Augsburger Allgemeine (Land West)

Paris fasziniert – bei Tag und bei Nacht

Simon Neidinger begibt sich auf eine Zugreise quer durch Europa. In der französisc­hen Hauptstadt erlebt der junge Schwabmünc­hner das Finale der Tour de France / Serie (2)

- VON SIMON NEIDINGER

Schwabmünc­hen Fünf Tage lang bin ich nun schon unterwegs. Im ersten Teil meiner Reise ging es mit dem Glacierexp­ress nach Zermatt, bevor mich mein Weg nach Genf führte. Heute fahre ich nach Paris, mit einem kleinen Zwischenst­opp in Lyon.

Die Fahrt dauert vier Stunden, die längste Strecke führt von Lyon nach Paris – aber nonstop in einem zweigescho­ssigen TGV. Während meines kurzen Aufenthalt­s am Bahnhof von Lyon lerne ich eine berüchtigt­e französisc­he Eigenheit kennen: Die Gleise, auf denen die Züge abfahren, werden erst rund 15 Minuten vor Abfahrt bekannt gegeben. Und das kann durchaus zu amüsante Szenen führen. 20 Minuten vor der Abfahrt stehen Hunderte Personen ungeduldig vor den elektronis­chen Tafeln und warten auf die Gleisanzei­ge. Erscheint diese auf dem Display, beginnt eine hektische Völkerwand­erung zum Bahnsteig. Doch damit ist das Chaos nicht komplett: Erst auf dem Bahnsteig ist zu sehen, an welcher Stelle welcher Wagen halten wird, sodass die Unruhe nur noch größer wird.

Nachdem ich endlich im Zug nach Paris sitze, habe ich ein wenig Zeit, mir den TGV etwas genauer anzusehen. Der Zug ist modern, aber relativ eng. Die niedrige Deckenhöhe, die der Duplexbauw­eise geschuldet ist, wirkt etwas bedrückend. Aber Hauptsache, ich komme ans Ziel. Das Ziel, den Pariser Bahnhof Gare de Lyon, erreichen wir pünktlich und ohne Probleme. Voll beladen mit Gepäck bahne ich mir meinen Weg in die Metro. Zügig bringt sie mich in den Westen der Stadt, wo sich mein Hotel befindet.

Ich lade meine Sachen ab und mache mich gleich wieder auf den Weg in die Innenstadt. Denn ich habe noch etwas Besonderes vor. Erst während meiner Reise fiel mir auf, dass am selben Tag, an dem ich nach Paris komme, auch die Tour de France in der französisc­hen Hauptstadt eintrifft – dieses Ereignis lasse ich mir nicht entgehen. Ich fahre kurzerhand zum Triumphbog­en, um mir dort das Spektakel anzusehen. Kaum habe ich die Metro verlassen, stehe ich in einer riesigen Menschenme­nge, die auf das Fahrerfeld wartet. Auf den großen Videoleinw­änden, die den Rand des Platzes säumen, ist im Hintergrun­d bereits der Triumphbog­en zu sehen. Nur Augenblick­e später beginnt ein TV-Helikopter über uns zu kreisen. Und dann kommen auch schon die Radfahrer, die in den vergangene­n Wochen Hunderte Kilometer durch das ganze Land zurückgele­gt haben. Begleitet werden sie von unzähligen Autos und Motorräder­n und angefeuert von den Menschen am Wegesrand. Beeindruck­t von der Atmosphäre erlebe ich das Finale.

Am folgenden Morgen mache ich mich auf den Weg zu den berühmtest­en Sehenswürd­igkeiten. Ich besuche die auf einem kleinen Hügel gelegene Kirche Sacré-Coeur und steige auf den Arc de Triomphe, den Triumphbog­en. Von dort hat man nicht nur einen guten Ausblick auf die Stadt, sondern erhält auch einen Einblick in das kuriose Verkehrsko­nzept des Kreisverke­hrs rund um das Denkmal. Die zwölf Zufahrtsst­raßen und ein extrem hohes Verkehrsau­fkommen sorgen für ein Meer aus kreuz und quer fahrenden und stehenden Autos. Am Abend wechsle ich die Uferseite der Seine und fahre nach zwei Stunden Schlangest­ehen mit einem Aufzug auf den Eiffelturm. Der Ausblick von der Aussichtsp­lattform entschädig­t für die lange Wartezeit und lässt den Tag langsam ausklingen.

Doch so schön Paris und seine Sehenswürd­igkeiten sind, die hohe Anzahl an Touristen hat auch Schattense­iten. So ist die Polizeiprä­senz – auch aufgrund vergangene­r Terroransc­hläge – in Paris sehr hoch. Die Art und Weise, wie die Polizisten gekleidet und bewaffnet sind, ist alles andere als beruhigend. Bei jeder Sehenswürd­igkeit gibt es Taschenund Personenko­ntrollen. Auch die Zahl der Straßenver­käufer und or- ganisierte­n Gruppen, die offensicht­lich darauf warten, ahnungslos­e Touristen abzuzocken, ist enorm und an den Top-Attraktion­en besonders störend.

Am nächsten Tag stehen der Jardin des Tuileries, die gläserne Pyramide du Louvre und mit Notre-Dame eine der berühmtest­en Kirchen der Welt auf meinem Programm. Letztere fasziniert insbesonde­re durch ihr hohes Kirchensch­iff und die großen und aufwendig bemalten Seitenfens­ter. Als sich gegen 22 Uhr die Nacht über die Metropole gelegt hat, erklimme ich ein zweites Mal die Treppenstu­fen bis zur Aussichtsp­lattform des Arc de Triomphe. Und wer dachte, dass Paris bei Tag eine besondere Atmosphäre versprüht, der hat die Stadt noch nie bei Nacht erlebt. Die hell beleuchtet­en Kirchen, die unzähligen Autos, die sich ihren Weg durch die vielen kleinen und großen Straßen bahnen, der goldgelb leuchtende Eiffelturm und die letzten Sonnenstra­hlen über den Bürogebäud­en von La Défense lassen einen die Zeit vergessen, und wenn das Sicherheit­spersonal nicht um 23 Uhr das Denkmal schließen würde, stünde ich noch bis zum nächsten Morgen auf der Plattform.

Der folgende Tag führt mich hinaus aus der Stadt zum Schloss Versailles. Die gigantisch­en und bis ins Detail perfektion­ierten Gartenanla­gen mit ihren unzähligen Brunnen und Statuen laden auch bei Mittagshit­ze Tausende Menschen zum Verweilen ein. Am nächsten Morgen heißt es dann wieder Kofferpack­en, denn meine Tage in Paris sind gezählt. Heute geht es weiter mit dem Thalys. Der knallrote Schnellzug wird mich in weniger als 90 Minuten von Paris nach Brüssel bringen. Die Europareis­e geht weiter.

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Jedes Jahr endet die Tour de France, die legendäre Rad Rundfahrt durch Frankreich, in Paris. Am Tag des großen Finales kommt unser Autor Simon Neidinger in der fran zösischen Hauptstadt an. Er wird Augenzeuge des Schlussspr­ints auf den Champs Élysées.
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Fotos: Simon Neidinger (3), französisc­he Flagge: Kay Nietfeld, dpa Bei Nacht erstrahlt die französisc­he Hauptstadt und entfaltet einen besonderen Charme.
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Die Kirche Sacré Coeur, eine der großen Sehenswürd­igkeiten von Paris, liegt auf ei ner Anhöhe. Von dort aus erschließt sich einem ein Ausblick über fast ganz Paris.
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