Augsburger Allgemeine (Land West)
Hilft Muskelklopfen gegen Stress?
Intersana Herzrasen, Schlafunterbrechung, Panikattacken: Druck und Hektik im Berufs- und Familienleben können sich fatal auswirken – ein Burnout oder Depression die Folge sein. Was dagegen unternommen werden kann
Gibt es ihn oder nicht, den Burnout? Als Diagnose werde er oft gestellt, erklärt der Berater am Messestand der Deutschen Krankenversicherung. Bei den Statistiken jedoch werde er nicht extra erfasst, dort läuft er – zusammen mit Depressionen – unter dem Begriff „psychische Störungen“. Diese machen laut Stephan Timper von der BIG direktKasse einen großen Teil der Krankschreibungen in Unternehmen aus. Gleich hinter orthopädischen Diagnosen (22,7 Prozent) belegten psychische Erkrankungen (16,6 Prozent) 2016 den 2. Platz im Ranking. Während Krankschreibungen wegen Rückenleiden jedoch im Durchschnitt zurückgehen, steigt der Arbeitsausfall wegen psychischer Krankheiten weiter an. Am Stand der AOK Schwaben kann Michael Kern mit keinerlei Zahlen dienen.
Auch Mathias Schiller von der Deutschen Rentenversicherung (DRV), die für die medizinische Rehabilitation von Berufstätigen zuständig ist, muss passen. Zahlen gäbe es sicher, am Stand habe er aber keinen Zugriff auf die Statistik.
Für psychosomatische Indikationen übernimmt die DRV eine mindestens fünfwöchige medizinische Reha. Menschen mit einer ärztlichen Diagnose, die belegt, dass sie von Erwerbsminderung bedroht sind, reichen einen Antrag samt Befunden ein. Dieser wird innerhalb von drei Wochen bearbeitet und begutachtet. Schwerpunkte eines solchen Klinikaufenthalts sind nicht nur die psychotherapeutische Behandlung, sondern vor allem auch Bewegungstherapie.
Silvia Hecken hat sich auf Panikattacken, die vor allem durch Dauerdruck und Stress ausgelöst werden, und auf Prüfungsangst spezialisiert. Der Bedarf sei enorm, das stellt sie täglich in ihrer Praxis fest. Hecken ist beim Gesundheitsamt akkreditiert und arbeitet seit vier Jahren als Heilpraktikerin für Psy- chotherapie. „Stress versetzt uns in einen Kampf- und Fluchtmodus. Das ist für unseren Körper extrem belastend und beeinträchtigt das Immunsystem“, erklärt sie. Irgendwann sei das Unterbewusstsein dann so auf Herzrasen, Schlafstörungen oder Panikattacken konditioniert, dass es keine andere Reaktion mehr parat hat. Hecken setzt tiefenpsychologische Hypnose ein, um diesen Kreis zu durchbrechen und andere gedankliche Auswege im tiefen Bewusstsein zu verankern. „Bei Panikattacken ist das sehr erfolgreich. Ich hatte schon Patienten, die brauchten nur eine Sitzung und kamen danach erst vier Wochen später wieder, weil die Wirkung nachließ“, berichtet sie. Ihre Heilerlaubnis beinhaltet Hypnose auch als psychische Hilfestellung bei schweren Krankheiten. Vorbeugend, so die Expertin, könne eine wöchentliche Tiefenentspannung von einer Stunde das Unterbewusstsein auf positive Anregungen trimmen.
Eine Premiere steigt beim Stand von Gschwendtner-Doll. Gegen Verspannungen als Folge von übermäßigem Stress haben die Münchner Physiotherapeuten den „Power Redeemer“fürs Faszientraining erfunden und stellt ihn in Augsburg erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor. Der „Redeemer“besteht aus einem Holzgriff mit einem ergonomisch geformten Polster. Schnelles Klopfen auf Verspannungen bringt die Muskeln in Schwingung, löst Muskelfasern, verklebte Faszien und tiefer liegendes Narbengewebe. Der Effekt: ein verbesserter Stoffwechsel sowie durchblutete, aktivierte und gelöste Muskeln. Die Therapeuten empfehlen das Klopfen auch für die konservative und präventive Behandlung von Pferden. Insbesondere vor Training oder Ausritten sei es sinnvoll, das Fasziensystem zu lockern und auf die Belastung vorzubereiten. Erste Erfahrungen bei Mensch und Pferd zeigten bereits große Erfolge, erklärt Aron Gschwendtner.
Intersana Die Gesundheitsmesse ist bis 14. Oktober an der Messe Augsburg geöffnet. Rund 200 Aussteller sind in den Hallen 5, 6 und 7 vertreten. Geöffnet ist sie von 10 bis 18 Uhr. Vorträge zum Schwerpunkt: Jörg Meyer, Dipl.-Psychologe und Coach, Klinik Werra, Bad Sooden-Allendorf: „Coaching als Option zur Psychotherapie?“, Samstag, 13 Uhr, Raum 2, und „Burnout – die unterschätzte Gefahr? Wege aus dem Burnout“, Sonntag, 13 Uhr, Raum 2.