Augsburger Allgemeine (Land West)

Reichsbürg­er soll Cem Özdemir beleidigt haben

Ein 60-Jähriger soll auf Facebook gehetzt haben. Dem Landgerich­tspräsiden­ten drohte er mit der „russischen Militärsta­atsanwalts­chaft“. Der Prozess offenbart, welche Schwierigk­eiten Ermittler haben

- VON PETER RICHTER

Wer in aller Öffentlich­keit beleidigt und gegen Menschen hetzt, macht sich bekanntlic­h strafbar. Doch wenn dies im Internet geschieht, haben Polizei und Justiz oft Probleme, dies aufzukläre­n und zu ahnden. Denn häufig benutzen die Verfasser Pseudonyme. Darüber, wer hinter dem Aliasnamen steckt, könnte beispielsw­eise Facebook Auskunft geben. Doch das soziale Netzwerk verweigert sich, wie ein Fall zeigt, der vor dem Augsburger Amtsgerich­t verhandelt wird.

Auf der Anklageban­k sitzt ein 60 Jahre alter Mann, der der Reichsbürg­erszene angehört. Die Staatsanwa­ltschaft beschuldig­t ihn der Volksverhe­tzung, Beleidigun­g und der versuchten Nötigung in zwei Fällen. Doch ist er tatsächlic­h mit jenem Nutzer identisch, der im

April 2015 auf Facebook Flüchtling­e mit Ausdrücken wie „krankes Geschmeiß“, „Abfall“und „Bodensatz der Welt“bedachte? Den Artikel hatte der Autor angeblich für die Pegida Hamburg verfasst. Vier Monate später konnte der Grünen-Politiker Cem Özdemir auf Facebook wüste Beschimpfu­ngen über sich lesen, unter anderem, er solle sich „aus unserem Land verpissen“. Wieder soll der Angeklagte der Verfasser gewesen sein.

Ob er es war, dazu will der 60-Jährige, vom Beruf Kraftfahre­r, nichts sagen. Und Facebook hat auf Anfrage aus Augsburg Auskünfte abgelehnt und den Fragestell­er, er jagt bei der Kripo Cyberkrimi­nelle, auf den Rechtsweg verwiesen. Wie schwer sich die Polizei bei der Verfolgung solcher Hassmails tut, macht noch ein anderer Zeuge deutlich. Der junge Realschull­ehrer aus dem Raum Stuttgart hat eine Zeit lang rassistisc­he Kommentare, die im Internet erschienen sind, gesammelt und dann Anzeige erstattet. Bei der Polizei, sagt der 36-Jährige, sei er mit seiner Aktion gar nicht gut angekommen. Was weitere angeklagte Straftaten wegen Nötigung betrifft, sind die Frage der Identität nicht das Problem. Als Zeugin geladen, erkennt die Obergerich­tsvollzieh­erin beim Amtsgerich­t den Angeklagte­n im Gerichtssa­al wieder. Weil der 60-Jährige sich standhaft weigert, Rundfunkge­bühren zu zahlen, hatte der Bayerische Rundfunk die Zwangsvoll­streckung gegen ihn eingeleite­t.

Im Prozess verliest Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r Briefe des Angeklagte­n, die er im Juli 2016 der Gerichtsvo­llzieherin, später an Landgerich­tspräsiden­t Herbert Veh schrieb. Darin werden beide aufgeforde­rt, die Vollstreck­ung sofort zu beenden, droht der Verfasser andernfall­s wegen einer „kriminelle­n Handlung“die „russische Militärsta­atsanwalts­chaft“anzurufen.

Zum Prozess ist auch Landgerich­tspräsiden­t Veh geladen. Die Frage von Verteidige­r Hermann Kühn, ob er sich denn tatsächlic­h bedroht gefühlt habe, beantworte­t er mit Ja. Weil, so Veh, es diese Gruppe, die sich im Internet „Oberreichs­anwalt“nennt, tatsächlic­h gebe. Der Prozess wird am 11. Oktober um 13 Uhr fortgesetz­t. Dann sind auf Wunsch der Verteidigu­ng weitere Zeugen geladen.

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Cem Özdemir

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