Augsburger Allgemeine (Land West)
Schluss mit der Verschwendung
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und eben am Sozialkaufhaus Contact. Gerade beim Sozialkaufhaus herrscht meist reger Betrieb. „Dieser Fairteiler ist am schnellsten leer“, weiß Roswitha Kugelmann, die das Sozialkaufhaus leitet und es gerne als Standort für Foodsharing zur Verfügung stellt. Die verschenkten Lebensmittel würden so gut nachgefragt, dass es manchmal sogar Streit unter den Interessenten gebe. „Die Profis wissen, wann Essen angeliefert wird und stehen schon parat“, erzählt Kugelmann und lacht.
An bestimmten Wochentagen nämlich bringen Fahrer der Augsburger, Bobinger und Diedorfer Tafel überschüssige Lebensmittel vorbei, die sie selbst an der Tafel nicht verteilen konnten. Daraus bereitet die Köchin des Sozialkaufhauses täglich ein Mittagessen für rund 70 Angestellte und Mitarbeiter zu. Der andere Teil der Waren landet im Kühlschrank und in den Regalen des „Fairteilers“. Heute werden Unmengen von Brot, Semmeln, Kopfsalat, Gurken und Radieschen angeliefert. Es dauert keine Minute, schon scharen sich Kunden des Sozialkaufhauses um den „Fairteiler“. Sie sind neugierig, was es heute zum Mitnehmen gibt.
Es sind Männer und Frauen unterschiedlichen Alters. „Ich bekomme eine kleine Rente, 700 Euro. Davon muss ich Miete und alles zahlen“, erzählt eine 76-Jährige. Deshalb kaufe sie oft im Sozialkaufhaus ein. „Hier, das Hemd, das ich trage, hat 1,50 Euro gekostet“, sagt die Frau und zeigt auf ihr Oberteil. Natürlich schaut sie bei der Gelegenheit immer in den „Fairteiler“. „Heute nehme ich mir Salat, Brot und Äpfel mit.“Die Seniorin ist dankbar dafür. Und Gerda Wunsch, die die Äpfel brachte, freut sich.
Es sind aber nicht nur Privatpersonen, die das Konzept des Essenteilens aufrecht erhalten. Einen großen Anteil an abgegebenen Waren machen Spenden von Betrieben aus. Sie werden von Menschen abgeholt, die sich für das Foodsharing ehrenamtlich engagieren. Die sogenannten „Foodsaver“, also Essensretter, tragen auf der Internetseite ein, welche Abholungen sie übernehmen. Mittlerweile seien über 200 registriert, erzählt Elke Thiergärtner. An die 50 Betriebe nähmen inzwischen am Konzept teil. „Anfangs hätte ich nie gedacht, dass Foodsharing in Augsburg so wächst.“Wie viele Menschen mit den verschenkten Lebensmitteln letztendlich versorgt werden, kann sie nicht sagen. Darüber können keine Notizen geführt werden, weil vieles eben privat abläuft. Eine Konkurrenz zur Augsburger Tafel sei man aber nicht, betont die Foodsharing-Mitinitiatorin. Die Tafel hole im großen Stil übrig gebliebene Lebensmittel etwa von Discountern ab, die Logistik dahinter sei enorm. „Zudem hat die Tafel den Ansatz der Bedürftigkeit, der nachgewiesen werden muss. Bei uns überprüfen wir nicht die Bedürftigkeit der Menschen.“Hier könne jeder einfach so auf die Lebensmittel zugreifen.
In erster Linie geht es darum, einem Essen eine zweite Chance zu geben und vor dem Müll zu retten. So wie es die Lechhauserin Gerda Wunsch mit ihren Äpfeln aus dem Garten gemacht hat.
Wie schnell landet eine übrig gebliebene Semmel im Mülleimer? Es ist ein Jammer. Lebensmittel sind kein Abfall, sondern
Die Semmel kann nicht nur jemanden satt machen. Mit ihr landet auch viel menschliche Arbeit im Mülleimer: Vom Feld, zur Mühle, zum Bäcker und dann in den Abfall – das kann nicht der Weg sein. Es wäre schlicht Verschwendung. Sein Essen mit anderen zu teilen, ist die perfekte Alternative.
Foodsharing setzt nämlich gleich an zwei Stellen an. Lebensmittel behalten ihren Wert, der zu schnell in Vergessenheit gerät. In einer Gesellschaft des Überflusses verschwendet man keinen Gedanken mehr an den Mangel. Doch was wäre, wenn die Sommer noch heißer und die Ernten knapp werden? Und Foodsharing ermöglicht es anderen, an Lebensmittel zu kommen. Sie müssen nicht zwangsläufig (zu) wenig Geld haben – für nicht wenige dürfte der Essenstausch aber auch finanziell ein Segen sein. Man kann zu Recht einwenden, dass das in einem reichen Land eigentlich nicht sein darf. Aber der Bedarf ist leider da und zum Glück gibt es zahlreiche Angebote.
Von der Tafel über die Lokale Agenda bis zu den Sozialkaufhäusern hat Augsburg viele Beispiele vorzuweisen. Sie sind ein Gewinn für das soziale Leben. Und zugleich Beispiele dafür, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“mehr als ein Schlagwort ist. Für sich alleine klingt er sperrig und abstrakt. Ansätze wie das Foodsharing oder Plastikfasten machen „Nachhaltigkeit“jedoch lebendig. Viele Menschen haben den Wunsch, sparsam und umweltverträglich zu leben. Sie sind dankbar, wenn es zahlreiche Angebote gibt, die ihnen dabei helfen. Wenn man fragt, warum die Stadt Augsburg im Jahr 2013 zur nachhaltigsten Großstadt in Deutschland gekürt wurde: auch wegen einer Vielzahl solcher Projekte.