Augsburger Allgemeine (Land West)
Karussell: Verkauf ist nicht einfach
Der Besitzer der Leopardenspur will aufhören
Die Leopardenspur steht zum Verkauf: Seit unsere Zeitung darüber berichtete, ist die Zukunft des KultKarussells Gesprächsthema auf dem Herbstplärrer. Betreiber Michael Heindel, 71, sagt, viele Menschen würden ihn darauf ansprechen – verbunden mit der Hoffnung, dass das Fahrgeschäft dem Augsburger Plärrer erhalten bleibt. Sicher ist das allerdings nicht: Es hängt davon ab, ob und welchen Käufer der Augsburger Schausteller, der aus Altersgründen aufhören will, findet. Es dürfte auch nicht ganz einfach werden, einen passenden Käufer zu finden.
Denn: Das gut 40 Jahre alte Karussell ist zwar in einem hervorragenden, gepflegten Zustand. Das sehen in Schausteller-Kreisen alle so. Allerdings ist es aufwendig, dass Fahrgeschäft aufzubauen. Vier Mitarbeiter benötigt Heindel dazu. Moderne Fahrgeschäfte lassen sich deutlich einfacher auf- und wieder abbauen. Das ist ein Zeit- und ein Kostenfaktor. Dazu kommt, dass es für Schausteller schwieriger wird, Arbeiter zu finden, die mit ihnen auf die Reise über die Volksfeste gehen. Das sagt auch Josef Diebold, der Vorsitzende des Schwäbischen Schaustellerverbands. Leopardenspur-Chef Heindel sagt, es hätten zuletzt auch immer wieder Asylbewerber Interesse gezeigt, mitzuarbeiten. Das Problem ist aber: Vielen Flüchtlingen sei es nicht erlaubt, zu arbeiten.
Heindel sagt jedenfalls: „Für ein Butterbrot verkaufe ich nicht.“Er hat keinen Nachfolger in der Familie. Junge Augsburger Schausteller haben bislang kein Interesse gezeigt. Das Problem: Ein Käufer hat nicht die Garantie, dass er den Standplatz auf dem Plärrer wieder bekommt. Und eine Kreditfinanzierung eines Karussell bei der Bank ist auch nicht einfach. Solange das Karussell nicht verkauft ist, will Heindel es vorläufig noch weiter auf dem Plärrer betreiben. Trotz der Arbeit sei es für ihn auch eine Freude, die vielen lachenden Fahrgäste zu sehen. Gerade an Tagen, an denen das Karussell ständig gut besucht ist – so wie am Familientag am Mittwoch.
Ein Plärrer ohne Festzelte und Bier – das ist doch eigentlich völlig undenkbar, oder?
Heute ja. Die Maß Bier im Festzelt gehört für viele Besucher des Plärrers auf jeden Fall dazu. Es gab aber auch Zeiten ohne Bier. Im Jahr 1878 gab es zum ersten Mal den Vergnügungspark auf dem Festplatz an der Langenmantelstraße. 1880 wurde im Rathaus lange über „alkoholische Zugeständnisse“diskutiert. Schließlich durfte, bei günstiger Witterung, erstmals Bier ausgeschenkt werden. Danach folgten wieder, bis 1905, mehrere „trockene“Jahre. Im Jahr 1921 stand dann erstmals ein kleines Bierzelt auf dem Platz.
Die Schausteller betreiben nicht nur Karusselle und Buden – es gibt auch ungewöhnliche Berufe.
Ein Beispiel dafür ist die Familie Kreis. Bekannt ist die Schaustellerfamilie für ihr Kinderkarussell „Samba“, bei dem kleine Flugzeuge und Helikopter durch die Luft schaukeln. Thomas Kreis ist oft im Kassenhaus zu sehen, aber auch seine Frau Ramona Kreis sitzt immer wieder hier. Sie übt aber auch noch einen anderen Beruf aus: Sie ist Wahrsagerin. Die Fähigkeit, aus Karten zu lesen, habe sie von ihrer Großmutter geerbt, sagt sie. Kürzlich feierte das Schausteller-Paar übrigens eine doppelte Hochzeit: Zum 25. Jubiläum ihrer standesamtlichen Trauung ließen sie sich die beiden nun auch noch kirchlich trauen.
