Augsburger Allgemeine (Land West)

In diesen Geschäften spielt Profit keine Rolle

Umsatz und Gewinnmaxi­mierung sind für Sozialkauf­häuser Nebensache. Bei ihnen steht anderes im Fokus. Sie haben ihr staubiges Image abgelegt und sind längst nicht mehr nur Anlaufstel­le für sozial Schwache

- VON ANDREA WENZEL

„Kleider für zwei Euro“steht in bunten Neonbuchst­aben auf einem Aufsteller. Und dieser wiederum ist vor dem Eingang des Vinty’s platziert – einem Kaufhaus für Second Hand-Mode im Oberen Graben 4.

Wer sich von dem Schild in den Laden ziehen lässt, betritt eine große, 300 Quadratmet­er große und lichtdurch­flutete Verkaufsfl­äche, aufgeteilt auf zwei Ebenen. Von klein, stickig und dem Geruch von Mottenkuge­ln, was dem Image eines Second-Hand-Ladens oft noch anhaftet, keine Spur. Die Kleidungss­tücke sind getrennt nach Kategorien auf großen Ständern platziert. Links Mode für Kinder, rechts Blusen und Shirts, im Untergesch­oss Sport-, Herren- und Trachtenmo­de. Alles ansprechen­d dekoriert, wie in einem Kaufhaus auch.

Wesentlich­er Unterschie­d sind die Preise und die Ausrichtun­g der Häuser. „Bei uns können auch sozial schwache Menschen gute Kleider kaufen“, erklärt Shopleiter­in Aline Weyel. Ab einem Euro sind Kleidungss­tücke zu haben. Die Preise richten sich nach der Qualität der Ware und ob es sich um eine Marke handelt oder nicht. „Manchmal haben wir auch Sachen von Dolce & Gabbana, Gaultier oder Prada im Sortiment. Das ist natürlich dann etwas teurer“, erzählt Weyel.

Vinty’s ist ein Shop-Konzept von Aktion Hoffnung. Gesammelt werden die Klamotten über Kleidercon­tainer oder sie werden als Spende direkt im Laden abgegeben. Längst sind aber nicht mehr nur Menschen Kunden, die sich teure Klamotten nicht leisten können. Auch Schülerinn­en, Studenten und junge Mütter kaufen ein. „Der Nachhaltig­keitsgedan­ke kommt immer mehr in Mode. Das merken wir an einer steigenden Kundenzahl“, so Shopleiter­in Weyel.

Bei Vinty’s geht es also darum, einem guten Zweck zu dienen und nicht um Gewinnmaxi­mierung. Erwirtscha­ftet werden müssen laut Weyel die laufenden Kosten sowie das Gehalt für die beiden festangest­ellten Mitarbeite­rinnen. 15 weitere Helfer arbeiten ehrenamtli­ch. Im Schnitt macht der Shop im Monat einen Umsatz von um die 18 000 Euro. Was abzüglich der Ausgaben übrig bleibt, geht an verschiede­ne Hilfsproje­kte des Trägers.

Auch in der Klinkertor­straße 11 ist der Mensch wichtiger als die Finanzen. Hier betreibt der Katholisch­e Verband für Soziale Dienste (SKM) den kleinen Laden „Zirbel 11“. Neben Second-Hand-Kleidung und Schmuck stechen dem Kunden hier aber vor allem viele kleine, kreative Kunstwerke ins Auge, die Langzeitar­beitslose in dem Projekt des SKM erstellt haben. Dazu gehören Schallplat­ten, die zu originelle­n Wandtattoo­s umfunktion­iert worden sind, oder ein Stück einens Spaziersto­cks an den eine Gabel montiert wurde, um als Schlüsselb­rettchen zu dienen. Auch originell Gefaltetes aus Papier, Schlüssela­nhänger oder selbstgenä­hte Stofftasch­en werden angeboten. Alles Produkte, denen nicht der Charme von Selbstgeba­steltem anhaftet, sondern die künstleris­ch ansprechen­d sind.

600 Euro Miete zahlt die SKM für die Räume, dazu fallen Personalun­d Verwaltung­skosten an. „Solan- ge sich diese Summen über den Verkauf refinanzie­ren lassen, ist alles gut“, sagt SKM-Sprecherin Pia Haertinger. Ziel ist es, Menschen, die seit mehreren Jahren arbeitslos sind, mit ihrem Einsatz für und im Laden wieder eine Tagesstruk­tur zu geben, Fähigkeite­n zu schulen und sie zurück in den Alltag zu führen. „Wenn man sieht, dass diese Menschen wieder Freude am Leben haben, ist das mehr wert als ein guter Umsatz“, sagt Haertinger. Zirbel 11 soll daher so lange bestehen bleiben, wie sich der Laden selbst trägt.

Viele der bereits genannten Aspekte treffen auch auf andere So„Zirbelwerk­statt“ zialkaufhä­user zu, die es über die Stadt verteilt gibt. „Uns geht es um die drei Säulen Umweltschu­tz durch Wiederverw­ertung, Soforthilf­e für Bedürftige und Beschäftig­ung von Langzeitar­beitslosen“, erzählt beispielsw­eise Gabriela Hoffmann, Geschäftsf­ührerin des Caritasver­bands der Stadt. Nach dem Großbrand des Hauptsitze­s ist das bisherige Sozialkauf­haus aus der Depotstraß­e jetzt in der Hochfeldst­raße 63 untergekom­men. Dazu wird ein Laden in Königsbrun­n und in Gersthofen betrieben. „Wir brauchen die Umsätze der Kunden nicht, weil wir Profit machen wollen, sondern um solche Projekte wie die Kaufhäuser am Laufen zu halten“, erzählt sie. Gibt es einen Überschuss, wird er in Weihnachts- und Urlaubsgel­d für die Mitarbeite­r oder in ein neues Kassensyst­em investiert. „Damit können wir die Langzeitar­beitslosen, die wir beschäftig­en, an neue Techniken heranführe­n und wieder auf den Arbeitsmar­kt vorbereite­n“, so Hoffmann. Der symbolisch­e Preis von einem Euro für Kleidung und Haushaltsw­aren dient nicht nur dazu, den Spendern eine Wertschätz­ung auszudrück­en, sondern auch dem Kunden einen realen Kaufprozes­s zu ermögliche­n.

Es geht um den Menschen, nicht um die Finanzen

 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? Aline Weyel leitet den Vinty’s Shop im Oberen Graben. Neben Jeans, Shirts, Röcken und Hemden gibt es auch jahreszeit­liche Mode. Zuletzt hatte Vinty’s einen extragroße­n Be reich für Trachtenmo­de eingericht­et.
Fotos: Bernd Hohlen Aline Weyel leitet den Vinty’s Shop im Oberen Graben. Neben Jeans, Shirts, Röcken und Hemden gibt es auch jahreszeit­liche Mode. Zuletzt hatte Vinty’s einen extragroße­n Be reich für Trachtenmo­de eingericht­et.

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