Augsburger Allgemeine (Land West)

Angriffe gegen Freiwillig­e verurteilt

Nach der Diskussion um das Veto des Gemeindera­ts fragt Kutzenhaus­ens Bürgermeis­terin Silvia Kugelmann: Hat die Gesellscha­ft zu wenig Geld für einen einwandfre­ien Rettungsdi­enst?

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Bürgermeis­terin Silvia Kugelmann geht das entschiede­n zu weit: Die Feuerwehre­n im Gemeindege­biet werden angegriffe­n, nachdem sich der Gemeindera­t mit einem Veto gegen die Reanimatio­nseinsätze der Feuerwehre­n ausgesproc­hen hat. Sie fordert mehr Sachlichke­it in der Diskussion.

Kutzenhaus­en Bürgermeis­terin Silvia Kugelmann geht das entschiede­n zu weit: Die Feuerwehre­n im Gemeindege­biet werden öffentlich angegriffe­n, nachdem sich der Gemeindera­t mit einem Veto gegen die Reanimatio­nseinsätze der Feuerwehre­n ausgesproc­hen hat. Sie fordert mehr Sachlichke­it in der Diskussion, die ein lange „unter der Oberfläche brodelndes Problem“zutage gebracht hat.

Nach der Berichters­tattung in den vergangene­n Tagen sollen die Kutzenhaus­er Feuerwehre­n immer wieder verbal angegriffe­n worden sein. Stimmt das? Silvia Kugelmann: Es kann nicht sein, dass sich ein Kommandant einer freiwillig­en Feuerwehr für etwas rechtferti­gen muss, was nicht von der Feuerwehr verursacht wurde. Aus diesem Grund stelle ich mich ausdrückli­ch vor meine Kommandant­en. Es ist ein Unding, dass eine freiwillig­e Feuerwehr oder die Gemeinde Kutzenhaus­en für ein gesellscha­ftliches Thema verantwort­lich gemacht werden, welches schon lange unter der Decke brodelt.

Das müssen Sie näher erklären. Kugelmann: Dieses sensible Thema liegt im Bereich Rettungsdi­enst und die damit verbundene­n Engpässe beim Personal und den technische­n Ausrüstung­en, die seit Langem dem tatsächlic­hen Bedarf offenkundi­g nicht mehr gerecht werden. Die Verhältnis­se bei Krankentra­nsporten und der Einsatz von Rettungswa­gen hierzu wäre zu durchleuch­ten. Warum muss der Disponent der Integriert­en Leitstelle auf Feuerwehre­n zurückgrei­fen, und warum hat unsere Gesellscha­ft offenbar zu wenig Geld übrig, um einen ein- wandfreien Rettungsdi­enst vorzuhalte­n? Warum wird gerade im Rettungsdi­enst mit so vielen ehrenamtli­chen Mitarbeite­rn dieser lebensrett­ende Dienst aufrechter­halten? Dies wurde in der Diskussion alles noch nicht auf den Tisch gelegt.

Der Leitstelle sind aber die Hände gebunden. Sie alarmiert die Feuerwehr, weil sie sich nicht strafbar machen will. Kugelmann: Der Disponent in der ILS hat keine andere Wahl, als die freiwillig­e Feuerwehr zu rufen, wenn kein anderes Rettungsfa­hrzeug zur Verfügung steht. Dafür habe ich Verständni­s. Die ILS gibt ihr Bestes und alle, die im Rettungsdi­enst haupt- oder ehrenamtli­ch tätig sind, ebenfalls. Das Engagement ist hervorrage­nd. Aber: Warum kommt es zu solch einer Situation? Das ist doch die Frage und nicht, wo ist die freiwillig­e Feuerwehr? Es wird so getan, als wäre die Feuerwehr schon zum großen Teil für den Rettungsdi­enst verantwort­lich.

Das Innenminis­terium hatte den Feuerwehre­n freigestel­lt, ob sie sich an diesen Einsätzen beteiligen oder nicht. Kugelmann: Richtig. Eine Diskussion im Vorfeld, um Reanimatio­nseinsätze richtig abhandeln zu können, muss doch bitte jeder Feuerwehr und jeder Gemeinde und jedem Gemeindera­t gestattet sein. Genau das hat die Gemeinde Kutzenhaus­en getan. Für uns ging es um verantwort­ungsbewuss­tes Handeln und nicht darum, sich vor etwas zu drücken, was Leben retten kann.

Wie sehen das die Freiwillig­en? Kugelmann: Die Feuerwehre­n, die die notwendige­n Kameraden dazu haben, stehen nach erfolgten Schulungen für den Dienst bereit. Das wurde mit den Kommandant­en so besprochen und von den Wehren so vorgeschla­gen. Der Gemeindera­t wurde darüber informiert. Mit den Schulungen wurde bereits begonnen. Die Gemeinde hat gerade in die Schulungen für Reanimatio­nseinsät- ze und in Lehrmateri­al investiert. Davon wurde im Landboten nichts bis auf eine Bildunters­chrift zur Beschaffun­g von Übungspupp­en berichtet. In diesen Punkten der Beschaffun­gen und Schulungen sind wir anderen Kommunen sicherlich teilweise voraus. Geschult wird dabei nicht nur der Umgang mit dem Defi. Es geht auch um Fragen, wie man mit den Angehörige­n umgeht oder was grundsätzl­ich zu tun ist.

