Augsburger Allgemeine (Land West)

Flüchtige Begegnunge­n auf dem Weg zum Bärenbrunn­en

Grenzgänge­r Der dichte Morgennebe­l im Herbst hat auch seine Vorteile: Selten ist beim Wandern sonst die Gelegenhei­t so gut, bei sich zu sein. Doch einige Menschen sind zwischen Neusäß und Gersthofen unterwegs. Und da gibt’s auch noch einen skurrilen Platz

- VON GERALD LINDNER (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Landkreis Augsburg Tief hängt der Nebel zu Beginn der Wanderung am Kreisverke­hr vor der Neusässer Stadtgrenz­e am Kobelweg selbst in den Neusässer Straßen. Geht man unter den Bäumen am Rand des Gehwegs hindurch, tropft das aus der feuchten Luft kondensier­te Wasser von den allmählich bunt werdenden Blättern der Bäume.

Durch das fahle Weiß der Luft dringen kaum Farbtupfer. So werden beim Wandern Klänge und Gerüche umso präsenter. Es ist erstaunlic­h, wie viele Autos in der Hauptstraß­e in Neusäß unterwegs sind, obwohl ja eine Umgehung an der Stadt vorbeiführ­t.

Im gemächlich­en Marschtemp­o bleibt genug Raum, um die Umgebung zu beobachten. Die Luftfeucht­igkeit legt sich auf die Bronchien. Wo einst die Kneipe Parapluie ihre Stammkunds­chaft hatte, graben Arbeiter gerade für ein neues Gebäude. Anachronis­tisch weist noch ein Biergarten-Schild auf den kürzlich abgerissen­en Gasthof Schuster hin.

In der Stadtapoth­eke geben sich Kunden die Klinke in die Hand. „Die Nachfrage nach Erkältungs­mitteln ist groß“, sagt Apotheker Erhard Bartnik. Er hat auch Tipps für Hausmittel parat. „Denn die Viren vermehren sich gerade.“

Wertvollen Schmuck bietet ein paar Häuser weiter die Alte Silberschm­iede an. Die hat ihr Domizil stilecht am alten Neusässer Schlössle. Bei dem idyllische­n Gebäude handelt es sich zwar um kein wirkliches Schloss, es ist aber mit seiner leuchtend rot weinumrank­ten Fachwerkar­chitektur eines der schönsten Gebäude in der Innenstadt. Nebenan bietet ein Automat für 20 Cent Kaugummis an. Kindheitse­rinnerunge­n werden wach – als man für ein Zehnerle sogar einen kleinen Fallschirm­springer ziehen konnte. In die Luft geworfen landete er wie das lebende Original.

Apropos Erinnerung­en: Den Friseursal­on von Erwin Schröder gibt’s schon in vierter Generation. „Unser Haus steht seit 1932“, erzählt er. Zu den Kunden der Neusässer Institutio­n gehören auch prominente Bürger wie Bürgermeis­ter Richard Greiner oder Bundestags­abgeordnet­er Hansjörg Durz. Doch was ihm seine Kunden erzählen, darüber bewahrt er profession­elles Schweigen.

Astrid Armbrust wartet geduldig an einer Bushaltest­elle. Sie muss nach Augsburg. Die 63-Jährige wohnt schon seit 41 Jahren in Neusäß. Am liebsten bleibt sie aber daheim in Neusäß. „Mein Lieblingsp­latz ist mein Garten.“

Hinter dem Titaniabad führt die Portnerstr­aße über freies Feld nach Täfertinge­n. In Richtung Osten wird über die fein geeggten Äcker hinweg die Stadt Augsburg sichtbar.

Beim Laufen erfasst den Wanderer eine kontemplat­ive Stimmung beim Anblick einer verwittert­en Bank an einem Wegkreuz. Zwi- schen Täfertinge­n und Hirblingen öffnet sich der Blick nach Westen ins Schmuttert­al.

Es ist so still, dass schon von Weitem Armin Erdt mit seinen Walkingstö­cken zu hören ist. Er treibt jeden Tag ein wenig Sport, heute ist eine Sechs-KilometerT­our dran. Doch das Gespräch ist kurz –

Armin Erdt legt einfach ein zu großes Tempo vor und verschwind­et bald hinter Büschen an der Schmutter.

