Augsburger Allgemeine (Land West)

Ringen um eine Regierung

Landtagswa­hl Die politische­n Wünsche der Freien Wähler sind nicht billig. Und Markus Söder will an seinen Wahlkampf-Wohltaten festhalten. Wie wird das in einer Koalition zusammenge­hen?

- VON HENRY STERN

München Im Wahlkampf hatte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) die Freien Wähler aufgrund ihrer finanziell­en Forderunge­n noch als „Freibier-Partei“bezeichnet. Seit Freitag sitzt er mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zu Koalitions­verhandlun­gen an einem Tisch. Und gleich am ersten Tag geht es dem Vernehmen nach um das heikle Thema Finanzen.

Wie viel „Freibier-Politik“droht also der neuen Regierung? Zwar beteuerte Söder bereits vor den Verhandlun­gen am Freitag vorsorglic­h, dass Schuldenab­bau und ein Haushalt ohne Neuverschu­ldung die Grundmaxim­e auch der neuen Regierung sein werde: „Wir haben eine ganz klare Grundlinie, die heißt, die Stabilität muss erhalten bleiben“, sagte er. In einer internen Telefon-Schalte des CSU-Präsidiums am Donnerstag soll Söder zudem seine Entscheidu­ng für eine „Bayern-Koalition“mit der Aiwanger-Partei zuvorderst damit begründet haben, dass dieser sich zur finanziell­en habe.

Wie Aiwangers zentrale Wahlkampfv­ersprechen damit in Einklang zu bringen sind, dürfte jedoch zu den größten Herausford­erungen der Regierungs­bildung gehören: Allein die vom Freie-Wähler-Chef als unverhande­lbar erklärte Kernforder­ung einer kostenfrei­en Kita treibt mit der Materie vertrauten CSULeuten die Schweißper­len auf die Stirn.

Zwar hängen die Kosten stark von der Ausgestalt­ung der Kostenfrei­heit ab – Aiwanger hatte zuletzt von maximal fünf Stunden kostenfrei­er Betreuung in Krippen und Kindergärt­en gesprochen. Doch die von den Freien Wählern angesetzte Summe von 500 Millionen Euro im Jahr hält man auf der CSU-Seite für deutlich zu niedrig. Allein das bereits jetzt kostenfrei­e letzte Kindergart­enjahr koste den Freistaat jährlich rund 300 Millionen Euro, heißt es dort. „Es wird in jedem Fall mehr kosten als 500 Millionen“, glaubt man deshalb in der CSU.

Aber auch andere zentrale FW- Solidität verpflicht­et Forderunge­n haben es finanziell in sich: So forderte die Partei zuletzt etwa zur Kompensati­on der Straßenaus­baubeiträg­e für Grundbesit­zer bis zu 150 Millionen Euro jährlich. Die staatliche Übernahme der Umlage der Straßen-Ersterschl­ießungen könnte nach FW-Rechnung ebenfalls mehr als hundert Millionen Euro kosten.

Zwar hat der Freistaat derzeit noch üppige finanziell­e Rücklagen. Doch schon Söders WahlkampfW­ohltaten dezimierte­n diesen Topf um rund eine Milliarde – auf nun noch gut fünf Milliarden Euro. Alleine für Söders Pflegegeld und Familienge­ld rechnet man mit 400 beziehungs­weise 800 Millionen Euro Jahresbela­stung – ein Aufschlag, der auf Dauer auch für das finanzstar­ke Bayern nur schwer zu stemmen ist.

Zur Finanzieru­ng der FWWünsche diese Landesleis­tungen nach nur wenigen Wochen wieder einzukassi­eren, dürfte Söder zudem schwerfall­en – schließlic­h hatte er diese zu Meilenstei­nen seines sozialpoli­tischen Profils erklärt. Aiwanger selbst hatte darüber hinaus zur Frage der Finanzieru­ng seiner Politik bislang nur wenig Zählbares beigetrage­n – einen Stopp der neuen Reiterstaf­feln der Polizei etwa (rund 1,7 Millionen Euro) oder das Ende von Söders Raumfahrt-Programm „Bavaria One“. Letzteres soll zwar 700 Millionen Euro kosten – allerdings gestreckt über zehn Jahre.

Die Hightech-Förderung zu kürzen, wäre ohnehin „ein völlig falsches Signal“, findet man in der CSU. Aber auch den Kita-Ausbau zugunsten der Kostenfrei­heit zurückzufa­hren, könne keine Lösung sein. Also doch mehr Geld ausgeben, als ein solider Haushalt hergibt? Vielleicht wäre ja SchwarzGrü­n zumindest die billigere Alternativ­e gewesen: Mit den Grünen hätte es zwar ideologisc­he Differenze­n gegeben, meint ein gestandene­r CSU-Mann: „Mit den Freien Wählern aber könnte es richtig teuer werden.“

Schwarz-Grün wäre wohl nicht so teuer gewesen

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Die Verhandlun­gsführer von CSU und Freien Wählern: (von rechts) Markus Söder, Ilse Aigner, Markus Blume, Florian Herrmann, Michaela Kaniber, Joachim Herrmann und Albert Füracker von der CSU sitzen unter anderem Michael Piazolo (von links) und Hubert Aiwanger gegenüber.
Foto: Tobias Hase, dpa Die Verhandlun­gsführer von CSU und Freien Wählern: (von rechts) Markus Söder, Ilse Aigner, Markus Blume, Florian Herrmann, Michaela Kaniber, Joachim Herrmann und Albert Füracker von der CSU sitzen unter anderem Michael Piazolo (von links) und Hubert Aiwanger gegenüber.

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