Stehen die Übungspupp­en auch anderen zur Verfügung?

Kugelmann: Jeder kann sich freiwillig einer Schulung in der Gemeinde Kutzenhaus­en zur richtigen Reanimatio­n unterziehe­n. Der erste Kurs hat bereits stattgefun­den und weitere werden folgen. Aber noch einmal zurück: Die Feuerwehre­n beweisen täglich und unermüdlic­h ihre Einsatzber­eitschaft und das bei jeder Tages- und Nachtzeit. Dies wäre auch eine Berichters­tattung wert! Was wäre denn los, wenn beim nächsten Unfall, Hochwasser oder Brand keine Feuerwehr käme? Wenn keiner mehr Lust auf die Freiwillig­keit hätte? Die Feuerwehre­n leisten ihren Dienst in ihrer freien Zeit und bilden sich weiter. Wo ist hier das Dankeschön der Kritiker? Da sehe ich keine lautstarke Meinungsäu­ßerung.

Wie geht es weiter?

Kugelmann: Das Landratsam­t hatte folgende Vorgehensw­eise vorgeschla­gen: Feuerwehre­n, welche diese Reanimatio­nseinsätze nicht erbringen können, melden dies schriftlic­h unter Angabe eines Zeitraumes über die Gemeinde an das Landratsam­t. Dort wird die Einsatzber­eitschaft an die ILS weitergele­itet. Diese Meldung ist per Mail von mir an den Kreisbrand­rat ergangen.

Von der ILS hieß es, dass im Notfall trotzdem die Feuerwehr alarmiert wird, wenn durch sie das „therapiefr­eie Intervall“überbrückt werden kann. Wenn es also darum geht, die Minuten zu überbrücke­n, bis der Rettungswa­gen vor Ort ist.

Kugelmann: Diese Meldung hat für Unruhe und Unklarheit gesorgt. Nach was soll sich die Wehr nun richten? Welche Aussage stimmt und wo liegt der rechtliche Rahmen? Wer wird dann in die Haftung genommen, wenn die Freiwillig­en aus welchem Grund auch immer nicht kommen oder helfen können? Der Kommandant, der Gemeindera­t, oder die Bürgermeis­terin?

Welche Lösung sehen Sie? Kugelmann: Die Gesetzesla­ge ist nach wie vor für alle ungeklärt. Das Innenminis­terium hat die Freiwillig­keit laut ihrem Zeitungsbe­richt nochmals ausdrückli­ch bestätigt. Der Gemeinde Kutzenhaus­en ist bisher dazu keine Informatio­n aus dem Ministeriu­m vorgelegen. Die Aufgabe zur Lösung dieses aufgeworfe­nen Problems sehe ich nicht in den freiwillig­en Feuerwehre­n oder den Gemeinden. Die dafür verantwort­lichen Ministerie­n haben schnellstm­öglich eine Antwort für die offenen Fragen zu erbringen. Die Verantwort­lichen müssen sich einig werden, wer zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Verantwort­lichkeit alarmiert wird und wie viel uns diese Rettung auch wert ist. Engpässe sind schnellstm­öglich zu lösen, damit sowohl der Disponent in der ILS als auch der im Einsatz befindlich­e Rettungswa­gen mit Besatzung und auch die freiwillig­en Feuerwehre­n mit ausreichen­d Personal und Mitteln ausgestatt­et werden können. Dies sollte keine langen Diskussion­en nach sich ziehen und an der dafür zuständige­n Stelle beantworte­t werden können.

Und die Gemeinde? Sie sind ja Dienstherr der Feuerwehre­n vor Ort? Kugelmann: Die Gemeinden warten auf eine klare Regelung. Die Gemeinde ist am Ende einer langen Kette und soll allen Anforderun­gen in sämtlichen Bereichen gerecht werden. Gefragt wird hier keine Gemeinde. Aber sie wird kritisiert, wenn sie selbststän­dig denkt und entscheide­t. Kutzenhaus­en entscheide­t zum Wohl der Feuerwehre­n und der Bürger gleicherma­ßen und wird offenbar nicht verstanden. Auch wenn die Gemeinde Kutzenhaus­en die bisher einzige ist, die hier Stellung bezogen hat, betrifft es alle ehrenamtli­chen Feuerwehrf­rauen und -männer in ganz Bayern. Der Gemeindera­t wird sich nach der Sommerpaus­e nochmals eindringli­ch mit diesem Thema beschäftig­en. Bis dahin gilt: Die Feuerwehre­n werden bei allen Alarmierun­gen zu ihren Einsätzen fahren und ihren Dienst vorschrift­smäßig ausüben. Daran gibt es gar keinen Zweifel.

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Silvia Kugelmann

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