Warum haben Wohnwagen und Transportanhänger der Schausteller oft ein rundes Dach?
Das ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Die Wagen ähneln, wenn man sie genau anschaut, Zugwaggons. Und genau das ist auch der Grund für ihre Form. Denn früher transportierten die Schausteller ihre Wohnwagen und ihre Fahrgeschäfte oft auch per Bahn. Heute fahren sie mit Lastwagen von Ort zu Ort. An vielen Orten gibt es gar keine Rampen mehr zum Verladen. Der Transport per Bahn wäre auch zu umständlich und zu teuer.
Die Leopardenspur ist ein Klassiker – dieses Karussell gibt es nur auf dem Plärrer, oder?
Ein Plärrer ohne Leopardenspur ist fast nicht denkbar. Das Karussell ist seit Generationen beliebt. Der Augsburger Schausteller Michael Heindel reist damit seit vier Jahrzehnten über die Volksfestplätze. Und in dieser Form ist die Leopardenspur einmalig – mit ihrer bis ins Detail durchdachten Dschungel- Das Karussell an sich – Gondeln, die im Kreis über Berg und Tal fahren – gibt es allerdings häufiger. Oft trägt es den Namen „Musikexpress“. So schön wie die Leopardenspur, da sind sich Rummel-Experten in verschiedenen Internetforen einig, sind aber nur wenige Fahrgeschäfte dieses Typs. Die Zukunft ist allerdings ungewiss. Mi- chael Heindel will das Karussell nach dem Tod seiner Frau im Frühjahr aus Altersgründen verkaufen.
Wechseln Schaustellerkinder wirklich ständig die Schule – so wie ihre Eltern reisen?
Ja und nein. Tatsächlich gibt es viele Schaustellerkinder, die mit ihren ElDekoration. tern von Volksfest zu Volksfest reisen. Die Kinder gehen dann immer am jeweiligen Ort zur Schule. Das sei inzwischen sehr gut organisiert, sagt Josef Diebold, der Chef des Schwäbischen Schaustellerverbands. Die Kinder werden nicht einfach in eine Klasse gesetzt, sondern gezielter betreut, auch mit Hilfe sogenannter Bereichslehrer. Alle paar Im 19. Jahrhundert verbreiteten sich die Orgeln auf den Volksfesten. Die Schausteller wollten so ihre Karusselle attraktiver machen. Entstanden sind dabei oft kleine Kunstwerke. Mit der Erfindung von Tonbändern, Schallplatten und Lautsprechern wurden die Orgeln langsam verdrängt. Keiner wollte sie mehr hören. Sie wurden in Lagern abgestellt. Oder in der Nachkriegszeit sogar schlichtweg in der Not verheizt – weil Brennholz fehlte. Erst später setzte eine Rückbesinnung ein. Schausteller ließen die Orgeln restaurieren und präsentieren sie heute stolz auf den Festen. Eine Orgel der Augsburger Familie Noli ist derzeit etwa im historischen Bereich des Herbstplärrers zu sehen. Wer Bier will, muss einen Liter bestellen – das ist in den Münchner Oktoberfestzelten tatsächlich so. In Augsburg ist das aber etwas anders: Im Schallerzelt kann man bis 18 Uhr auch Halbe-Liter-Krüge bestellen. Und es gibt eine weitere Alternative, die „Rammerlmaß“– nach Angaben des Festwirts Dieter Held eine „gut eingeschenkte Halbe“. Erfunden hat die Rammerlmaß übrigens der Vater des aktuellen „Schaller“-Wirts, der 2014 verstorbene Charly Held. Er ließ sie sich sogar patentieren. Auch im Binswanger-Zelt gibt es eine kleinere Alternative zur Ein-LiterPortion. Sie nennt sich hier „Festbier Bräutrunk“– in der Speisekarte beschrieben als eine „große Halbe im Maßkrug“. Im Übrigen: In beiden Zelten gibt es die Maß längst auch schon alkoholfrei.
OAuf dem Münchner Oktoberfest gibt’s Bier nur in Maßkrügen. Wie ist das in Augsburg?
Info Der Herbstplärrer ist noch bis Sonntag, 9. September, geöffnet. Am Samstag von 10.30 bis 23.30 Uhr und am Sonntag von 10.30 bis 23 Uhr.