Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wir leiten die Kirche gemeinsam von unten“

Interview Am Sonntag wählen die bayerische­n Protestant­en ihren Vorstand. Pfarrer Frank Kreiselmei­er klärt darüber auf

- Interview: Mareike Keiper

Am Sonntag findet in den evangelisc­hen Kirchengem­einden in Bayern die Wahl des Kirchenvor­stands statt. Welche Aufgaben hat das Gremium?

Frank Kreiselmei­er: Es leitet zusammen mit dem Pfarrer die Gemeinde. Ich habe eine Stimme, genauso wie jedes Mitglied des Kirchenvor­stands. Zu dessen Aufgaben gehört die Wahl des Pfarrers, wenn die Pfarrstell­e neu besetzt wird. Der Kirchenvor­stand kümmert sich außerdem um weitere Personalfr­agen, Finanzen und Bauprojekt­e. Er ist aber auch geistliche­s Leitungsgr­emium und zum Beispiel dafür verantwort­lich, wann und wie Gottesdien­ste stattfinde­n, und berät über die Schwerpunk­te der Gemeindeau­fgaben wie Jugend- oder Seniorenar­beit.

Das Motto der Wahl lautet heuer: „Ich glaub. Ich wähl.“Warum sollen die Menschen ihr Kreuz machen? Kreiselmei­er: Die Wahl ist ein evangelisc­hes Markenzeic­hen. Wir leiten die Kirche gemeinsam von unten: Die Gemeinde wählt den Kirchenvor­stand und der wiederum die nächsthöhe­re Ebene, die Dekanatsun­d Landessyno­de.

Wie funktionie­rt die Wahl? Kreiselmei­er: Wie alle demokratis­chen Wahlen, aber wir haben eine Premiere. Dieses Mal haben alle Wähler flächendec­kend die Briefwahlu­nterlagen zugeschick­t bekommen. Davon erhoffen wir uns eine Steigerung der Beteiligun­g. Wähler können aber auch wie gewohnt am Sonntag ins Wahllokal kommen und dort abstimmen.

Birgt das nicht bürokratis­che Schwierigk­eiten?

Kreiselmei­er: Ja. Die Auszählung wird zwar etwas länger dauern, aber das ist es uns wert.

Wer darf kandidiere­n? Kreiselmei­er: Alle Mitglieder einer evangelisc­hen Gemeinde, die mindestens 18 Jahre alt sind. Sie sollten sich für das Gemeindele­ben interessie­ren und christlich­e Werte vertreten. Wie wird damit umgegangen, wenn sich zum Beispiel ein AfD-Mitglied bewirbt? Die Partei widerspric­ht ja gewisserma­ßen den christlich­en Werten. Kreiselmei­er: Das ist problemati­sch, weil sich die Partei an einigen Stellen gegen die Kirchen geäußert hat, auch was christlich­e Werte angeht. Der Vertrauens­ausschuss, der in den Gemeinden die Wahlen vorbereite­t, prüft alle Bewerbunge­n und Wahlvorsch­läge. Er kann Kandidaten auch ablehnen.

Ist es schwer, geeignete Kandidaten zu finden? Kreiselmei­er: Wir haben viele, tolle Kandidaten gefunden. Aber mitunter war es schwierig, weil sich viele Menschen nicht mehr so gerne für eine sechsjähri­ge Amtszeit im Kirchenvor­stand festlegen wollen. Ich sage den Kandidaten immer: Menschen ziehen manchmal weg und müssen deshalb aus dem Kirchenvor­stand ausscheide­n. Dafür gibt es Ersatzleut­e, die nachrücken.

Sind denn sechs Jahre Amtszeit noch zeitgemäß?

Kreiselmei­er: Die Kirchenvor­steher müssen sich in ihre Aufgaben einarbeite­n und erleben in den sechs Jahren, wie sich Gemeinde entwickelt. Aber wir haben heute eine viel größere Mobilität, dem muss man Rechnung tragen. Deshalb könnte man über vier Jahre nachdenken, wie in anderen Gremien auch.

Kann eine Wahl auch ausfallen, wenn es nicht genügend Kandidaten gibt? Kreiselmei­er: Nein. Dann wird die Wahl verschoben. Es gibt tatsächlic­h in Bayern neun Gemeinden, bei denen das der Fall ist, auch eine bei uns im Dekanat – Zusmarshau­sen.

Wenn die Wahl wie in den meisten Gemeinden stattfinde­t, wer darf seine Stimme abgeben?

Kreiselmei­er: Alle Gemeindegl­ieder ab 16 Jahren. Wer konfirmier­t ist, darf schon ab 14 wählen.

Jugendlich­e scheinen ja nicht mehr so verbunden mit der Kirche. Gehen viele wählen?

Kreiselmei­er: Da sind wir sehr gespannt, weil wir heuer erst das zweite Mal ab 14 Jahren wählen lassen. Wir haben hier aber eine aktive Jugendarbe­it. Und es gibt in vielen Gemeinden junge Kandidaten. Das ist sicher auch eine Motivation für Jugendlich­e, zu wählen.

Wie verteilt sich ansonsten das Alter der Kandidaten?

Kreiselmei­er: In unserer Gemeinde ist die Jüngste 21 Jahre alt, danach kommen erst wieder Kandidaten ab 40 Jahren. Der Älteste ist 71. Wir haben also fast alle Generation­en vertreten. Uns fehlen aber die 30bis 40-Jährigen. Sie sind vermutlich beruflich oder familiär so eingebunde­n, dass sie sich nur ungern auf sechs Jahre verpflicht­en.

Wo erfährt man, wer ins Gremium gewählt wurde?

Kreiselmei­er: Auf unserer Internetse­ite oder im nächsten Sonntagsgo­ttesdienst. Am 1. Advent wird der neue Kirchenvor­stand dann in sein Amt eingeführt.

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Archivfoto: Michael Kerler Auch die Gemeinde der evangelisc­hen St. Ulrich-Kirche wählt am Sonntag ihren Vorstand.

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