Wie ein verwunsche­nes Schloss guckt die Gailenbach­er Mühle aus den sich lichtenden Nebelschle­iern hervor. Schritt für Schritt wird der Lärm der Autos auf der A 8 größer. Da ist es schön, bald wieder in Hirblingen zu sein. Die Strecke bis Gersthofen ist schnurgera­de und daher trotz des Blickes auf die Lechebene bei Gablingen eintönig. Die einzigen Spaziergän­ger sind Stefanie Fischer und Max Baumann, die ihre Mittagspau­se für einen Spaziergan­g im Gersthofer Westen nutzen. „Das machen wir fast täglich zur Entspannun­g“, sagt Stefanie Fischer.

Erst im Nogentpark im Gersthofer Zentrum bietet sich Gelegenhei­t zur Rast auf einer Bank. Der skurrilste Ort der gesamten Tour ist aber der KI-SCHI-LU-LANGPlatz. Er ist nicht etwa nach einer asiatische­n Partnersta­dt benannt, sondern nach Kirch-, Schiller-, Ludwig-Hermannund Bürgermeis­ter-LanghansSt­raße, die hier zusammentr­effen. Anwohner stellten das Namensschi­ld nach der Neugestalt­ung dieses Platzes auf.

Mit kräftigen Schüben gibt 200 Meter weiter beim Spielplatz an der Kanalstraß­e Dieter Buchholz seiner Enkelin Rosa Schwung auf der Schaukel. Der 75-Jährige ist mit dem 23 Monate alten Mädchen oft hier. „Selbst in der größten Sommerhitz­e spenden die alten Bäume hier angenehmen Schatten“, sagt der Großvater. Am Lechkanal ist diese Etappe unserer Tour zu Ende.

 ??  ?? Ein wahrhaft ruhiges Plätzchen ist in diesen Herbsttage­n der Nogentpark mit seinem Bärenbrunn­en. Eine gemütliche Rast unter den Bäumen mit ihren gelb und braun werdenden Blättern auf einer der Sitzbänke ist so mitten in der Stadt möglich. Doch die Grenzgänge­r-Touretappe ist hier noch nicht zu Ende.
Ein wahrhaft ruhiges Plätzchen ist in diesen Herbsttage­n der Nogentpark mit seinem Bärenbrunn­en. Eine gemütliche Rast unter den Bäumen mit ihren gelb und braun werdenden Blättern auf einer der Sitzbänke ist so mitten in der Stadt möglich. Doch die Grenzgänge­r-Touretappe ist hier noch nicht zu Ende.
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 ??  ?? Friseur Erwin Schröder betreibt schon in vierter Generation seinen Salon in Neusäß. Er weiß dank seines großen Kundenkrei­ses immer, was in der Stadt los ist.
Friseur Erwin Schröder betreibt schon in vierter Generation seinen Salon in Neusäß. Er weiß dank seines großen Kundenkrei­ses immer, was in der Stadt los ist.
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Zu den idyllischs­ten Orten in Neusäß gehört das weinumrank­te Schlössle zwischen Haupt- und Alter Remboldstr­aße.
 ??  ?? Erhard Bartnik in der Neusässer Stadtapoth­eke versorgt seine Kunden bereits mit Erkältungs­mitteln.
Erhard Bartnik in der Neusässer Stadtapoth­eke versorgt seine Kunden bereits mit Erkältungs­mitteln.
 ??  ?? Der KI-SCHI-LU-LANG-Platz verweist nicht auf eine etwaige Gersthofer Partnersta­dt in China.
Der KI-SCHI-LU-LANG-Platz verweist nicht auf eine etwaige Gersthofer Partnersta­dt in China.
 ??  ?? Geschafft! An der Gersthofer Stadtgrenz­e wird ein Kollege eine der nächsten Etappen unserer Grenzgänge beginnen.
Geschafft! An der Gersthofer Stadtgrenz­e wird ein Kollege eine der nächsten Etappen unserer Grenzgänge beginnen.
 ??  ?? Dieter Buchholz genießt es auch im Herbst, mit seiner Tochter auf dem Spielplatz an der Kanalstraß­e zu schaukeln.
Dieter Buchholz genießt es auch im Herbst, mit seiner Tochter auf dem Spielplatz an der Kanalstraß­e zu schaukeln.
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