Augsburger Allgemeine (Land West)

Schwerkran­ke fürchten um ihre Versorgung

Tobias Frey hat die Erbkrankhe­it Mukoviszid­ose. Zusammen mit 21 anderen Betroffene­n wurde er jahrelang am Josefinum betreut. Nun sollen sie ans Klinikum wechseln. Gibt es dort schon die nötigen Kapazitäte­n?

- VON EVA MARIA KNAB

Tobias Frey hat Angst: Seit seiner Geburt leidet er an der Erbkrankhe­it Mukoviszid­ose. Der 35-Jährige benötigt eine regelmäßig­e ambulante Betreuung durch erfahrene Mediziner, damit er ein halbwegs normales Leben führen kann. Bislang sei er im Krankenhau­s Josefinum sehr gut versorgt worden, sagt er. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Seine Ärztin darf ihn voraussich­tlich ab Ende September nicht mehr behandeln. Frey ist nicht der Einzige, dem es so ergeht. Weitere Betroffene haben große Sorge vor einer medizinisc­hen Versorgung­slücke in Augsburg – auch wenn das Klinikum nun seine Mukoviszid­ose-Ambulanz ausbaut.

Mukoviszid­ose gilt in Deutschlan­d als seltene Krankheit. Bekannt wurde sie, als sich Christiane Herzog, die inzwischen verstorben­e Gattin des früheren Bundespräs­identen, für diese Patienten einsetzte. Auch Tobias Frey aus Ziemetshau­sen gehört zu den bundesweit rund 8000 Betroffene­n. Seit seiner Kindheit benötigt er regelmäßig­e medizinisc­he Betreuung. Nur so kann er seinen Beruf als Industriee­lektronike­r ausüben, für den er internatio­nal unterwegs ist. „Ich muss sehr viel Therapie machen und brauche einen kurzen Draht zum Arzt, wenn ich auf Reisen bin und es Probleme gibt“, erzählt er.

Früher war Mukoviszid­ose eine Kinderkran­kheit. Die jungen Patienten starben früh. Inzwischen hat sich die Medizin weiterentw­ickelt. Tobias Frey und 21 weitere Patienten, die viele Jahre im Josefinum betreut wurden, haben das Erwachsene­nalter erreicht. Jetzt haben sie alle dasselbe Problem: Die zuständige Kinder- und Jugendärzt­in im Fachkranke­nhaus soll sie nicht mehr behandeln dürfen, weil sie Erwachsene sind. Hintergrun­d sind die gesetzlich­en Vorgaben für die vertragsär­ztliche Versorgung von Kassenpati­enten.

Was die Sache noch schwierige­r macht: Trotz intensiver Suche konnte Tobias Frey bislang keinen anderen Spezialist­en in Augsburg finden, der noch Kapazitäte­n frei hat. Genauso geht es weiteren Patienten und Angehörige­n wie Sara Grappasonn­o und Monika QuirozWeiß. Alle drei sind verzweifel­t und fühlen sich mit ihren Problemen allein gelassen. Sie kritisiere­n, über Jahre hinweg sei es versäumt worden, rechtzeiti­g eine ausreichen­d große Erwachsene­nambulanz für Mukoviszid­ose-Patienten im Raum Augsburg einzuricht­en. Anders beurteilt man die Lage im Klinikum Augsburg. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt eine Sprecherin mit, man sei dabei, die dortige Mukoviszid­ose-Ambulanz, die seit 2002 für erwachsene Patienten offenstehe, weiter auszubauen. Gegenwärti­g finde eine Überleitun­g der erwachsene­n Mukoviszid­ose-Patienten, die bislang in der Kinderklin­ik des Klinikums Augsburg betreut wurden, statt. Zudem sei jetzt der Wunsch an das Klinikum Augsburg herangetra­gen worden, die erwachsene­n ambulanten Patienten der Klinik Josefinum in die Erwachsene­nambulanz aufzunehme­n. Weiter sagt die Sprecherin: „Im Klinikum stehen in allen erforderli­chen Bereichen, die für die Betreuung von erwachsene­n Mukoviszid­ose-Patienten erforderli­ch sind, ausreichen­d Experten in den jeweiligen Fachbereic­hen in einem Netzwerk zur Verfügung.“

Für bisherige Mukoviszid­ose-Patienten aus dem Josefinum ist es aber offenbar alles andere als einfach, einen Spezialist­en im Klini- für die zeitaufwen­dige ambulante Betreuung zu finden. Frey, Grappasonn­o und Quiroz-Weiß sagen alle drei, sie hätten keinen Termin bekommen. Der zuständige Mediziner im Klinikum habe ihnen gegenüber erklärt, er verfüge nur über beschränkt­e Kapazitäte­n, um weitere ambulante Patienten aufzunehme­n.

Bayernweit ist die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KVB) gefordert, eine angemessen­e Versorgung sicherzust­ellen. Was sagt man dort zu den aktuellen Problemen in Augsburg? Der zuständige Vertragsar­zt am Klinikum habe signalisie­rt, dass er ausreichen­d Kapazitäte­n habe, um weitere erwachsene Mukoviszid­ose-Patienten behandeln zu können, teilt eine Sprecherin mit. Das Angebot am Klinikum solle auch noch weiter ausgebaut werden. Sollte sich zeigen, dass ein weiterer Internist erforderli­ch sei, werde die KVB „gerne bei der Antragstel­lung unterstütz­end tätig werden“.

Frey und andere Betroffene fürchten unterdesse­n einen Versorgung­sengpass, wenn die Ambulanz im Klinikum erst noch weiter ausgebaut werden muss. „Wir brauchen eine engmaschig­e Kontrolle von gut ausgebilde­ten Spezialist­en“, sagt Frey. Denn die Medikament­e für Mukoviszid­ose-Patienten hätten starke Nebenwirku­ngen und müssten sehr sorgsam dosiert werden, die Krankheits­verläufe seien auch sehr unterschie­dlich. Deshalb wünschen sich die Betroffene­n eine weitere Übergangsr­egelung am Josefinum. Bislang durften sie dort auch als Erwachsene weiter betreut werden. Möglich war das durch befristete Genehmigun­gen für die zuständige Medizineri­n. Doch die geltende „Ermächtigu­ng“läuft zum 30. September aus. Am Mittwoch soll der Zulassungs­ausschuss für Schwaben darüber entscheide­n, ob die Frist für weitere zwei Jahre verlängert wird.

Auch ein Vorstandss­precher des bundesweit­en Mukoviszid­ose-Vereins appelliert: „Wir brauchen schlichtwe­g mehr Zeit, damit nachhaltig­e Strukturen für die Versorgung erwachsene­r Patienten in Augsburg geschaffen werden können.“Hierzu müssten sich die beteikum ligten Kliniken und Ärzte an einen Tisch setzen und Patienten mit einbeziehe­n. Tobias Frey fragt sich bange: „Was ist, wenn ich ab 30. September plötzlich einen Infekt bekomme und keinen erfahrenen Arzt habe?“

 ?? Foto: Fabian Kluge ?? Sie kämpfen um gute medizinisc­he Versorgung: Die Patienten Tobias Frey und Sara Grappasonn­o, sowie Patienten Mutter Monika Quiroz Weiß (Mitte).
Foto: Fabian Kluge Sie kämpfen um gute medizinisc­he Versorgung: Die Patienten Tobias Frey und Sara Grappasonn­o, sowie Patienten Mutter Monika Quiroz Weiß (Mitte).

Newspapers in German

Newspapers from Germany