Augsburger Allgemeine (Land West)

Sicherheit: Die Stadt muss abrüsten können Debatte

Es wird viel getan, um Feste wie den Plärrer und die Sommernäch­te zu schützen. Das ist nachvollzi­ehbar. Doch die Entwicklun­g kann nicht immer nur in eine Richtung gehen

- VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

Augsburg ist eine sichere Stadt. Die Kriminalit­ät war hier zuletzt so niedrig wie nie in den vergangene­n zehn Jahren. Es gibt zum Beispiel deutlich weniger Einbrüche als noch vor einiger Zeit; seit Jahren sind die schweren Verbrechen in der Stadt überschaub­ar. Fälle von Mord, Totschlag und überfallar­tigen Vergewalti­gungen kommen hier selten vor.

Jedes Delikt dieser Art ist grauenvoll, aber es ist nicht so, als gäbe es heute eine höhere Wahrschein­lichkeit als früher, Opfer eines Verbrechen­s zu werden. Die hiesige Polizei macht einen guten Job. Der Anteil der Flüchtling­e an der Kriminalit­ät ist zwar spürbar gestiegen, doch das ändert an der grundsätzl­ichen Einschätzu­ng nichts: Augsburg ist eine sichere Stadt, eine der sichersten in Deutschlan­d übrigens. Wer zuletzt über öffentlich­e Veranstalt­ungen in Augsburg schlendert­e, konnte jedoch einen anderen Eindruck gewinnen. Immer öfter engagiert die Stadt beispielsw­eise private Sicherheit­sfirmen, die an Eingängen Taschen kontrollie­ren, immer mehr Mitarbeite­r dieser Unternehme­n sind während der Feste zu sehen.

Das ist, trotz der guten Sicherheit­slage, grundsätzl­ich nachvollzi­ehbar. Die Anlässe zu diesen Vorkehrung­en sind bekannt: Es sind unter anderem die Anschläge in Berlin, Ansbach und Münster in den vergangene­n Jahren; Taten, die Sicherheit­sorgane von einer „abstrakten Gefährdung­slage“sprechen lassen, auch wenn es keine konkreten Hinweise dafür gibt, dass etwas Ähnliches wieder und in Augsburg passieren könnte. Seither hat die Stadt Auflagen für Veranstalt­ungen verschärft und selbst aufgerüste­t, beispielsw­eise verschiebb­are Poller gekauft, um Attentate mit einem Lastwagen zu verhindern.

Ordnungsre­ferent Dirk Wurm sprach zuletzt davon, die SicherEine heitsmaßna­hmen für diesen Herbstplär­rer seien weder martialisc­h noch übermäßig, sondern verhältnis­mäßig und zielführen­d. Das kann man noch so sehen. Für die „Sommernäch­te“im Juni könnte man eine solche Bewertung allerdings schon nicht mehr ernsthaft ziehen. Das Wort übermäßig trifft es in dem Fall ganz gut. Schwer vorstellba­r, wie man die Vorkehrung­en für die Veranstalt­ung eigentlich noch erhöhen wollte, ohne die Innenstadt in der Zeit zu einer Festung zu machen. Als Besucher konnte man kaum ein paar Meter gehen, ohne auf einen Polizisten, den Ordnungsdi­enst oder einen Sicherheit­smann zu stoßen oder von einer Überwachun­gskamera gefilmt zu werden.

Die Behörden begründen derlei Maßnahmen gerne mit dem Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g. Argumentat­ion, die den unschlagba­ren Vorteil hat, dass sich Gefühle eines Kollektivs, anders als zum Beispiel faktische Zahlen einer Kriminalit­ätsstatist­ik, schwer belegen lassen und damit auch nicht widerlegen. Man kann die Lage durchaus auch anders sehen: Dass verschärft­e Maßnahmen nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch ein gewisses Misstrauen gegenüber friedliche­n Feiernden ausdrücken – und selber ein Gefühl der Unsicherhe­it erzeugen, das durch sie doch bekämpft werden soll. Wenn so viel Geld und Personal in Sicherheit investiert wird, muss schließlic­h irgendeine Gefahr bestehen, welcher Art auch immer.

Kein Verantwort­licher wird sich im Fall eines Attentates oder schweren Verbrechen­s auf einer öffentlich­en Veranstalt­ung dem Vorwurf ausgesetzt sehen wollen, nicht genug für die Sicherheit der Bevölkerun­g getan zu haben. Das ist verständli­ch.

Wahr ist aber auch: Das Risiko, bei einer solchen Veranstalt­ung Opfer eines Anschlags zu werden, ist äußerst gering. Und auch wenn es mögliche Szenarien gibt, wie immer neue Sicherheit­svorkehrun­gen Attentate verhindern können, braucht man nicht viel Fantasie, um sich Taten vorzustell­en, bei denen keine Poller, keine Einlasskon­trollen, keine Überwachun­gskameras etwas helfen.

Dass die Stadt auf äußere Anlässe reagieren und die Sicherheit­smaßnahmen erhöhen kann, hat sie bewiesen. Sie braucht allerdings auch die Fähigkeit, wieder abrüsten zu können. Die Entwicklun­g kann nicht immer nur in eine Richtung gehen. Es ist nicht so, als würde dieses Land ständig durch Anschläge erschütter­t. Und erst recht ist Augsburg keine Stadt, in der man groß Angst um die eigene Sicherheit haben muss. Eine Restgefahr für Anschläge bleibt immer. Die nächste Ausgabe der Sommernäch­te wäre, sollte sich die Sicherheit­slage nicht zuspitzen, ein guter Anlass, die Präsenz an Polizisten und Sicherheit­skräften mindestens mal nicht zu erhöhen – oder besser noch: sie zu reduzieren.

Die Behörden müssen Maß halten

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