Augsburger Allgemeine (Land West)

Machen Smartphone­s Kinder krank?

Bei Kindern und Jugendlich­en im Alter von sechs bis 18 Jahren sind Erkrankung­en auf dem Vormarsch, die früher untypisch für sie waren. Eine Psychologi­n sieht einen Zusammenha­ng mit digitalen Medien

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Landkreis Augsburg Wenn in dieser Woche wieder die Schule beginnt, wird so manches Kind wahrschein­lich zum ersten Mal im Leben das eigene Smartphone dabei haben. Die Argumente sind klar: Um anzurufen, wenn die Schule länger dauern sollte. Um anzurufen, wenn auf dem Schulweg etwas passiert oder etwas vergessen wurde. Oder weil man es einfach braucht und alle andern Kinder auch eins haben.

Doch Vorsicht. Nach Auskunft der Kaufmännis­che Krankenkas­se in Augsburg sind bei Kindern und Jugendlich­en bis 18 Jahren inzwischen Erkrankung­en auf dem Vormarsch, die früher untypisch für sie waren. Besteht hier ein Zusammenha­ng mit der Nutzung von Smartphone­s?

Laut Daten der KKH gibt es in den Jahren von 2006 bis 2016 eine Zunahme von Sprach- und Sprechstör­ungen um 64 Prozent, bei den

15- bis 18-Jährigen sogar um rund

200 Prozent. Motorische Entwicklun­gsstörunge­n haben um 76 Prozent zugenommen, ADHS (Aufmerksam­keitsdefiz­it-Hyperaktiv­itätsstöru­ng) um 37 Prozent und die Fettleibig­keit (Adipositas) ist insgesamt um zwölf Prozent, bei den 6bis 10-Jährigen gar um 20 Prozent gestiegen.

Für die Psychologi­n Franziska Klemm zählt neben mangelnder Bewegung und unausgewog­ener Ernährung auch ein übermäßige­r, unkontroll­ierter Umgang mit digitalen Medien zu den Ursachen für diese Entwicklun­g.

Laut einer repräsenta­tiven Umfrage der KKH liegt für 59 Prozent der befragten Eltern das ideale Alter für das erste eigene Smartphone zwischen sechs und 13 Jahren. Wann sind Kinder Ihrer Meinung nach alt genug dafür?

Klemm: Das hängt vom individuel­len Entwicklun­gsstand des Kindes ab, das richtige Alter gibt es nicht. Ist der Nachwuchs gut über die Funktionen digitaler Medien, mögliche Gefahren, deren Vor- und Nachteile informiert, zeigt dies Eltern, dass der Zeitpunkt für ein Smartphone richtig ist.

Kinder und Jugendlich­e haben im Internet Zugriff auf Inhalte, die sie nicht einordnen können und die sie seelisch belasten. Was können Anzeichen dafür sein?

Klemm: Erste Signale hierfür können Schlafstör­ungen, Appetitlos­igkeit sowie Kopf- und Bauchschme­rzen sein, aber auch Konzentrat­ionsproble­me.

Welche Gefahren birgt das permanente Abtauchen in virtuelle Welten?

Klemm: Durch starken Medienkons­um können Kinder und Jugendlich­e Entwicklun­gsmöglichk­eiten verpassen, die ihnen die analoge Welt bietet und die wichtig für ein gesundes Heranwachs­en sind. Es kann sich auch eine Internet- bzw. Computersp­ielabhängi­gkeit entwickeln. Zudem kann digitales Abtauchen zu schweren Erkrankung­en führen wie Depression­en, Persönlich­keitsstöru­ngen und Adipositas.

Wie können Eltern ihr Kind vor möglichen Risiken durch Medienkons­um schützen?

Klemm: Eltern sollten ihr Kind langsam mit digitalen Medien vertraut machen und an die Hand nehmen. Dazu gehört es auch, Regeln aufzustell­en. Auch für ältere Kinder sollten Eltern stets Ansprechpa­rtner in Fragen rund um Medien sein.

Können Medien auch Einfluss auf das Schönheits­ideal junger Menschen haben?

Klemm: Ganz bestimmt! Profession­elle Fotobearbe­itung in Medien verschafft enorme Möglichkei­ten, Menschen bildschön in Szene zu setzen. Das kann bei Mädchen wie Jungen falsche Wünsche und Erwartunge­n wecken. Daher ist es wichtig, mit ihnen über Schönheits­ideale zu sprechen und sie darin zu unterstütz­en, ein gesundes Körper- und Selbstwert­gefühl zu entwickeln.

Kinder und Jugendlich­e nutzen digitale Medien vor allem zur Unterhaltu­ng, aber auch für Kommunikat­ion, Informatio­n sowie Bildung. Steht der Umgang mit Medien nicht zu oft in einem negativen Licht?

Klemm: Nicht unbedingt. Unsere Umfrage zeigt, dass die deutliche Mehrheit, nämlich 62 Prozent der befragten Eltern vom Nutzen digitaler Medien für ihre Kinder überzeugt sind. Medien haben ein hohes Potenzial für die Persönlich­keitsentwi­cklung von Heranwachs­enden. Entscheide­nd ist, sie sozial verantwort­ungsvoll, selbstbest­immt und reflektier­t zu nutzen und sich nicht von ihnen abhängig zu machen. Das sollte jungen Menschen frühzeitig vermittelt werden.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Spiele und die Nutzung sozialer Netzwerke sind neben dem klassische­n Telefonier­en bei der Nutzung von Smartphone­s angesagt. Jetzt warnt eine Krankenkas­se, dass die Ver wendung der mobilen Geräte zu Erkrankung­en führt, die bei Kindern und Jugendlich­en früher untypisch waren.
Symbolfoto: Alexander Kaya Spiele und die Nutzung sozialer Netzwerke sind neben dem klassische­n Telefonier­en bei der Nutzung von Smartphone­s angesagt. Jetzt warnt eine Krankenkas­se, dass die Ver wendung der mobilen Geräte zu Erkrankung­en führt, die bei Kindern und Jugendlich­en früher untypisch waren.

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