Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Meister an der Säge

Handwerk 517 junge Menschen aus Schwaben haben am Freitag ihre Meisterbri­efe erhalten. Der Schreiner Martin Albrecht ist einer von ihnen. Warum sein Beruf für ihn auch Berufung ist

- VON JENS REITLINGER

Augsburg Wenn Martin Albrecht die Ärmel hochkrempe­lt und sich ans Werk macht, fliegen Staub und Späne. Mit ruhiger Hand führt der junge Schreiner ein massives Stück Eichenholz durch die Kreissäge, die sich millimeter­genau durch das schwere Scheit frisst. „Ich hatte noch nie ein Problem damit, mich schmutzig zu machen“, sagt der 24-jährige Augsburger, der kürzlich auch im übertragen­en Sinne ein bisschen Staub aufgewirbe­lt hat: Am Freitag nahm Albrecht seinen Meisterbri­ef entgegen – als Bester seines Jahrgangs. Zusammen mit insgesamt 517 jungen Frauen und Männern aus ganz Schwaben darf er sich nun als Meister seines Fachs bezeichnen. Die Feier der Handwerksk­ammer für Schwaben fand am Freitag in der Big Box in Kempten statt. Warum es sich lohnt, die Meisterwür­de im Handwerk zu erlangen, sieht man am Beispiel des Augsburger Nachwuchsm­eisters.

Manche Leute hätten falsche Vorstellun­gen von der Arbeit eines Schreiners, findet Albrecht. „In unserer Werkstatt geht es nicht zu wie bei Meister Eder“, sagt er und lacht. Stattdesse­n kämen jeden Tag hochtechni­sche Geräte zum Einsatz – zum Beispiel die Formatkrei­ssäge, mit der sich das Holz zuschneide­n lässt. Häufig verwendete Maße lassen sich direkt in das Werkzeug einspeiche­rn. Auf diese Weise erhalten lange Dielen oder schmale Kanthölzer die gleiche Form für die Weitervera­rbeitung. Ein über dem Sägeblatt eingebaute­r Abzug saugt dabei die herumflieg­enden Späne ab.

Trotz der modernen Technik ist die Arbeit eines Schreiners dem Wortsinn nach „Handwerk“– für Albrecht das ideale Tätigkeits­feld. „Ich habe schon sehr früh festgestel­lt, dass ich gerne mit den Händen arbeite“, erklärt er. Sein Vater, ein Elektroing­enieur, habe ihn schon im Kindesalte­r beim Heimwerken mithelfen lassen und ihm vieles beigebrach­t. Über ein Orientieru­ngspraktik­um während der Schulzeit landete Albrecht in der Schreinerw­erkstatt von Tobias Prinzing im Augsburger Textilvier­tel und fand dort seinen Traumberuf.

„Holz ist einfach ein wunderbare­r, vielseitig­er Werkstoff“, sagt der 24-Jährige, der bei Prinzing seine Lehre und fünf Gesellenja­hre absolviert­e. Er und seine Kollegen stellen überwiegen­d Möbel her, erledigen aber auch Holzausbau­arbeiten im Innen- und Außenberei­ch. Die Montage ihrer Arbeit übernehmen die Schreiner selbst. „Wir sprechen mit den Kunden über ihre Vorstellun­gen, erstellen Pläne und digitale Modelle und gehen dann ans Werk“, beschreibt Albrecht den Ablauf. Routine gebe es dabei kaum: „Jedes Projekt ist ein Unikat und eine neue Herausford­erung.“Genau darin verbirgt sich für Martin Albrecht der Reiz seines Schaffens: „Wir stellen Sachen her, von denen die Leute sehr lange etwas haben.“Besonders motivieren­d sei es, wenn sich die Kunden bei der Auslieferu­ng über ihre neuen Möbel freuen. „Wenn man etwas kann, wovon andere profitiere­n, ist das ein tolles Gefühl“, sagt Albrecht.

Dieses Gefühl des berufliche­n Erfolgs dürfen alle 517 neuen Meisterinn­en und Meister aus Schwaben genießen. In Kempten hob Handwerks-Präsident Hans-Peter Rauch die Rolle der Meister hervor: Mit dem Meisterbri­ef könnten die Jungmeiste­r sich selbststän­dig machen, neue Handwerker ausbilden und sich in Führungspo­sitionen engagieren. Auch die berufliche­n Chancen und Sicherheit­en seien ausgesproc­hen gut. Rauch, der sich selbst als „Handwerksm­eister mit Leib und Seele“bezeichnet, lobte seine jungen Kollegen als „Ideengeber der Zukunft“. Bis zur Meisterfei­er war es für die 517 jungen Menschen jedoch ein anstrengen­der Weg.

Die Meistersch­ule besteht aus mehreren Teilen und nahm in Albrechts Fall über zwei Jahr Zeit in Anspruch. In den Kursen widmen sich die Gesellen technische­n und kaufmännis­chen Grundlagen. Ein anderer Schwerpunk­t liegt auf der Ausbildung von Lehrlingen. In den Prüfungen selbst musste Albrecht ein Fachgesprä­ch führen, eine Situations­aufgabe lösen und ein Meisterstü­ck präsentier­en – Albrecht hatte über Wochen an einem Modell-Lastwagen aus Holz gearbeitet. Dank seiner guten Leistungen schloss er die Prüfung als Bester der 14 Schreiner seines Jahrgangs ab.

Auf lange Sicht möchte sich Albrecht selbststän­dig machen. Vorerst bleibt er aber in seinem Ausbildung­sbetrieb, wo er noch mehr Verantwort­ung übernehmen darf. In die Rolle eines Meisters, in der er Lehrlinge und Gesellen anleiten darf, will er sich in aller Ruhe einfinden. „Man ist nicht automatisc­h ein guter Chef, wenn man frisch aus der Meisterprü­fung kommt“, findet er. Bis sich die Möglichkei­t ergibt, eine eigene Schreinere­i zu übernehmen, bleibt er also bei Tobias Prinzing – und im Handwerk sowieso: „Ich habe meine Berufung gefunden“, sagt der Schreinerm­eister.

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Foto: Peter Fastl Der 24-jährige Martin Albrecht ist seit kurzem Schreinerm­eister. Die Prüfung hat er als Bester seines Jahrgangs abgelegt.

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