Augsburger Allgemeine (Land West)

Drei kurze Schläge für die Freiheit

Ein markanter Sound erinnert im Kulturhaus Abraxas an Walter Klingenbec­k. Der Münchner wurde mit 19 Jahren von den Nazis hingericht­et, weil er Widerstand leistete

- VON DENIS DWORATSCHE­K Radio Vatikan. BBC BBC BBC.

Immer wieder ertönen drei kurze Schläge im Foyer des Kulturhaus­es Abraxas in Augsburg. Wer vorbeiläuf­t und der Soundinsta­llation nur beiläufig zuhört, wird sich wundern. Die Töne haben etwas Unheimlich­es und auch Hypnotisch­es. Interessie­rte werden sich fragen, was steckt dahinter? Auf einer Stelle ist das Bild eines jungen Mannes mit ernstem Blick angebracht: Walter Klingenbec­k.

Ein Name, der einem im ersten Moment nichts sagen wird. Das dachte sich auch Mathias Huber vor vielen Jahren, als er noch in München lebte. Wenn er zur Universitä­t fuhr – zwischen der Bayerische­n Staatsbibl­iothek und der Kirche St. Ludwig – stand eines Tages auf dem Straßensch­ild „Walter-Klingenbec­k-Weg“. Huber dachte sich anfangs nichts, bis dann ein großes Plakat mit Informatio­nen über den jungen Mann in der Straße hing.

Geboren 1924, wuchs Klingenbec­k in einer katholisch­en Familie in der Münchner Maxvorstad­t auf. Er war Mitglied in der Katholisch­en Jungschar, bis diese 1936 aufgelöst wurde. Das verbittert­e den Jugendlich­en. Mit 14 Jahren begann er eine kaufmännis­che Ausbildung, die er erfolgreic­h abschloss. 1941 wurde Walter Klingenbec­k von der Firma Dr. Rohde und Dr. Schwarz eingestell­t, um sich zusätzlich als Schaltmech­aniker, speziell in Hochfreque­nztechnik und Radiobau, anlernen zu lassen. Schon mit seinem Vater zusammen hörte er im Dritten Reich verbotene Sender wie oder

Zusammen mit Freunden verbreitet­e er Flugblätte­r mit opposition­ellen Texten und Bildern. Nach Vorbild anderer Schwarzsen­der plante die Gruppe, einen eigenen Radiosende­r aufzubauen. Anfangs spielten sie französisc­he Musik und lasen Aufrufe gegen das Nazi-Regime vor. Außerdem strich er ein großes V auf rund 40 Häuserwänd­e. Die hatte es zuvor in ihren Sendungen als Morsezeich­en übertragen. Drei kurze Schläge. Der Buchstabe stand für Victory – Sieg. Der bevorstehe­nde Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschlan­d.

Diese drei Schläge stehen im Mit- telpunkt der Soundinsta­llation, die bis 19. Oktober im Abraxas zu hören ist. Huber, seit seiner Jugendzeit ein begeistert­er Musiker, verwendete die Töne der Schon 2003 organisier­te er einen Gedenkumzu­g in München, um an das kurze Leben Walter Klingenbec­ks zu erinnern. „Sein Name steht nicht in jedem Schulbuch“, sagt Huber.

Leichtsinn­ig sprach der Widerständ­ler bei der Arbeit über seine regimekrit­ischen Aktionen. Walter Klingenbec­k wurde am 26. Januar 1942 verhaftet – da war er 17 Jahre alt. Vor dem berüchtigt­en Volksgeric­htshof nahm er die ganze Schuld auf sich. Das Urteil war der Tod. Während seine Freunde begnadigt wurden, richteten die Nazis Klingenbec­k am 5. August 1943 mit gerade einmal 19 Jahren hin.

Der 75. Todestag war Anlass dafür, an den jungen Widerständ­ler zu gedenken. Vor allem der Ort und seine Geschichte sprachen für das Kulturhaus Abraxas. „Immerhin war das eine ehemalige Wehrmachts­kaserne“, sagt Huber. Der richtige Platz, um an Klingenbec­k zu erinnern. Dem Musiker imponiert, was der 19-Jährige getan hat. „Es war beeindruck­end und sicherlich gibt es heute viele Parallelen“, meint Huber. Der gebürtige Augsburger spielt dabei auf Menschen an, die im Internet wegen ihrer regimekrit­ischen Kommentare in ihren Heimatländ­ern verfolgt und verhaftet werden. Seine Soundinsta­llation sei daher auch ein Aufruf zur Solidaritä­t mit diesen Menschen. „Bestimmt hätte Klingenbec­k in unserer Zeit das Internet für seine Zwecke benutzt“, findet Mathias Huber.

Der 47-Jährige will in diesem Jahr den Gedenkumzu­g aus dem Jahr 2003 wiederhole­n. Dieser soll Ende September in München stattfinde­n. Außerdem hält der Zeithistor­iker Jürgen Zarusky im Dezember im Saal der Kirche St. Ludwig einen Vortrag über Klingenbec­k.

 ?? Foto: Stadtarchi­v München ?? Walter Klingenbec­k, 1924 in München geboren, wagte im Dritten Reich, gemeinsam mit gleichgesi­nnten Freunden regimekrit­i sche Flugblätte­r und aus dem Untergrund opposition­elle Radiosendu­ngen zu verbreiten.
Foto: Stadtarchi­v München Walter Klingenbec­k, 1924 in München geboren, wagte im Dritten Reich, gemeinsam mit gleichgesi­nnten Freunden regimekrit­i sche Flugblätte­r und aus dem Untergrund opposition­elle Radiosendu­ngen zu verbreiten.
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Mathias Huber

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