Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Gedächtnis der Stadt hilft bei der Diplomarbeit
Archiv Die Geschichte der Stadt Neusäß wird gerne eingesehen. Doch auch Omas Fotoalbum kann von Interesse sein
Neusäß Drei dicke alte Bücher liegen vor Paul Delles. Der Student der Politikwissenschaften an der Hochschule für Politik in München sitzt gerade im Büro von Michaela Axtner und Dr. Andrea Faber. Sie führen das Archiv der Stadt, und Paul Delles ist auf der Suche nach weiteren Informationen für seine Diplomarbeit. Thema ist die bayerische Räterepublik in Augsburg.
Delles will für seine Arbeit auch die Umgebung Augsburgs miterfassen. Interessant seien dabei Neusäß, Gersthofen, Gablingen, Graben und auch Lagerlechfeld. Für seine heutigen Recherchen hat Archivarin Dr. Faber bereits Vorarbeit geleistet und zum Stichwort Räterepublik April/Mai 1913 relevante Dokumente, beispielsweise zum Thema Einführung von Bürgerwehren, herausgesucht. Diese Dokumente kann Delles nun ungestört einsehen.
Gezielt notiert er sich für ihn Wissenswertes und sucht einige wichtige Seiten aus den Büchern heraus, um diese zu kopieren. „Dabei wird streng nach der Datenschutzlinie gehandelt“, betont Faber. Das Kopieren der Dokumente allerdings ist kostenlos und ein besonderer Bürgerservice der Stadt Neusäß, dem Träger des Archivs.
Das Archivgut wird auch in Neusäß zeitlich unbegrenzt aufbewahrt und erhalten. Die Nutzung der Bestände ist nur nach Voranfrage bei der Stadt für persönliche, rechtliche oder wissenschaftliche Zwecke möglich. Und es wird regelmäßig und gerne genutzt. „Hundert Nutzer im Jahr sind ganz ordentlich für ein so kleines Archiv“, sagt Faber. In jüngster Zeit werde zunehmend viel Ahnen- und Familienforschung betrieben und somit vermehrt nach alten Geburts- und Heiratsurkunden gefragt. Regelmäßig gefragt ist das Archiv auch bei Lehrern und Schülern der Stadt, beispielsweise für den Unterricht oder für Hausarbeiten. Anfragen zu Recherchen werden stets genau geprüft, ob ein berechtigtes Interesse besteht. Gerade, so erzählt Faber, möchte eine Neusässer Firma ihre Geschichte aufarbeiten und sucht mithilfe des Neusässer Archivs nach historischen Unterlagen für ihre Chronik. Aber auch die verschiedenen ortsgeschichtlichen Arbeitskreise der Stadt sind regelmäßige Nutzer des Archivs.
Inzwischen ist Paul Delles schon ein ganzes Stück weitergekommen mit seinen Nachforschungen. Vor ihm liegen alte Protokolle von Sitzungen und Ausschüssen. Manchmal hat er Schwierigkeiten, die alten Schriften zu entziffern. „Man muss sich schon richtig einarbeiten“, gibt er zu. Die historischen Unterlagen wurden entweder von der Stadt erworben oder stammen aus Schenkungen oder Nachlässen. Vor zwei Jahren habe die Stadt beispielsweise ein Bild des Ottmarshauser Kirchenmalers Andreas Merkle angekauft, berichtet Faber. Oftmals kämen auch bei Hausauflösungen kleine Schätze zutage, nicht zuletzt werden immer wieder Schulhausmeister fündig, wenn sie in den Grundschulen gründlich ausmisten.
So fanden sich in den Kellerräumen der Grundschule Steppach alte historische Ansichten. „Die Bilder sind so exakt gemalt und zeigen den Gasthof Fuchs, das alte Steppacher Dreieck bis hin zu jedem einzelnen Misthaufen der damaligen Bauernhöfe“, ist Faber begeistert.
Auch die Kartenständer, wie sie den Großeltern noch aus ihrer Schulzeit im Gedächtnis sind, sind inzwischen Historie. Ein Exemplar davon schmückt das Büro und sorgt für so manch Erinnerung bei Besuchern. Die Archivarin bittet die Neusässer, nichts Altes wegzuwerfen und lieber vorher mit der Stadt Kontakt aufzunehmen, denn es könnte von historischem Wert sein. „Wir sind an solchen Dingen immer interessiert“, sagt sie. Und dies könnte beispielsweise auch Omas altes Fotoalbum sein.