Augsburger Allgemeine (Land West)
Silvesterrakete fliegt in Menschenmenge
Justiz Ein 29-Jähriger wird zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Zwei Polizisten berichten, dass er eine Rakete in Richtung Königsplatz schoss. Der Mann schildert den Vorfall vor Gericht ganz anders
Weil er in der vergangenen Silvesternacht am Königsplatz mit einer Feuerwerksrakete in eine Menschengruppe geschossen haben soll, wurde jetzt ein 29-jähriger Mann vom Amtsgericht zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und Hilfsdiensten verurteilt. Die Richterin glaubte der Schilderung zweier Polizeibeamter mehr als der abweichenden des Angeklagten.
Alle Jahre wieder erlässt die Stadt Augsburg ein Böllerverbot für die Silvesterzeit in der Innenstadt. Alle Jahre wieder kommt es trotzdem zu Schießereien mit Böllern und Raketen von einer auf die andere Straßenseite, auch Verletzte gab es dabei schon. In der vergangenen Silvesternacht wurde ein (anerkannter) syrischer Asylbewerber von zwei Polizeibeamten dabei beobachtet, wie er mit einer Rakete auf andere Personen schoss. Der 35-jährige Polizist und seine 28-jährige Kollegin waren in jener Nacht in Zivil am Königsplatz eingesetzt und hatten sich nahe eines Schnellimbisses positioniert.
Dort war ihnen eine Gruppe von etwa zehn jungen Leuten aufgefallen, die seit einiger Zeit Feuerwerkskörper abbrannten. Dann habe der Angeklagte aus dem Rucksack eines Begleiters eine Rakete mit abgesägtem Holz-Haltestab genommen, sich auf den Boden gekniet, die Rakete in Position gelegt und die Lunte angezündet. Die Rakete sei Richtung der Königsplatz-Grünanlage geflogen, wo zahlreiche Menschen standen, um den Jahreswechsel zu feiern. Verletzt habe die Rakete niemanden. Die Beamten meldeten den Vorfall per Funk an die Zentrale, hefteten sich an den Beschuldigten und folgten ihm Richtung Haltestellendreieck. Dort wurde der 29-Jährige von der Bereitschaftspolizei abgepasst.
Deutlich anders beschrieb der Angeklagte den Fall. So sei er mit einem Begleiter an dem Schnellrestaurant vorbeigelaufen, als er beobachtete, wie ein Jugendlicher die Lunte einer Raketenbatterie anzündete. Der Mann lief weg, die Batterie kippte um und drohte, ihre Ladung aus mehreren Böllern zu schießen. Er habe diese Raketenbatterie wieder aufgestellt, anschließend seien die Männer Richtung Rathausplatz weitergelaufen. Etwa eine halbe Stunde später sei er von der Polizei kontrolliert worden.
Richterin Susanne Scheiwiller ließ durchblicken, das sie keinen Zweifel an der Schilderung der Polizisten habe. Sie riet Rechtsanwalt Werner Dorn, noch einmal mit seinem Mandanten über dessen Darstellung zu sprechen. Die Verteidigung verzichtete daraufhin auf weitere Zeugen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft forderte eine Haftstrafe von einem Jahr. Verteidiger Dorn plädierte auf eine Geldstrafe von 400 Euro. Möglicherweise sei sein Mandant ja doch Opfer einer Verwechslung. Er sei sprachlos, ließ der Angeklagte in seinen letzten Worten über Dolmetscher wissen, er könne nicht verstehen, warum ihm etwas vorgeworfen werde, was er nie getan habe.
Das Gericht verurteilte den Mann wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu neun Monaten Haft. Da der Vater mit Frau und zwei Kindern bislang unbescholten in Deutschland lebe, setzte sie die Strafe zur Bewährung aus. Zudem muss der arbeitslose Mann 120 Stunden Hilfsdienste leisten.