Augsburger Allgemeine (Land West)
Flüchtige Begegnungen auf dem Weg zum Bärenbrunnen
Grenzgänger Der dichte Morgennebel im Herbst hat auch seine Vorteile: Selten ist beim Wandern sonst die Gelegenheit so gut, bei sich zu sein. Doch einige Menschen sind zwischen Neusäß und Gersthofen unterwegs. Und da gibt’s auch noch einen skurrilen Platz
Landkreis Augsburg Tief hängt der Nebel zu Beginn der Wanderung am Kreisverkehr vor der Neusässer Stadtgrenze am Kobelweg selbst in den Neusässer Straßen. Geht man unter den Bäumen am Rand des Gehwegs hindurch, tropft das aus der feuchten Luft kondensierte Wasser von den allmählich bunt werdenden Blättern der Bäume.
Durch das fahle Weiß der Luft dringen kaum Farbtupfer. So werden beim Wandern Klänge und Gerüche umso präsenter. Es ist erstaunlich, wie viele Autos in der Hauptstraße in Neusäß unterwegs sind, obwohl ja eine Umgehung an der Stadt vorbeiführt.
Im gemächlichen Marschtempo bleibt genug Raum, um die Umgebung zu beobachten. Die Luftfeuchtigkeit legt sich auf die Bronchien. Wo einst die Kneipe Parapluie ihre Stammkundschaft hatte, graben Arbeiter gerade für ein neues Gebäude. Anachronistisch weist noch ein Biergarten-Schild auf den kürzlich abgerissenen Gasthof Schuster hin.
In der Stadtapotheke geben sich Kunden die Klinke in die Hand. „Die Nachfrage nach Erkältungsmitteln ist groß“, sagt Apotheker Erhard Bartnik. Er hat auch Tipps für Hausmittel parat. „Denn die Viren vermehren sich gerade.“
Wertvollen Schmuck bietet ein paar Häuser weiter die Alte Silberschmiede an. Die hat ihr Domizil stilecht am alten Neusässer Schlössle. Bei dem idyllischen Gebäude handelt es sich zwar um kein wirkliches Schloss, es ist aber mit seiner leuchtend rot weinumrankten Fachwerkarchitektur eines der schönsten Gebäude in der Innenstadt. Nebenan bietet ein Automat für 20 Cent Kaugummis an. Kindheitserinnerungen werden wach – als man für ein Zehnerle sogar einen kleinen Fallschirmspringer ziehen konnte. In die Luft geworfen landete er wie das lebende Original.
Apropos Erinnerungen: Den Friseursalon von Erwin Schröder gibt’s schon in vierter Generation. „Unser Haus steht seit 1932“, erzählt er. Zu den Kunden der Neusässer Institution gehören auch prominente Bürger wie Bürgermeister Richard Greiner oder Bundestagsabgeordneter Hansjörg Durz. Doch was ihm seine Kunden erzählen, darüber bewahrt er professionelles Schweigen.
Astrid Armbrust wartet geduldig an einer Bushaltestelle. Sie muss nach Augsburg. Die 63-Jährige wohnt schon seit 41 Jahren in Neusäß. Am liebsten bleibt sie aber daheim in Neusäß. „Mein Lieblingsplatz ist mein Garten.“
Hinter dem Titaniabad führt die Portnerstraße über freies Feld nach Täfertingen. In Richtung Osten wird über die fein geeggten Äcker hinweg die Stadt Augsburg sichtbar.
Beim Laufen erfasst den Wanderer eine kontemplative Stimmung beim Anblick einer verwitterten Bank an einem Wegkreuz. Zwi- schen Täfertingen und Hirblingen öffnet sich der Blick nach Westen ins Schmuttertal.
Es ist so still, dass schon von Weitem Armin Erdt mit seinen Walkingstöcken zu hören ist. Er treibt jeden Tag ein wenig Sport, heute ist eine Sechs-KilometerTour dran. Doch das Gespräch ist kurz –
Armin Erdt legt einfach ein zu großes Tempo vor und verschwindet bald hinter Büschen an der Schmutter.
Wie ein verwunschenes Schloss guckt die Gailenbacher Mühle aus den sich lichtenden Nebelschleiern hervor. Schritt für Schritt wird der Lärm der Autos auf der A 8 größer. Da ist es schön, bald wieder in Hirblingen zu sein. Die Strecke bis Gersthofen ist schnurgerade und daher trotz des Blickes auf die Lechebene bei Gablingen eintönig. Die einzigen Spaziergänger sind Stefanie Fischer und Max Baumann, die ihre Mittagspause für einen Spaziergang im Gersthofer Westen nutzen. „Das machen wir fast täglich zur Entspannung“, sagt Stefanie Fischer.
Erst im Nogentpark im Gersthofer Zentrum bietet sich Gelegenheit zur Rast auf einer Bank. Der skurrilste Ort der gesamten Tour ist aber der KI-SCHI-LU-LANGPlatz. Er ist nicht etwa nach einer asiatischen Partnerstadt benannt, sondern nach Kirch-, Schiller-, Ludwig-Hermannund Bürgermeister-LanghansStraße, die hier zusammentreffen. Anwohner stellten das Namensschild nach der Neugestaltung dieses Platzes auf.
Mit kräftigen Schüben gibt 200 Meter weiter beim Spielplatz an der Kanalstraße Dieter Buchholz seiner Enkelin Rosa Schwung auf der Schaukel. Der 75-Jährige ist mit dem 23 Monate alten Mädchen oft hier. „Selbst in der größten Sommerhitze spenden die alten Bäume hier angenehmen Schatten“, sagt der Großvater. Am Lechkanal ist diese Etappe unserer Tour zu Ende.