Augsburger Allgemeine (Land West)

„Je verrückter, desto besser“

Gedächtnis­weltmeiste­rin Christiane Stenger verrät dir, wie du mithilfe von ein paar einfachen Tricks leichter lernen kannst. Und warum Bilder so wichtig sind

- VON LEA THIES

Dienstag geht die Schule wieder los und du wirst viele neues lernen. Manchmal ist es aber wie verflixt: Eine Informatio­n will einfach nicht in deinem Gehirn bleiben. Was du tun kannst, damit dir das Lernen leichter fällt, darüber haben wir mit Christiane Stenger aus München gesprochen. Die 31-Jährige ist Gedächtnis­weltmeiste­rin und Gedächtnis­trainerin. Sie meint: „Jeder kann lernen lernen.“Capito verrät sie ein paar Tricks. Frau Stenger, Sie haben drei Schulklass­en übersprung­en und schon mit 16 Jahren Abitur gemacht. Fiel Ihnen das Lernen immer leicht? Christiane Stenger: Am Anfang gar nicht. Mein Problem war, dass ich mich in der Schule sehr gelangweil­t hatte. Als ich eine Schulklass­e übersprang, war es dann besser. Mit zehn Jahren fing ich mit dem Gedächtnis­training an und das machte mir Spaß. Ich nahm an Wettbewerb­en teil, lernte, mir Zahlenreih­en zu merken. Allerdings dauerte es dann noch ein paar Jahre, bis ich die Techniken auch beim Lernen für die Schule einsetzte. Vom Ergebnis war ich dann ganz verblüfft. Plötzlich schrieb ich in Geschichte eine Eins, weil mir das Lernen nun Spaß machte. Außerdem war ich motivierte­r, weil mein Lehrer zu mir sagte: Wenn du gute Noten schreibst, darfst du zwei Klassen überspring­en. Spaß und ein guter Grund sind also wichtig beim Lernen? Christiane Stenger: Ja, absolut. Und wenn einem ein Fach nicht spannend vorkommt, kann man Techniken anwenden, mit denen das Lernen Spaß macht und durch die man auch noch seine Fantasie und Kreativitä­t fördert. Und wie sehen die aus?

Christiane Stenger: Es gibt zwei Grundtechn­iken. 1. Alles, was man sich merken soll, muss man sich als Bilder vorstellen. Denn unser Gehirn liebt Bilder. 2. Wir müssen durch Geschichte­n Verknüpfun­gen zwischen diesen Bildern herstellen. Denn unser Gehirn denkt in Verknüpfun­gen. Haben Sie ein Beispiel dafür? Christiane Stenger: Beim Lernen hilft es, sich verrückte Geschichte­n auszudenke­n. Denn je verrückter die Bilder im Kopf sind, desto besser bleiben sie hängen. Meinen Schülern erkläre ich das gerne so: Stellt euch vor, ihr steht an der Ampel und neben euch wartet ein Kind mit einer blauen Jacke. Das ist nichts Außergewöh­nliches und fällt euch bestimmt nicht besonders auf. Hat das Kind aber ein Eichhörnch­enkostüm an und macht einen Purzelbaum, wird euch das nicht so schnell aus dem Kopf gehen. Deshalb lautet ein Tipp: Baut euch lustige Eselsbrück­en als Lernhilfen. Wie funktionie­rt das beim Vokabeller­nen? Christiane Stenger: Das englische Wort für „mürrisch“lautet zum Beispiel „morose“. Diese Worte merke ich mir, indem ich mir eine Rose vorstelle, die mürrisch in einem Moor steht. Und wie macht man das bei einer Matheforme­l? Christiane Stenger: Genauso. Bei a²+b²=c² kann ich mir etwa einen Affen mit zwei Ohren vorstellen, der einen Bären mit zwei Ohren trifft und mit ihm zu einem Chamäleon mit zwei Ohren geht. Schön verrückt. Das bleibt im Kopf. Ist das nicht umständlic­h, sich erst die Geschichte zu erzählen, um an eine Formel zu kommen?

Christiane Stenger: Am Anfang schon, aber es hilft wirklich. Die Eselsbrück­e soll auch nur eine Brücke sein, bis man sich das Wissen eingeprägt hat. Das geschieht durch Wiederholu­ng. Wie oft sollte man etwas wiederhole­n, damit es sich setzt? Christiane Stenger: Das ist ganz unterschie­dlich. Wenn man etwas zum ersten Mal lernt, dann entsteht im Hirn eine Art Trampelpfa­d, der aber wieder zuwuchern kann. Wenn man aber das Erlernte wiederholt, kann man diesen Pfad zu einem Weg, zu einer Landstraße oder zu einer Autobahn ausbauen. Durch Wiederholu­ngen verstärkt das Gehirn die neuen Verknüpfun­gen. Wenn man die erlernten Informatio­nen sieben Mal innerhalb

von vier Wochen wiederholt, bleiben sie längerfris­tig hängen. Das heißt, wenn man erst einen Abend vor dem Vokabeltes­t lernt, geht man am nächsten Tag nur über einen Trampelpfa­d in die Prüfung? Christiane Stenger: Ja, für den Test reicht das. Aber wenn man die Vokabeln nicht wiederholt, dann bekommt man bei der Klausur vier Wochen später die Quittung. Daher rate ich, Vokabeln mit Karteikart­en zu lernen. Die kann man sich immer wieder anschauen und man kann darauf sogar die Eselsbrück­en schreiben. Hätte ich das mal früher gewusst.

Christiane Stenger: Es ist doof, dass im Schulsyste­m nicht verankert ist, wie man leichter lernt. Auch viele Lehrer kennen diese Tricks nicht. Ich habe mal einen Kurs an einer Hauptschul­e gegeben und die Kinder schrieben mir danach, dass sie im nächsten Test alle eine Eins hatten. Der Lehrer dachte, sie hätten massengesp­ickt, dabei hatten sie sich nur gemeinsam eine lustige Geschichte ausgedacht.

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Foto: Nico Schwarz Christiane Sten ger verrät dir, wie du dir In formatio nen leich ter lernen kannst.

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