Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf die Dürre folgt die Schwammerl Schwemme
Nach einem knochentrockenen Sommer schießen im Augsburger Land plötzlich die Pilze in die Höhe. Einige Sammler übertreiben es allerdings und wissen oft nicht, dass sie sich strafbar machen
Landkreis Augsburg Die Prognosen waren denkbar schlecht. Zu heiß, zu trocken, kein Regen – Schwammerlsucher mussten in diesem Sommer mit dem Schlimmsten rechnen: mit leeren Körbchen. Der Boden sei zu trocken, sagten Fachleute. Das Pilzgeflecht habe sich daher aufgrund der Hitze von der Oberfläche zurückgezogen. „Alles richtig“, sagt der Königsbrunner Pilzberater Günther Groß. Doch nun hat der Spuk ein Ende. Riesige Steinpilze werden immer häufiger in den Wäldern des Augsburger Lands gefunden und Günter Groß spricht sogar von einer „Steinpilzschwemme“.
Der Grund für die plötzliche Fruchtbarkeit des Waldbodens ist schnell erklärt. So gab es Anfang September nach Auskunft des Wetterkontors beispielsweise an nur einem Tag Niederschläge von rund 16 Litern pro Quadratmeter. Und tags darauf kletterte das Thermometer auf circa 24 Grad. Wetterbedingungen, die im Wald die Pilze nur so in die Höhe schießen lassen.
Günter Groß, der sich in den vergangenen Tagen bei der Jahrestagung der Mykologischen Gesellschaft Bayern in Pfronten aufhielt, konnte sich täglich von der reichen Ernte überzeugen. „Ich sitze gerade an einem Tisch mit 150 verschiedenen Pilzen“, sagte er gestern. Es seien die „herrlichsten“Exemplare dabei. Immer wieder würden ihm die Pilzsammler von tollen Funden berichten, vor allem Steinpilze seien reichlich vorhanden. Dies liege laut Groß aber nicht daran, dass bei den aktuellen Konditionen alle anderen kaum vorhanden sind. „Der Grund ist, dass der Steinpilz einfach am beliebtesten ist“, sagt er. Er sei der „Herrenpilz“des Walds und alle andere Arten, wie etwa der Maronenröhrling, würden daher vom Sammler einfach stehen gelassen.
Günter Groß ist zurzeit mit seiner Pilzberatung so beschäftigt, dass er kaum Zeit für die eigene Suche hat. Jeden Montag steht er von 16 bis 17.30 Uhr auf dem Augsburger Stadtmarkt und anschließend von 18 bis 20 im Hotel Krone in Königsbrunn den Fragen der Sammler Rede und Antwort. Aber wenn er schließlich doch einmal in den Wald geht, um sich für den Eigenbedarf einige Pilze mitzunehmen, dann werden es eher keine Steinpilze sein. „Mein Lieblingsgericht ist ein Parasol“, sagt er: Frisch aus dem Wald, mit Mehl und Ei paniert und dann aus der Pfanne herausgebacken.
Eher mit gemischten Gefühlen sieht Pentti Buchwald vom Forstamt in Biburg die aktuelle Pilzschwemme. „Zu viele Sammler sind der Pilze Tod“, sagt er. Er ärgert sich vor allem darüber, dass einige Personen rücksichtslos die Wälder plündern und ihre Beute teilweise an Restaurants verkaufen. „Dies hat mit dem Sammeln der erlaubten zwei Kilo für den Eigenbedarf nichts mehr zu tun und ist strafbar.“Buchwald rät den Pilzsammlern jedoch im eigenen Interesse, nur so viel Pilze mitzunehmen, wie auch verzehrt werden können.
Zum einen sei die Haltbarkeit sehr begrenzt und es könne sich bei einigen Arten schnell ein unsichtbarer, aber höchst giftiger Schimmelpilz bilden. „Zum anderen sind natürlich die Braunkappen immer noch sehr verstrahlt“, warnt Buchwald. Dies sei immer noch die Folge der Nuklearkatastrophe in Tschernobyls im Jahr 1986. Zu spüren bekommen dies auch die Wildschweine in der nächsten Zeit. Schließlich seien Pilze mit eine ihrer Lieblingsspeisen. „Viele Tiere werden daher wahrscheinlich
später nicht für den Verzehr geeignet sein“, vermutet er.
Buchwald freut sich aber dennoch über „die Gabe des Waldes“, wünscht sich aber mehr Respekt gegenüber der Natur. „Am schönsten ist es, wenn Eltern mit ihren Kindern in den Wald gehen, die Pilze erklären und zeigen, dass man immer wieder welche stehen lassen soll, damit sie sich künftig vermehren können.“Er selbst freut sich ebenfalls schon darauf, seinen persönlichen „Hotspot“aufzusuchen, um sich ein leckeres Gericht aus getrockneten Steinpilzen zu ersammeln. Wo der „Hotspot“liegt? „Dieses Wissen werden Pilzsammler selbst unter Folter niemals preisgeben“, sagt er und lacht.