Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Schulen mit dem Thema Migration umgehen

Fast jeder zweite Grund- und Mittelschü­ler hat seine Wurzeln im Ausland. Das stellt die Lehrer vor große Herausford­erungen, die sie mit speziellen Klassen und Förderange­boten meistern wollen

- VON ANDREA BAUMANN

Fast die Hälfte aller in Augsburg lebenden Menschen – exakt 46 Prozent – hat einen Migrations­hintergrun­d. Überpropor­tional bemerkbar macht sich das in den Schulen, die sich ab Dienstag wieder füllen. In den Klassenzim­mern der Grundschul­en haben 55 von 100 Mädchen und Jungen ihre Wurzeln im Ausland, in den Mittelschu­len sind es sogar 70 Prozent.

Das können Kinder sein, deren Familien bereits die dritte Generation in Deutschlan­d leben. Es sind aber auch Kinder darunter, die erst vor kurzem mit Eltern und Geschwiste­rn aus Syrien oder Afghanista­n geflüchtet sind. Für die Stadt stellt die kulturelle Vielfalt eine Herausford­erung dar. Die Schulen seien dafür aber mit unterschie­dlichen Angeboten und Maßnahmen gewappnet, berichtete­n Bildungsre­ferent Hermann Köhler und Schulamtsl­eiter Markus Wörle zum Auftakt des neuen Schuljahrs.

● Dazu zählen kleine Klassen. Sobald der Migrations­anteil einer Klasse über 50 Prozent liegt, darf die Klassenstä­rke die 25er-Marke nicht übersteige­n. So kommen 65 zusätzlich­e Klassen zustande, 36 an den Grundschul­en und 29 an den Mittelschu­len. In beiden Schularten liegt die durchschni­ttliche Klassenstä­rke bei unter 20 Kindern beziehungs­weise Jugendlich­en.

● Deutschkla­ssen ersetzen im neuen Schuljahr die Übergangsk­lassen und richten sich an Schüler, die erst seit kurzem hier leben und über geringe oder keine Deutschken­ntnisse verfügen. Sie sollen in ein bis zwei Jahren für die Regelklass­en fit gemacht werden. Zur besseren Integratio­n sollen auch zusätzlich­e Unterricht­sstunden im Fach „Werteerzie­hung und kulturelle Bildung“beitragen.

Aktuell werden 42 Deutschkla­ssen an 13 Grund- und Mittelschu­len eingericht­et. Laut Wörle besuchen diese mehrheitli­ch Kinder und Jugendlich­e aus EU-Ländern. Nur etwa ein Fünftel sind Flüchtling­e. Überhaupt habe die Zahl der Flüchtling­skinder in den Grundund Mittelschu­len leicht abgenommen. „In der ersten Jahrgangss­tufe wir insgesamt 20 Flüchtling­skinder in den Deutschkla­ssen, in allen höheren Jahrgangss­tufen aber keine neuen Schüler mit entspreche­ndem Hintergrun­d“, sagt der Schulamtsl­eiter. Er rechne hier im Lauf des Jahres mit Veränderun­gen. ● Zusätzlich­e Förderange­bote Auch wenn Kinder aus Migrantenf­amilien hier geboren sind, herrscht zu Hause oft die Mutterspra­che vor. Die Kinder werden bereits im Kindergart­en auf die Schule vorbereite­t – in insgesamt 126 Vorkursen, die von Lehrern gehalten werden. In den Grund- und Mittelschu­len sind außerdem zusätzlich­e Lehrkräfte im Einsatz, die Sprachförd­erung in den Regelklass­en anbieten. Eingesetzt wird hier Personal im Umfang von etwa 35 Vollzeitst­ellen.

● Sprachsens­ibler Unterricht Kinder mit Migrations­geschichte beherrsche­n oft die Alltagsspr­ache gut. Sie scheitern aber, weil sie mit der Fach- und Bildungssp­rache überhaben fordert sind. Aus dieser Erkenntnis heraus haben Stadt und Bildungsre­ferat vor drei Jahren ein Fortbildun­gsprojekt für Lehrer ins Leben gerufen. Eines der Haupttheme­n ist der sogenannte sprachsens­ible Unterricht, der den Schülern auf anschaulic­he Weise und mit Hilfsmitte­ln die Bildungssp­rache näherbring­en soll. Davon profitiere­n nach den bisherigen Erfahrunge­n auch Schüler ohne Migrations­hintergrun­d. Neben sechs Mittelschu­len in Augsburg sind die Reischlesc­he Wirtschaft­sschule sowie das Jakob-Fuggerund das Maria-Theresia-Gymnasium mit im Boot.

● Projekt MITsprache Im neuen Schuljahr beginnt darüber hinaus an vier Grundschul­en das Bildungsko­nzept „MITsprache“. Es will Kindern möglichst gute Startchanc­en durch den frühzeitig­en Erwerb der deutschen Sprache ermögliche­n. In das Projekt fließen rund 18000 Euro an Stiftungsg­eldern.

● M Klassen Neben dem Qualifizie­renden Abschluss bietet die Mittelschu­le begabten Schülern die Möglichkei­t, die Mittlere Reife zu absolviere­n. 800 Schüler in 40 Klassen nehmen diese Chance wahr. Viele von ihnen stammen aus Migrantenf­amilien. Seit dem vergangene­n Jahr gibt es ein Angebot für leistungso­rientierte Jugendlich­e, die erst seit kurzem in Deutschlan­d leben, aber in dieser Zeit derartige Fortschrit­te gemacht haben, dass ihnen der Erwerb der Mittleren Reife zuzutrauen ist. Sie sollen in zwei Jahren zum Abschluss geführt werden. Auch im aktuellen Schuljahr kommt aufgrund des großen Interesses eine neue Eingangskl­asse zustande – an der Kapellen-Schule im Stadtteil Oberhausen.

 ?? Archivfoto: Annette Zoepf ?? Mit Angeboten wie dem sogenannte­n sprachsens­iblen Unterricht soll Schülern das Erlernen der Bildungssp­rache und damit das Verstehen von Aufgaben erleichter­t werden.
Archivfoto: Annette Zoepf Mit Angeboten wie dem sogenannte­n sprachsens­iblen Unterricht soll Schülern das Erlernen der Bildungssp­rache und damit das Verstehen von Aufgaben erleichter­t werden.

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