Augsburger Allgemeine (Land West)
Jetzt ist Gerst der Chef im All
Raumfahrt „Astro Alex“hat das Kommando auf der Internationalen Raumstation ISS übernommen. Kommt es zu einem Notfall, hängt alles von ihm ab
Baikonur Um kurz nach 16 Uhr war es so weit: Auf der Internationalen Raumstation ISS startete Astronaut Alexander Gerst in ein neues Kapitel europäischer Raumfahrtgeschichte. Er hat als erster Deutscher das Kommando und somit die Gesamtverantwortung auf der Internationalen Raumstation (ISS) übernommen – und als zweiter Europäer nach dem Belgier Frank de Winne.
Der deutsche ESA-Astronaut ist sowohl zuständig für die Crew der Expedition 57 als auch für alle Module der Raumstation, also den amerikanischen, russischen, japanischen und europäischen Teil. „Das ist eine erstaunliche Maschine“, sagte Gerst am Mittwoch bei der feierlichen Zeremonie auf der ISS rund 400 Kilometer über der Erde. Deshalb wolle er als Kommandant die ISS als „fantastische Plattform“für Experimente weiterführen.
Sein Vorgänger Drew Feustel überreichte dem Künzelsauer zum Abschied symbolisch den Schlüssel für die ISS-Luke – dazu klingelte eine Glocke. Der US-Astronaut Feustel und zwei weitere Raumfahrer sollen am Donnerstag in der kasachischen Steppe ankommen. Eine Woche lang ist die ISS deshalb nur mit einer kleinen Mannschaft besetzt. An Bord sind noch der Kosmonaut Sergej Prokopjew, die USAstronautin Serena Auñón-Chancellor und Gerst, der unter dem Namen „Astro-Alex“in sozialen Netzwerken auftritt.
In seiner letzten Twitter-Nachricht vom Weltraum aus schrieb der Amerikaner Feustel: Als Geophysiker wollten er und „Astro Alex“allen Geowissenschaftlern der Welt danken. Denn sie würden helfen, „unser Zuhause“, die Welt, besser zu verstehen. Zum Schluss machte er ihnen Mut zu großen Visionen: „Wir hoffen, dass einige von euch nach noch größeren Höhen streben als unserer hier in der Weltraumstation.“
Gerst, Geophysiker aus Baden-Württemberg, war im Juni vom Raumfahrtbahnhof Baikonur zur ISS gestartet. Er soll voraussichtlich Mitte Dezember wieder auf die Erde zurückkehren. Es ist bereits sein zweiter Einsatz auf der ISS, schon 2014 arbeitete er dort für einige Monate. Während seines zweiten Einsatzes geriet die ISS in die Schlagzeilen, weil ein Leck in der angedockten Sojus-Raumkapsel einen Druckabfall ausgelöst hatte. Das Loch wurde zwar inzwischen erfolgreich abgedichtet, die Ursache ist aber noch immer unklar. Bei einem Außeneinsatz im November könnten weitere Informationen dazu gesammelt werden, teilte die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit. Gemeinsam mit den russischen Kollegen werde man nach der Ursache suchen.
Alexander Gerst denkt schon weiter: „Wir sind erst am Beginn der Erkundung des Weltalls“, sagte der Künzelsauer während der Übergabezeremonie. Er erwähnte dabei auch mögliche zukünftige bemannte Missionen zum Mars.
Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist man stolz auf Gerst: „Kapitän des gesamten Raumschiffs zu sein, bedeutet im Vergleich zum ,normalen‘ Astronautenalltag, vor allem auch in kritischen Situationen den Überblick zu behalten und überlegt Entscheidungen zu treffen“, erklärte Volker Schmid, ISS-Fachgruppenleiter beim DLR in Bonn.
Erfahrung mit den Abläufen an Bord der ISS spiele hier eine ebenso große Rolle wie die Akzeptanz innerhalb der Crew, sagte Schmid. „Der Kapitän muss mehr als jeder andere ein Teamplayer sein, zugleich aber auch den Respekt und das Vertrauen genießen, auch im Krisenfall für die gesamte Mannschaft und das Schiff Verantwortung zu übernehmen.“