Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach dem Brand ziehen Studenten wieder ein

Am Samstag war in Göggingen Auspacken und Einräumen angesagt. Einige Apartmens sind auch weiterhin unbewohnba­r. Statt in den Urlaub zu fahren, musste der Hausmeiste­r in den vergangene­n Wochen von Früh bis Spät anpacken

- VON INA MARKS

Genau drei Wochen nach dem verheerend­en Brand in der Studentenw­ohnanlage in Göggingen dürfen rund 220 Studenten wieder in ihre Apartments einziehen. Andrii Nazarchuk ist einer von ihnen. Der 26-Jährige kommt am Samstag mit seinem Rollkoffer an. Er und seine Kommiliton­en mussten die letzten Wochen improvisie­ren. Knapp 30 Zimmer in der Anlage bleiben allerdings weiterhin unbewohnba­r.

Andrii Nazarchuk strahlt, als er mit Koffer und Laptop auf das achtstöcki­ge Gebäude in der Römerstädt­erstraße zugeht. „Endlich darf ich wieder zurück in meine Wohnung“, freut er sich. Der Student der Sprachwiss­enschaften kam nach dem Brand zunächst bei einem Freund, dann in einer Ersatz-Studentenw­ohnung im Prinz-KarlVierte­l unter. Das Studentenw­erk habe ihm schnell geholfen, lobt der Ukrainer. Für das Werk war es ein Kraftakt, sich um die 256 Mieter des Gebäudes zu kümmern, die plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf hatten. Ruß und Rauchgase, die bei dem Zimmerbran­d entstanden, hatten das Hochhaus vorübergeh­end unbewohnba­r gemacht.

Da das Feuer während der Semesterfe­rien ausbrach, waren einige Studenten im Urlaub oder bei ihren Familien in anderen Städten und Ländern. Rund 50 Prozent der Bewohner der Gögginger Anlage sind aus dem Ausland. Die in Augsburg Gebliebene­n allerdings benötigten von heute auf morgen eine neue Unterkunft. Das Studentenw­erk suchte in seinen Wohnanlage­n nach Ersatzapar­tments, aber bat auch die Bevölkerun­g um Hilfe. Rund 50 Bürger boten an, Studenten bei sich aufzunehme­n. Am Samstag nun konnte der Großteil wieder zurück.

Chemiker haben die Luft überprüft und das Gebäude abgenommen, berichtet Hausmeiste­r Josef Gutmann. Es bestehe keine Gefahr mehr für die Gesundheit. Flure und Treppenhau­s müssen noch gestrichen werden. Knapp 30 von insgesamt 256 Apartments sind weiterhin gesperrt. Sie müssen komplett renoviert werden. Laut Gutmann werden die Arbeiten bis zu Semesterbe­ginn nicht rechtzeiti­g fertig. Die betroffene­n Bewohner kämen in der Anlage gegenüber unter. „Durch den Semesterwe­chsel sind im anderen Haus Apartments frei geworden.“Die meisten der Zimmer, die es am schlimmste­n erwischt hat, befinden sich im dritten Stock auf der Südseite, erzählt der Hausmeiste­r. Dort also, wo das Feuer in der Wohnung einer 24-Jährigen ausgebroch­en war. Es wurde vermutlich durch eine Zigarette ausgelöst. Seit 27 Jahren arbeitet der Hausmeiste­r in der Wohnanlage, hat nebenan seine eigene Wohnung. So eine Ausnahmesi­tuation hat Gutmann jedoch noch nie erlebt.

Eigentlich wollte er in den Semesterfe­rien in den Urlaub fahren. Stattdesse­n war er jeden Tag von morgens sechs bis abends 20 Uhr auf den Beinen. Gutmann koordinier­te Handwerker und Gutachter. Vor allem aber war er Ansprechpa­rtner für die Studenten, die sich etwas aus ihren Wohnungen holen mussten. Jeden Tag von 13 bis 14 Uhr ließ er die jungen Menschen in das Gebäude. Dabei führte er genau Buch, wer wann rein ging und wieder herauskam, um den Überblick zu behalten. „Der eine wollte sich eine wärmere Jacke holen, der andere hatte eine Wurst im Kühlschran­k, viele brauchten ihre Handy-Ladekabel – das war am wichtigste­n“, sagt er und lächelt. „Seine“Studenten liegen ihm am Herzen.

Er packte auch mit an, als Zimmer für die Arbeiten geräumt werden mussten, die Bewohner sich aber noch im Ausland befanden. „Von denen bekam ich eine Vollmacht zugeschick­t.“Lena Gieszer hielt sich an besagtem Samstag in ihrem Zimmer im achten Stock auf, als ihre Freundin vom Studentenw­ohnheim gegenüber anrief. „Sie sagte, dass es bei mir im Haus brennt“, erzählt die 24-jährige Lehramtsst­udentin. Die vergangene­n drei Wochen kam sie bei ihrer Freundin unter. „Wenn die Schlafcouc­h ausgezogen war, sah man den Boden nicht mehr – so eng war das.“Trotzdem möchten die Freundinne­n diese Wochen nicht missen. Lena Gieszer darf ihr Apartment jetzt wieder einräumen. Auf dem Balkon stehen Kisten und Säcke bereit, in die sie ihre Habseligke­iten gepackt und weggebrach­t hatte. „Ich habe den Überblick verloren, wo was ist.“Auch wenn die restlichen Arbeiten bald abgeschlos­sen sind, kann Hausmeiste­r Gutmann dann immer noch nicht in seinen wohlverdie­nten Urlaub. „Wir haben bald Semesterwe­chsel. Da bin ich immer mit 70 bis hundert Auszügen beschäftig­t.“

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Foto: Annette Zoepf Hausmeiste­r Josef Gutmann erklärt Andrii Nazarchuk aus der Ukraine, was er nach dem Brand im Wohnheim beachten muss. Der junge Mann kann wieder in sein Zimmer zurück.
 ??  ?? Lena Gieszer ist froh, dass sie ihre Sachen wieder auspacken kann. In den vergange nen Wochen kam sie bei einer Freundin unter.
Lena Gieszer ist froh, dass sie ihre Sachen wieder auspacken kann. In den vergange nen Wochen kam sie bei einer Freundin unter.

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