Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt müssen endlich Verbesseru­ngen kommen

Die erneute Erhöhung der Nahverkehr­s-Tarife zum Jahreswech­sel verärgert viele Kunden. Dabei hadern viele noch mit der letzten Reform. Um Fahrgäste zu versöhnen, muss schnell etwas passieren

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Vielleicht hatte Augsburg einfach das Pech, zu früh drangewese­n zu sein: Als die Tarifrefor­m im Nahverkehr vor eineinhalb Jahren abschließe­nd diskutiert wurde, geisterten Diesel-Fahrverbot­e als Thema allenfalls am Horizont herum. Inzwischen aber sind sie in einigen Städten Realität. Die Politik ist damit unter Druck geraten: Sie muss das sich seit vielen Jahren abzeichnen­de Stickoxid-Schlamasse­l in Ordnung bringen. Und auf einmal sind Dinge im öffentlich­en Nahverkehr denkbar, die vor zwei Jahren noch kopfschütt­elnd als Fantastere­ien abgetan worden wären. Nur: Für die Augsburger Tarifrefor­m kommt das zu spät.

Interessan­t ist der Blick auf München und dessen Tarifrefor­m: Erst zeigten sich Stadt und Landkreise bereit, Millionenb­eträge für die dortige Tarifrefor­m zuzuschieß­en. So sollten gewisse Härten abgemilder­t werden; in Augsburg wurden solche Überlegung­en von Anfang an abgeblockt. Als in der Landeshaup­tstadt trotzdem das Scheitern drohte, machte der Freistaat (der in München allerdings anders als in Augsburg am Verkehrsve­rbund beteiligt ist) am Ende 50 Millionen Euro locker.

Die hiesige SPD fordert, dass das zumindest in kleinerem Maßstab auch in Augsburg passiert. Einige Millionen Euro jährlich seien auch hier angemessen, sagen die Fraktionsc­hefs Harald Güller (Landkreis Augsburg) und Margarete Heinrich (Stadt). Doch ist das so einfach? Die Situation in München, wo Millionenb­eträge in die Subvention­ierung der Tarifrefor­m fließen, sei mit der in Augsburg nicht zu vergleiche­n, hält Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) dagegen. In München gehe es angesichts eines drohenden Fahrverbot­s darum, viele Menschen schnell in den öffentlich­en Nahverkehr zu bringen. Man könne froh sein, dass Augsburg nicht unter derartigem Handlungsd­ruck steht, sagt Gribl.

Da ist was dran. Dennoch kann man sich fragen, warum in Augsburg über Maßnahmenp­akete zur Luftreinha­ltung gesprochen wurverschw­iegen de, die Tarife beim Nahverkehr in dieser Diskussion aber so gut wie außen vor blieben. Die diese Woche angekündig­te erneute Erhöhung der Fahrpreise zum Jahreswech­sel ist für sich gesehen nachvollzi­ehbar – die Kosten für Treibstoff gehen durch die Decke. Und wer will den nicht üppig bezahlten Bus- und Tramfahrer­n die zuletzt erstritten­en Tarifverbe­sserungen neiden?

Das Problem aber ist die Gesamtgeme­ngelage: Erst gab es Anfang 2018 eine Tarifrefor­m, die für Unmut sorgte. Abos wurden zum Teil nur attraktive­r gemacht, indem die Nutzung von Einzelfahr­ausweisen für manche Fahrten verteuert wurde. Bei Weitem nicht jeder Fahrgast wurde schlechter­gestellt – für manche gab es auch Verbesseru­ngen. Aber die Einschnitt­e für Gelegenhei­tsfahrer speziell in Augsburg waren teils erheblich. Nicht werden darf allerdings, dass die Stadtwerke aufgrund bisheriger Zählungen und Berechnung­en für dieses Jahr von deutlichen Fahrgastst­eigerungen ausgehen. Ein Teil dieser Steigerung­en ist aber mehr oder weniger auf Zwang zurückzufü­hren. Auch das muss man deutlich sagen ...

