Augsburger Allgemeine (Land West)
„Der Verein ist unser Zuhause“
Warum Angela Stockert, Emily Schuster und Sophia Müller der SpVgg Auerbach/Streitheim die Treue halten und in Berlin mit Arthur Abele mitfieberten
Horgau Auerbach 2006 gab es das Fußball-Sommermärchen in Deutschland. 2018 hatte Deutschland ein Leichtathletik-Sommermärchen. Nach den stimmungsvollen Europameisterschaften in Berlin mit sympathischen und erfolgreichen Athleten nahmen sogar eingefleischte Fußball-Reporter dieses Wort im Bezug auf die Leichtathletik in den Mund. Einmal nicht die gleichen Worthülsen nach einem Fußballspiel, sondern erfrischende Antworten von Siegern und ehrliche Analysen von Verlieren. Nicht umsonst wurden Einschaltquoten erreicht, die sich nicht hinter König Fußball verstecken mussten.
Auch im Augsburger Land gibt es Leichtathletinnen, die in Bayern und auch in Deutschland zur Spitze gehören und vielleicht in wenigen Jahren im großen Rampenlicht auch in Europa stehen werden. Wir haben deshalb ein Interview, kurz vor den deutschen Mehrkampfmeisterschaften vom 24. bis 26. August in Wesel, mit den deutschen Siebenkampfmeisterinnen des Vorjahres bei der U18, Angela Stockert, Sophia Müller und Emily Schuster von der SpVgg Auerbach/Streitheim, beim täglichen Training mit ihrem Trainer Lothar Schmitt geführt.
Angela, Sophia und Emily, ihr wart als Zuschauer bei den Europameisterschaften für einige Tage in der deutschen Hauptstadt. Welchen Eindruck hattet ihr, und was waren die Höhepunkte im Olympiastadion während eures Besuches?
Sophia Müller: Für uns waren diese Europameisterschaften ein tolles und stimmungsvolles Event. Es war auch für uns ein besonderes Erlebnis, ganz nah an den besten Leichtathleten Europas zu sein. Das Highlight war natürlich die Europameisterschaft des Ulmers Arthur Abele, der mit seinem Zehnkampfsieg zum König der Athleten wurde. Da wir des Öfteren auch in Ulm trainieren, kennen wir Abele auch persönlich.
Angela, du hast dir im Vorfeld der deutschen Leichtathletik-Einzelmeisterschaften in Rostock eine Oberschenkelverletzung zugezogen, damit platzte mit der 4x100-m-Staffel ein Medaillentraum des Auerbacher Teams. Ist die Verletzung inzwischen verheilt und kannst du den Kampf vom 24. bis 26. August in Wesel bei den deutschen Mehrkampfmeisterschaften im Siebenkampf aufnehmen?
Angela Stockert: Nein, leider nicht. Die Verletzung, ein Muskelfaserriss im Oberschenkel, ist noch nicht verheilt, und somit macht ein Start in Wesel auch keinen Sinn. Das ist bitter, denn ich wollte gerne meinen deutschen Vizemeistertitel vom Vorjahr in der Einzelwertung verteidigen, zumal ich in der diesjährigen deutschen Jahresbestenliste mit 5150 Punkten auf dem dritten Rang liege und der Sprung auf das Siegerpodest ohne Weiteres möglich gewesen wäre.
Sekunden bist du eine Zeit gelaufen, die dich in die Spitze Deutschlands hievte. Der deutsche Leichtathletikverband (DLV)wurde auf dich aufmerksam und hat dich zu den Ausscheidungswettkämpfen über diese Strecke für die U-20-Weltmeisterschaften verpflichtet. Jetzt kurz vor den deutschen Mehrkampftitelkämpfen, hat dir das „Fremdgehen“genützt oder mehr geschadet?
Sophia Müller: Beides. Positiv waren die neuen Eindrücke und Erfahrungen während der Wettkämpfe und auch die entstandenen Kontakte zum Bundestrainer, zu deutschen Spitzenathleten und wichtigen Leuten im DLV. Negativ war dagegen, dass ich durch die Einsätze für den DLV viele Trainingseinheiten im Hinblick auf den Mehrkampf verpasst habe.
Emily, zum Saisonbeginn sah man dich sehr oft beim Training und Wettkampf mit ernstem Gesicht. Man musste sogar fürchten, dir ist die Freude an der Leichtathletik verloren gegangen. Doch wenn man dich in den letzten Wochen sah, da warst du wie verwandelt. Was ist passiert?
Emily Schuster: Am Anfang der Saison hatte ich wirklich große Probleme, Schule und Sport unter einen Hut zu bekommen. Vor- und Nachmittagsunterricht, anschließend Training und abends sich auf die Klausuren vorbereiten. Dies war unheimlich anstrengend, und ich hatte keine freie Minute mehr, wo ich die Füße hochlegen konnte. Die Pfingstferien waren dann meine Rettung. Ich konnte Kraft tanken und mich auf die bayerischen Mehrkampfmeisterschaften konzentrieren. Hier wurde ich mit der bayerischen Siebenkampfmeisterschaft und mit 5164 Punkten belohnt, und ich bin jetzt wieder voll motiviert. Diese Punktzahl ist zurzeit in der deutschen Jahresbestenliste der U 18 der sechste Rang.
Angela, Sophia und Emily, ihr wart im vergangenen Jahre der deutsche Leichtathletik-Mannschaftsmeister im Siebenkampf und Angela noch zusätzlich deutsche Vizemeisterin in der Einzelwertung. Was können wir heuer bei den Deutschen in Wesel in wenigen Tagen von euch erwarten?
Angela Stockert: Für mich hat sich leider die Sache wegen der Verletzung erledigt. Da wir ohnehin heuer in zwei verschiedenen Altersklassen starten müssen, weil Emily noch in U18 bleibt, haben wir auch keine Mannschaft.
Sophia Müller: Da ich heuer in U20 dem jüngeren Jahrgang angehöre, ist mein Ziel, einfach einen guten Wettkampf zu machen und möglichst unter den Top Ten zu landen.
Emily Schuster: Ein Urkundenrang unter den sechs Besten wäre das Höchste. Eine meiner größten Kon- kurrentinnen kommt übrigens auch aus dem Landkreis Augsburg. Es ist Luisa Tremel vom TSV Gersthofen, die bei den bayerischen Meisterschaften nur winzige zehn Punkte hinter mir war.
Zusammen mit Sina Kemmerling habt ihr in den vergangenen Jahren ununterbrochen bayerische Titel und vordere Ränge bei deutschen Meisterschaften geholt. Ihr kamt als Siebenjährige zur SpVgg Auerbach/Streitheim und seid in all den Jahren keinem Lockruf großer Vereine erlegen. Warum schlägt auch nach elf Jahren euer Herz immer noch für Auerbach und das blau-weiße Trikot?
Sophia Müller: Wir glauben, gerade weil wir schon so lange bei der SpVgg Auerbach/Streitheim sind, fühlen wir uns bei diesem Verein wie zu Hause.
Angela Stockert: Wir haben in all den Jahren immer gute Trainer und ein tolles und familiäres Umfeld vorgefunden und haben jetzt mit dem ehemaligen Mehrkampf-Bundestrainer Lothar Schmitt den besten und idealen Mann.
Emily Schuster: Hier kennt und unterstützt jeder jeden, und man freut sich zusammen über jedes gute Ergebnis oder den Erfolg. Deshalb verschwenden wir zurzeit keine Gedanken über einen anderen und vielleicht auch zahlungskräftigen Verein.