Augsburger Allgemeine (Land West)
Empfindungen zwischen zwei Welten
Auslandsjahr Mit bittersüßen Gefühlen blickt Lara Ziegler auf ihre Zeit in Kolumbien zurück / Serie (10)
Kolumbien/Gersthofen Was verbindet man mit seinem Zuhause? Vielleicht das eigene Zimmer. Das eigene Bett und das Lieblingsessen. Mama und Papa, Bruder oder Schwester. Vielleicht das Haustier oder sogar schon den Straßennamen? Dieses Gefühl von Heimat unterscheidet sich von Mensch zu Mensch, so wie sich jedes Leben unterscheidet. Für mich bedeutet Zuhause jedoch vor allem Sicherheit. In diesen vier Wänden kann ich ICH sein. Ohne Angst vor Barrieren. Ich kann darauf vertrauen, verstanden und akzeptiert zu werden.
Vor einem Jahr verließ ich diesen Rückzugsort, um für einige Zeit ein neues Heimatgefühl zu entdecken – das ich nun wieder loslassen musste. Ich musste mich lösen von dem exotischen, aber nun doch vertrauten Land Kolumbien und mich wieder einstellen auf das eigene Heimatland, auf Deutschland. Bei meiner Rückkehr stand ich zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein können. Ich konnte selbstverständliche Dinge nur schwer verarbeiten. Vergleichbar ist dieses Empfinden mit dem beklemmenden Gefühl, wenn man nach einem langen und erlebnisreichen Urlaub nach Hause kommt. Es ist alles so bekannt, aber doch seltsam, wieder da zu sein.
Das Erste, was mir bereits am Flughafen auffiel, war die Körpergröße der Menschen. Viele überragten mich um zwei Köpfe, und ich war überrascht, wie ungewohnt das auf mich wirkte. Auf dem Parkplatz überkam mich dann eine Welle des Erstaunens: Da stand ein BMW neben dem Audi, und der Mercedes konnte nicht ausparken, da ein Passat den Weg versperrte. Dass wir die führende Auto-Nation sind, ist keine Neuigkeit. Doch nachdem ich ein Jahr lang unsere Karosserie höchstens hinter den Glasfenstern von Autohäusern wahrgenommen hatte, war das nun besonders auffällig.
Weiter geht es mit dem Straßenbild: Die Autos fahren leiser, das Verkehrssystem ist geordnet und geregelt – und meistens hält man sich auch daran. Obwohl ich es ja kannte, nahm ich das plötzlich intensiv wahr. Genauso wie der Anblick des Augsburger Rathausplatzes, die Menschen, die Häuser, die Straßenbahnen und Cafés. Es kam mir befremdlich vor, mich von einem Tag auf den anderen in meiner Heimat wiederzufinden.
Mit der Zeit legte sich diese Neugierde für das Altbekannte, und ich merkte, wie mein Kulturschock im eigenen Land andere Formen annahm. In Gesprächen, bei Umgangsformen oder Höflichkeitsfloskeln fiel es mir besonders schwer, nicht emotional zu reagieren. Vieles ist in Deutschland ernster und sachlicher. Die Fröhlichkeit und Unbefangenheit, die mir in Kolumbien den Alltag versüßte, ist hier höchstens für kurze Augenblicke spürbar. Ich wollte erzählen und berichten, aber oft stieß ich dabei auf scheinbare Gleichgültigkeit und Desinteresse. Leider.
Was ich aber als sehr angenehm empfand, war die Direktheit. Ich musste mir nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie ich Kritik oder Probleme am besten formuliere, damit es mein Gegenüber auch wirklich nicht persönlich nimmt. Aus meiner Erfahrung wirkt das auf Kolumbianer hart oder kalt – und doch ist es unsere deutsche Art der Kommunikation.
Inwiefern ich mich persönlich durch diese Auslandserfahrung verändert habe und was ich mit in den Alltag nehmen will, kann ich an drei Themen festmachen: Offenheit, Einfühlungsvermögen und Reife.
● Offenheit gegenüber anderen Kulturen sowie meiner eigenen. Ich möchte meinem Mitmenschen gegenüber toleranter sein. Das kann ein kurzes Gespräch sein, ein Kompliment, ein Witz oder ein Lächeln. Unvoreingenommen sein für seine Umgebung und sich durch Äußerliches wie Alter, Hautfarbe oder Herkunft nicht beeinflussen lassen. Denn das Integrieren anderer Menschen kann für einen selbst überraschende Erkenntnisse bringen.
● Einfühlungsvermögen Sich und seine persönlichen Probleme mitzuteilen ist leicht. Doch wie oft hört man selbst auch wirklich aufrichtig jemand anderem zu und gibt demjenigen einen Rat, der ihm wirklich weiterhilft? Zuhören, um zu verstehen und nicht nur um zu antworten, ist nicht immer einfach, doch es lohnt sich.
● Reife Selbstständigkeit und interkulturelle Erfahrung verändern den Blickwinkel. Ich verstehe nun, meine Prioritäten zu setzen und mich auf meine Ziele zu konzentrieren.
Eine intensive Zeit geht zu Ende, und meine Hochs und Tiefs in diesen Monaten haben mich gleichermaßen geprägt. Durch die Wahl meines Studiengangs, TourismusManagement, möchte ich auch zukünftig beruflich an globaler Zusammenarbeit teilhaben.