Nach der Reform wurden, auch wegen des Protests, Verbesseru­ngen angekündig­t, deren Umsetzung noch immer in den Sternen steht. Dafür wird – auch wenn das niemanden überrasche­n konnte – zum Jahreswech­sel alles noch teurer. So überzeugt man keine Neukunden und verärgert Bestandsku­nden!

Es wäre wohl besser gewesen, den erneuten Preisansti­eg abzudämpfe­n und die Mindereinn­ahmen vorübergeh­end mit Steuergeld­ern von Stadt und Landkreise­n abzufedern, bis die angekündig­ten Ver- besserunge­n bei Tarifen für die Fahrgäste greifbar sind. Diese Vorgehensw­eise hätte die Akzeptanz erhöht. Die Grünen erneuerten gestern vielleicht auch deshalb ihre Forderung, die kommunalen Parkgebühr­en in Augsburg zu erhöhen und das Geld in die Nahverkehr­sfinanzier­ung zu stecken.

Es ist eine ganze Reihe von Dingen geplant, aber noch nicht in trockenen Tüchern: Das vom Stadtrat angeregte Maßnahmenp­aket zur Reform der Tarifrefor­m (Wiedereinf­ührung der Wochenkart­e, stadtteilb­ezogene Kurzstreck­en zum Stadtteilz­entrum, Änderung der Zustempel-Regelung für Abonnenten in Augsburg), ohnehin eher eine Beruhigung­spille, ist nur ein Baustein. Hier muss sich im kommenden Jahr etwas tun. Erst 2020 Dinge zu ändern, ist keine Perspektiv­e. Ein interessan­ter Ansatz ist auch die Mobilitäts-Flatrate für Bus/Tram, Bike- und Carsharing, die momentan von Testkunden der Stadtwerke ausprobier­t wird und vielleicht im Frühjahr kommt.

Zentral für Gelegenhei­tsfahrer ist aber das Vorhaben, den Nahverkehr in der Kern-Innenstadt kostenlos zu machen. Die Bemühungen laufen weiter, aber ein Einführung­stermin wurde von Mitte 2019 auf Ende 2019 gerückt und die jährlichen Kosten von 500 000 auf 900 000 Euro hochgerech­net (wobei es eine Förderung geben soll). Diese Maßnahme wäre eine Entlastung für Gelegenhei­tsfahrer mit dem Ziel Innenstadt, denen die Kurzstreck­e nicht ausreicht. Ein Manko der Tarifrefor­m wäre damit zumindest teilweise behoben.

Und dann ist da noch die Jahreskart­e für 365 Euro, die Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vor einigen Wochen für mehrere bayerische Städte – darunter Augsburg – aus dem Hut gezaubert hat. Es

Das 365-Euro-Ticket muss auch nach der Wahl Ziel bleiben

wäre gut, wenn an diesem Vorhaben auch nach der Wahl festgehalt­en wird und es bald eine Perspektiv­e für Augsburg gäbe. Wäre dieses Angebot schon vor zwei Jahren absehbar gewesen, hätte die Tarifrefor­m wohl anders ausgesehen.

Denn sollte das vom Freistaat bezuschuss­te 365-Euro-Abo kommen, muss das Gefüge wohl neu gedacht werden. Mit den Fördergeld­ern von Bund und Land, die durch den Diesel-Skandal und die Stickoxid-Thematik verfügbar wurden, vermischt sich die Finanzieru­ng des Nahverkehr­s noch stärker als bisher. Das ist gut, weil so mehr Geld ins System kommt. Es macht aber manches unübersich­tlicher. Um die geplante Gratis-Zone in der Innenstadt – formal ein Projekt zur Luftreinha­ltung – als Gelegenhei­tsfahrgast nutzen zu können, muss man sich genau mit dem Tarifsyste­m beschäftig­en. Das ist eine Hürde. Für Fahrgäste ist es uninteress­ant, welcher Zuschussge­ber welches Projekt gefördert hat. Wichtig ist, dass der Nahverkehr einfach zu nutzen ist. Auch das war ein Ziel der Tarifrefor­m.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die neuen Preissteig­erungen im Nahverkehr verärgern viele Kunden, die noch mit der letzten Reform hadern. Stadtwerke und Verkehrsve­rbund müssen nun schnell handeln, um das Vertrauen nicht zu verspielen.
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