Augsburger Allgemeine (Land West)
Ich, Senior, 68, habe mir einen PC zugelegt!
Jeder Mensch hat andere Fähigkeiten. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob Mozart gut backen konnte, aber als Komponist war er genial. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Matthäus vier intelligente Sätze zur Gewaltenteilung in der Demokratie sagen kann, aber ein guter Kicker war er. Meine Fähigkeiten liegen bestimmt nicht im Bereich der Technik, mit der ich stets auf Kriegsfuß stand. Schon als Kind hatte ich weder einen Märklin- noch einen Chemiebaukasten. Ich geb’s zu, ich bin ein „Hightech-Neandertaler“. Aber nachdem ich in den letzten Jahren so häufig die Frage nach meiner E-Mail-Adresse oder meiner Handynummer gestellt bekommen hatte (ich hatte weder PC noch Handy), habe ich mich jetzt entschlossen, dieses Manko zu beheben.
Der Hauptgrund ist, denke ich, ich will von Erkenntnissen und Fähigkeiten, die in der „modernen Welt“wichtig sind, nicht abgehängt werden. Aber ich wusste, „dieser Weg wird kein leichter sein“.
Ich ging zum Telefonladen und ließ mir verschiedene Smartphones in ihrer Wirkungsweise (das grenzt für mich an Magie) erklären. Da tauchten schon die ersten Probleme auf. Der junge Mann, der mir das Smartphone zu erklären versuchte, sagte mir nach einer Übungsstunde, dass ich – der immer auf mehrere Tasten zugleich drückte – zu dicke Finger für ein Smartphone hätte und meine taktilen Fähigkeiten im Alter anscheinend verkümmert wären. Er empfahl mir ein spezielles „Seniorenhandy“, dessen Tasten etwa acht Mal so groß sind wie bei einem „normalen“.
Dann kaufte ich mir ein Notebook. Angeblich die bedienungsfreundlichste Marke, „idiotensicher“, wie mir die jungen Praktikanten im Laden versicherten. Ich wählte zuerst ein Passwort aus (klar, „Ranzmayr“, da kommt sicher niemand darauf), aber schon das Eingeben des Passwortes klappte anfänglich nicht jedes Mal ohne Hilfe. Ich erklärte meinen Lehrern (Lehrling und FOS-Praktikant), sie mögen mich zuerst in die Textverarbeitung einweisen und danach in die (für mich) rätselhafte Unendlichkeit von „Google“. Nach einigen Tagen Lehrzeit kam ich selbstständig auf meinen Ordner im Textprogramm und konnte „sichern“und „schließen“. Härter wurde das Schreiben von Mails. Nicht das Verfassen der Texte war schwierig, sondern: Wie komme ich auf die entsprechende Seite?
Mein Lehrer brauchte dafür circa 56 Klicks, und ich spürte, das kann ich mir nie merken. Ich kann mir bei einer „Ranzmayr-Bustour“innerhalb von zweieinhalb Stunden 45 Nachnamen einprägen. Der Unterschied ist, wenn ich einen Herrn statt korrekt mit Herrn „Weinmeier“mit „Herrn „Weinmüller“anspreche, ist das nicht so verhängnisvoll. Aber ein Klick auf einer falschen Stelle kann mich in die PC-Hölle führen.
Vor vielen Jahren las ich in einem
wie ein „Kopfjäger“aus Papua-Neuguinea, der noch nie Kontakt hatte mit der sogenannten Zivilisation, in einer Woche lernte, Motorrad zu fahren. Das gibt mir Mut. Angst macht mir dagegen die Nachricht, die ich gestern hörte, dass ein durchschnittlicher Erwachsener in Deutschland sechs Stunden pro Tag online ist. Denn ich liebe das Rascheln von Zeitungspapier. *** An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.