Augsburger Allgemeine (Land West)
Ene, mene, muh
Wer Tag für Tag durch diese Galerie fährt, kommt ins Grübeln. Gesichter, die aus dem Nebel auftauchen. Fliegende blonde Haare, als wäre bald Wahl an der windigen Küste. Allerweltsgesichter, die es in jeder Supermarktkassenschlange gibt. Lachen aus Photoshopflächen. Buchstaben, Wortfetzen, Bonbonfarben. Köpfe, die so weit oben hängen an den höchsten Laternenpfählen, als seien sie da aufgeknüpft. Dabei hängen die nur zur Sicherheit halb im Himmel, dem Zugriff des Wahlvolkes entrückt.
Lässt sich vom Gesicht (alle lächeln, freundliche Leute, die aber nicht alle nette Ideen haben) schließen, zu welchem Logo eine, einer gehört? Der Pendler, der das Spalier der Wahlplakate abfährt, mixt im Geiste die Leute durcheinander, die Krawattenmänner und die Dunkelmänner, die Strahlemänner und die Undefinierbaren, die Haareschönfrauen mit und ohne Brille und die Weristdasdennkandidatinnen. Figuren lösen und woanders einfügen. Es funktioniert, fast immer und überall. Sind also die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien beliebig herumzupfbar, austauschbar? Keineswegs. Aber die meisten Plakate und Personen-Inszenierungen, die sind es. Für den flüchtigen Blick. Aber der Leser an der roten Ampel, der Spaziergänger, an dem das alles nicht nur vorbeirauscht, der Begleittext entziffert, der zückt entzückt sein Notizbüchlein und hält Bemerkenswertes fest. „Jesus hätte uns gewählt“, zum Beispiel. Oder „Flugbedienung für Bierzelte“. Oder: „Wir holen die Kuh vom Eis“. Oder: „Politik mit Neuwagengeruch“. Oder: „Vater, Mutter, Kinder“. Seit Tagen sucht man, das Notizbüchlein aufgeschlagen, an Ausfallstraßen entlangstolpernd, weitere Trophäen. „Ene, mene, muh“zum Beispiel, das muss doch irgendwo plakatiert sein. Und „Herumeiern für Bayern“, wo stand das noch mal?