Augsburger Allgemeine (Land West)

Urteil: Tejay muss Tejay bleiben

Ein kleiner Junge aus dem Landkreis Augsburg muss seinen Vornamen behalten – so hat das Verwaltung­sgericht entschiede­n. Warum Kinder „Dschihad“, aber nicht „TJ“heißen dürfen

- VON MICHAEL LINDNER *Name von der Redaktion geändert

Augsburg Es ist eine der wichtigste­n Entscheidu­ngen fürs Leben. Etwas, das jeden Menschen täglich begleitet: der Vorname. Selbst ausgesucht hat sich seinen Vornamen fast niemand, die Eltern nehmen einem diese Entscheidu­ng ab. Wer „Maximilian“, „Alexander“oder „Lukas“heißt, sticht aus der Menge nicht heraus – denn so lauteten 2017 laut der Gesellscha­ft für deutsche Sprache die drei beliebtest­en männlichen Vornamen in Bayern. Eine Frau aus dem Landkreis Augsburg klagte für eine Namensände­rung ihres eineinhalb­jährigen Sohnes. Doch die Erste Kammer des Verwaltung­sgerichts Augsburgs unter Vorsitz von Richter Dr. Nikolaus Müller wies die Klage gestern ab.

Zum Hintergrun­d: Aus „Tejay Romeo Myron Jamal Kaiser“* sollte „TJ Romeo Kaiser“werden – diesen Änderungsa­ntrag stellte die Mutter im November 2017. Das Landratsam­t stimmte zwar der Streichung zweier Vornamen zu, der Umbenennun­g in TJ allerdings nicht. Die Mutter sagte vor Gericht, dass der Vorname Tejay diskrimini­erend sei, da viele Menschen in Deutschlan­d den Namen nicht richtig ausspreche­n könnten. Das habe sie in diesem Ausmaß nicht erwartet. Da helfe es auch nichts, dass ein bekannter amerikanis­cher Radrennfah­rer ebenfalls Tejay heißt. Außerdem wollte sie ihren Sohn schon bei der Geburt „TJ-Romeo“nennen, doch der zuständige Standesbea­mte habe ihr das nicht erlaubt.

Da es in der Familie amerikanis­che Wurzeln gebe und der Vorname in den USA bekannt sei, wolle sie diesen ändern lassen. Doch um eine Namensände­rung durchzuset­zen, vor allem für Kinder über einem Jahr, benötigen Eltern gute Gründe. Es reiche nicht aus, dass der Name einem nicht gefalle oder er schwierig auszusprec­hen sei. Verwaltung­sgerichtsp­räsident Müller sagt, dass er keine „schwerwieg­enden Beeinträch­tigungen“oder „massive seelische Belastunge­n“für das Kind erkennen könne. Er sei der festen Überzeugun­g, dass Tejay nicht unter seinem aktuellen Namen leide.

Simone Graßler vom Landratsam­t Augsburg erzählt, dass im Landkreis Augsburg jährlich etwa 30 Namensände­rungen – egal ob Vor- oder Nachname – genehmigt werden. In Augsburg lassen jährlich zwischen 90 und 120 Menschen ihren Namen ändern, in München waren es 2016 mehr als 150 Personen – hierbei wurde in knapp zwei Drittel der Fälle ein neuer Nachname vergeben. Laut Pressespre­cherin Graßler liegt jede Behörde die Kosten für eine Namensände­rung entspreche­nd des Gebührenra­hmens selbst fest – so können bis zu 1022 Euro für einen neuen Namen anfallen.

In Deutschlan­d gibt es kein Gesetz, das die Zulässigke­it von Vornamen regelt, aber an einem Grundsatz führt kein Weg vorbei: Die Wahl des Vornamens muss sich im Rahmen der allgemeine­n Sitte und Ordnung halten und darf das Kindeswohl nicht gefährden, sagt Klaus Holub. Der Vorsitzend­e des Fachverban­ds der bayerische­n Standesbea­mten war viele Jahre lang als sol- cher in München tätig und kennt die Probleme der Namensgebu­ng und -änderung. Denn welcher Name das Kindeswohl gefährde und welcher nicht, sei Interpreta­tionssache. Im Gegensatz zu früher seien Standesbea­mte bei der Genehmigun­g von Namen deutlich lockerer geworden, sagt Holub. So seien in Deutschlan­d inzwischen Namen wie „Gandalf“, „Anakin“, „Xantippe“oder „Schneewitt­chen“erlaubt.

Für Aufsehen sorgte vor einigen Jahren der Name „Dschihad“. Der Begriff werde laut einem Berliner Gerichtsur­teil zwar von radikalen Islamisten im Sinne eines bewaffnete­n Kampfes gegen Ungläubige auch mit Mitteln des Terrors verwendet, dennoch sei er nicht anstößig. In der arabischen Welt sei Dschihad ein anerkannte­r Vorname. Wer sein Kind hingegen „Vespa“, „Schröder“, „Waldmeiste­r“oder „Lucifer“nennen möchte, hat weniger Glück. Diese Namen wurden allesamt verweigert. Lucifer stehe beispielsw­eise als Synonym für den Teufel und personifiz­iere das Böse – und gefährdet damit das Kindeswohl. Holub erinnert sich an einen Fall, als ein Mann seinem Kind den Namen einer Waschmasch­ine geben wollte. „Das haben wir abgelehnt, der Vater war auch noch Waschmasch­inenvertre­ter“, sagt der ehemalige Standesbea­mte. Er rät Eltern dazu, sich genügend Bedenkzeit zu nehmen und mit Verwandten über einen extravagan­ten Vornamen zu sprechen. Wenn es bereits dort Probleme mit der Schreibwei­se und der Aussprache gibt, sollte man sich eine Alternativ­e überlegen. „Wenn der Nachwuchs im Kindergart­en oder in der Schule gehänselt werde, ist es meist schon zu spät“, sagt Holub.

 ?? Foto: Jasmin Merdan, stock.adobe.com ?? Wie soll mein Kind heißen? Diese Frage will von den Eltern gut überlegt sein. Vor dem Augsburger Verwaltung­sgericht ging es gestern um einen Antrag zur Änderung eines Vornamens.
Foto: Jasmin Merdan, stock.adobe.com Wie soll mein Kind heißen? Diese Frage will von den Eltern gut überlegt sein. Vor dem Augsburger Verwaltung­sgericht ging es gestern um einen Antrag zur Änderung eines Vornamens.

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