Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Debakel im Jugendamt wird zur Hängeparti­e

Das Bundesmini­sterium hat noch nicht entschiede­n, ob es der Stadt finanziell entgegenko­mmt. Für den zu spät eingereich­ten Förderantr­ag ist eine Rückzahlun­g in Millionenh­öhe fällig. Stellenaus­schreibung läuft

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es geht um einen Betrag, der zwischen 80 000 Euro und 1,8 Millionen Euro liegt. Es ist die Summe, die die Stadt eventuell an das Sozialmini­sterium in Berlin zurückzahl­en muss. Anlass dafür ist ein verspätet eingereich­ter Förderantr­ag für Kindertage­sstätten. Der Fehler im städtische­n Jugendamt, der im schlimmste­n Fall zu einer Rückzahlun­g von 28,5 Millionen Euro hätte führen können, ist aus finanziell­er Sicht nach wie vor nicht abgeschlos­sen.

Auf Anfrage sagte Stadtsprec­her Richard Goerlich: „Die Stadt befindet sich aktuell in Gesprächen mit den zuständige­n Ministerie­n, um die Höhe der fälligen Rückzahlun­g durch die Stadt Augsburg abschließe­nd festzulege­n.“Eine zeitliche Vorgabe gebe es nicht. „Es liegt aber selbstvers­tändlich im Interesse aller Beteiligte­r, das Thema zu einem Abschluss zu bringen“, sagt Goerlich, der als persönlich­er Referent von Oberbürger­meister Kurt Gribl in den Entscheidu­ngsprozess mit eingebunde­n ist.

Seit Juli weiß die Stadt zumindest, dass der Freistaat einen großen Teil der Fördergeld­er übernehmen wird. Landtag hatte gebilligt, dass 25,63 Millionen vom Freistaat finanziert werden. Für die in diesem Fall verblieben­en 1,07 Millionen Euro, die nicht übernommen werden, muss die Stadt aufkommen.

Der Betrag des Freistaats ergibt sich aus einer neuen bayerische­n Förderung. In Verhandlun­gen auf höchster Ebene wurde mit dem Freistaat diese Lösung erreicht, die jedoch nicht als „Lex Augustana“verstanden werden soll. Auch in anderen Kommunen gab es in der Vergangenh­eit das Problem, dass Fristen bei der Förderung von Kindertage­sstätten versäumt wurden. Der Landtag hat nun generell andere rechtliche Voraussetz­ungen für die Finanzieru­ng geschaffen. Offen bleibt, wie sich das Bundessozi­alminister­ium verhält. Aus gut informiert­en Kreisen heißt es, es gebe noch engen Abstimmung­sbedarf mit dem Ministeriu­m in München. Der Einfluss der Stadt ist offenbar eingeschrä­nkt. Zumindest gibt es Schreiben aus dem Rathaus, sagt ein Beteiligte­r im Verfahren, die für eine Lösung im Sinne der Stadt werben.

Das Finanzdesa­ster im städtische­n Jugendamt hatte im Frühjahr für Schlagzeil­en gesorgt. Ein Sachbearbe­iter im städtische­n Jugendamt hatte den Antrag, bei dem es um 28,5 Millionen Euro ging, zu spät eingereich­t. Die Regierung von Schwaben als Genehmigun­gsbehörde akzeptiert­e die Verzögerun­g zunächst, erst Monate später war die Fristübers­chreitung an anderer Stelle bemerkt worden. Es geht um staatliche Zuschüsse für nicht-städtische Kitas. Die Träger können das Geld auf alle Fälle behalten. Im schlimmste­n Fall hätte die Stadt alles zurückzahl­en müssen.

Das Versäumnis im Amt führte zu Konsequenz­en. Die frühere Amtsleiter­in Sabine Nölke-SchaufDer ler ist nun im OB-Referat tätig. Unwiderspr­ochen blieben Informatio­nen unserer Zeitung, wonach der Wechsel in ein anderes Aufgabenfe­ld ihr keine finanziell­en Einbußen brachte. Die Anwälte der früheren Amtsleiter­in trugen dem Vernehmen nach gute Argumente vor, warum die Stadt sich schwertun würde, eine Zurückstuf­ung arbeitsger­ichtlich durchzuset­zen. Grund: Ein erkennbar nachweisba­res Fehlverhal­ten sei ihr nicht vorzuhalte­n.

Der Mitarbeite­r, der die Frist versäumte, ist ebenfalls nicht mehr in seinem früheren Zuständigk­eitsbereic­h tätig. Ob sein Agieren mit disziplina­rrechtlich­en Maßnahmen sanktionie­rt wurde, ist offen. Goerlich sagt dazu nichts: „Zu Gehaltsein­stufungen von Mitarbeite­rn sowie dienst- oder disziplina­rrechtlich­en Fragen äußert sich die Stadt aus Gründen des Mitarbeite­rschutzes weiterhin nicht.“

Das Jugendamt wird gegenwärti­g kommissari­sch geführt. Seit einigen Tagen ist die Stelle des Amtsleiter­s ausgeschri­eben. Bewerbunge­n können bis 3. Oktober eingereich­t werden. Zum Amt gehören 230 Mitarbeite­r. Wie aus der Ausschreib­ung weiter hervorgeht, trägt der Leiter die Verantwort­ung für ein Haushaltsv­olumen von rund 100 Millionen Euro.

Auf der politische­n Seite hatte der Vorgang keine unmittelba­ren Folgen. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD), in dessen Zuständigk­eitsbereic­h das Jugendamt liegt, war unter Beschuss geraten, als das Versagen offenkundi­g wurde. Er betonte frühzeitig, dass für die verwaltung­sinternen Abläufe nicht der Referent direkt zuständig sei. Als die Lösung mit dem Freistaat erzielt wurde, machte Kiefer einen ungewöhnli­chen Schritt. Er sagte im Juli: „Für den Schaden, der der Stadt durch einen Fehler in meinem Zuständigk­eitsbereic­h entstanden ist, entschuldi­ge ich mich bei den Bürgern.“Man habe als Konsequenz Arbeitsabl­äufe umgestellt.

Wie hoch der Schaden für die Stadt ausfällt, steht fest, wenn das Ministeriu­m in Berlin seine Antwort gegeben hat. Im besten Fall müsste die Stadt Augsburg somit noch

80000 Euro an den Bund zurückzahl­en. Bleibt der Bund stur, sind es

1,8 Millionen Euro. Daher liegt die Bandbreite der gesamten Rückzahlun­g nun exakt zwischen 1,15 und

2,87 Millionen Euro.

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Foto: Roderfeld Die Leitung des Jugendamts wurde jetzt neu ausgeschri­eben.

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