicht darum, sich vor etwas zu drücken, was Leben retten kann.
Wie sehen das die Freiwilligen? Kugelmann: Die Feuerwehren, die die notwendigen Kameraden dazu haben, stehen nach erfolgten Schulungen für den Dienst bereit. Das wurde mit den Kommandanten so besprochen und von den Wehren so vorgeschlagen. Der Gemeinderat wurde darüber informiert. Mit den Schulungen wurde bereits begonnen. Die Gemeinde hat gerade in die Schulungen für Reanimationseinsät- ze und in Lehrmaterial investiert. Davon wurde im Landboten nichts bis auf eine Bildunterschrift zur Beschaffung von Übungspuppen berichtet. In diesen Punkten der Beschaffungen und Schulungen sind wir anderen Kommunen sicherlich teilweise voraus. Geschult wird dabei nicht nur der Umgang mit dem Defi. Es geht auch um Fragen, wie man mit den Angehörigen umgeht oder was grundsätzlich zu tun ist.
Stehen die Übungspuppen auch anderen zur Verfügung?
Kugelmann: Jeder kann sich freiwillig einer Schulung in der Gemeinde Kutzenhausen zur richtigen Reanimation unterziehen. Der erste Kurs hat bereits stattgefunden und weitere werden folgen. Aber noch einmal zurück: Die Feuerwehren beweisen täglich und unermüdlich ihre Einsatzbereitschaft und das bei jeder Tages- und Nachtzeit. Dies wäre auch eine Berichterstattung wert! Was wäre denn los, wenn beim nächsten Unfall, Hochwasser oder Brand keine Feuerwehr käme? Wenn keiner mehr Lust auf die Freiwilligkeit hätte? Die Feuerwehren leisten ihren Dienst in ihrer freien Zeit und bilden sich weiter. Wo ist hier das Dankeschön der Kritiker? Da sehe ich keine lautstarke Meinungsäußerung.
Wie geht es weiter?
Kugelmann: Das Landratsamt hatte folgende Vorgehensweise vorgeschlagen: Feuerwehren, welche diese Reanimationseinsätze nicht erbringen können, melden dies schriftlich unter Angabe eines Zeitraumes über die Gemeinde an das Landratsamt. Dort wird die Einsatzbereitschaft an die ILS weitergeleitet. Diese Meldung ist per Mail von mir an den Kreisbrandrat ergangen.
Von der ILS hieß es, dass im Notfall trotzdem die Feuerwehr alarmiert wird, wenn durch sie das „therapiefreie Intervall“überbrückt werden kann. Wenn es also darum geht, die Minuten zu überbrücken, bis der Rettungswagen vor Ort ist.
Kugelmann: Diese Meldung hat für Unruhe und Unklarheit gesorgt. Nach was soll sich die Wehr nun richten? Welche Aussage stimmt und wo liegt der rechtliche Rahmen? Wer wird dann in die Haftung genommen, wenn die Freiwilligen aus welchem Grund auch immer nicht kommen oder helfen können? Der Kommandant, der Gemeinderat, oder die Bürgermeisterin?
Welche Lösung sehen Sie? Kugelmann: Die Gesetzeslage ist nach wie vor für alle ungeklärt. Das Innenministerium hat die Freiwilligkeit laut ihrem Zeitungsbericht nochmals ausdrücklich bestätigt. Der Gemeinde Kutzenhausen ist bisher dazu keine Information aus dem Ministerium vorgelegen. Die Aufgabe zur Lösung dieses aufgeworfenen Problems sehe ich nicht in den freiwilligen Feuerwehren oder den Gemeinden. Die dafür verantwortlichen Ministerien haben schnellstmöglich eine Antwort für die offenen Fragen zu erbringen. Die Verantwortlichen müssen sich einig werden, wer zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Verantwortlichkeit alarmiert wird und wie viel uns diese Rettung auch wert ist. Engpässe sind schnellstmöglich zu lösen, damit sowohl der Disponent in der ILS als auch der im Einsatz befindliche Rettungswagen mit Besatzung und auch die freiwilligen Feuerwehren mit ausreichend Personal und Mitteln ausgestattet werden können. Dies sollte keine langen Diskussionen nach sich ziehen und an der dafür zuständigen Stelle beantwortet werden können.
Und die Gemeinde? Sie sind ja Dienstherr der Feuerwehren vor Ort? Kugelmann: Die Gemeinden warten auf eine klare Regelung. Die Gemeinde ist am Ende einer langen Kette und soll allen Anforderungen in sämtlichen Bereichen gerecht werden. Gefragt wird hier keine Gemeinde. Aber sie wird kritisiert, wenn sie selbstständig denkt und entscheidet. Kutzenhausen entscheidet zum Wohl der Feuerwehren und der Bürger gleichermaßen und wird offenbar nicht verstanden. Auch wenn die Gemeinde Kutzenhausen die bisher einzige ist, die hier Stellung bezogen hat, betrifft es alle ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und -männer in ganz Bayern. Der Gemeinderat wird sich nach der Sommerpause nochmals eindringlich mit diesem Thema beschäftigen. Bis dahin gilt: Die Feuerwehren werden bei allen Alarmierungen zu ihren Einsätzen fahren und ihren Dienst vorschriftsmäßig ausüben. Daran gibt es gar keinen Zweifel.