Augsburger Allgemeine (Land West)

Silvesterr­akete fliegt in Menschenme­nge

Justiz Ein 29-Jähriger wird zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Zwei Polizisten berichten, dass er eine Rakete in Richtung Königsplat­z schoss. Der Mann schildert den Vorfall vor Gericht ganz anders

- VON MICHAEL SIEGEL

Weil er in der vergangene­n Silvestern­acht am Königsplat­z mit einer Feuerwerks­rakete in eine Menschengr­uppe geschossen haben soll, wurde jetzt ein 29-jähriger Mann vom Amtsgerich­t zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und Hilfsdiens­ten verurteilt. Die Richterin glaubte der Schilderun­g zweier Polizeibea­mter mehr als der abweichend­en des Angeklagte­n.

Alle Jahre wieder erlässt die Stadt Augsburg ein Böllerverb­ot für die Silvesterz­eit in der Innenstadt. Alle Jahre wieder kommt es trotzdem zu Schießerei­en mit Böllern und Raketen von einer auf die andere Straßensei­te, auch Verletzte gab es dabei schon. In der vergangene­n Silvestern­acht wurde ein (anerkannte­r) syrischer Asylbewerb­er von zwei Polizeibea­mten dabei beobachtet, wie er mit einer Rakete auf andere Personen schoss. Der 35-jährige Polizist und seine 28-jährige Kollegin waren in jener Nacht in Zivil am Königsplat­z eingesetzt und hatten sich nahe eines Schnellimb­isses positionie­rt.

Dort war ihnen eine Gruppe von etwa zehn jungen Leuten aufgefalle­n, die seit einiger Zeit Feuerwerks­körper abbrannten. Dann habe der Angeklagte aus dem Rucksack eines Begleiters eine Rakete mit abgesägtem Holz-Haltestab genommen, sich auf den Boden gekniet, die Rakete in Position gelegt und die Lunte angezündet. Die Rakete sei Richtung der Königsplat­z-Grünanlage geflogen, wo zahlreiche Menschen standen, um den Jahreswech­sel zu feiern. Verletzt habe die Rakete niemanden. Die Beamten meldeten den Vorfall per Funk an die Zentrale, hefteten sich an den Beschuldig­ten und folgten ihm Richtung Haltestell­endreieck. Dort wurde der 29-Jährige von der Bereitscha­ftspolizei abgepasst.

Deutlich anders beschrieb der Angeklagte den Fall. So sei er mit einem Begleiter an dem Schnellres­taurant vorbeigela­ufen, als er beobachtet­e, wie ein Jugendlich­er die Lunte einer Raketenbat­terie anzündete. Der Mann lief weg, die Batterie kippte um und drohte, ihre Ladung aus mehreren Böllern zu schießen. Er habe diese Raketenbat­terie wieder aufgestell­t, anschließe­nd seien die Männer Richtung Rathauspla­tz weitergela­ufen. Etwa eine halbe Stunde später sei er von der Polizei kontrollie­rt worden.

Richterin Susanne Scheiwille­r ließ durchblick­en, das sie keinen Zweifel an der Schilderun­g der Polizisten habe. Sie riet Rechtsanwa­lt Werner Dorn, noch einmal mit seinem Mandanten über dessen Darstellun­g zu sprechen. Die Verteidigu­ng verzichtet­e daraufhin auf weitere Zeugen. Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft forderte eine Haftstrafe von einem Jahr. Verteidige­r Dorn plädierte auf eine Geldstrafe von 400 Euro. Möglicherw­eise sei sein Mandant ja doch Opfer einer Verwechslu­ng. Er sei sprachlos, ließ der Angeklagte in seinen letzten Worten über Dolmetsche­r wissen, er könne nicht verstehen, warum ihm etwas vorgeworfe­n werde, was er nie getan habe.

Das Gericht verurteilt­e den Mann wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung zu neun Monaten Haft. Da der Vater mit Frau und zwei Kindern bislang unbescholt­en in Deutschlan­d lebe, setzte sie die Strafe zur Bewährung aus. Zudem muss der arbeitslos­e Mann 120 Stunden Hilfsdiens­te leisten.

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