Augsburger Allgemeine (Land West)

Marco Richter lernt zu verzichten

FCA Das Stürmertal­ent musste mit einer Wadenverhä­rtung gegen Dortmund pausieren und die Spiele mit der deutschen U21-Nationalma­nnschaft absagen. Doch er sieht es auch positiv

- VON ROBERT GÖTZ

Eigentlich hätte Marco Richter in diesen Tagen richtig geknickt sein können. Als er beim Heimspiel gegen den SC Freiburg (4:1) nach einem guten Spiel in der 75. Minute von Trainer Manuel Baum ausgewechs­elt werden musste, zwickte es hinten am Oberschenk­el zwar ein bisschen, nichts deutete darauf hin, dass der Stürmer Anfang Oktober gleich zwei für ihn ganz wichtige Termine würde absagen müssen.

Doch die Muskelverh­ärtung in der Nähe der Adduktoren war so hartnäckig, dass er nun schon zum zweiten Mal in seiner zweiten Bundesliga-Saison das Auswärtssp­iel bei Borussia Dortmund in einem der schönsten Stadien der Liga verpasst hat. Und auch Nationaltr­ainer Stefan Kuntz musste er für die entscheide­nden EM-Qualifikat­ionsspiele der deutschen U21-Nationalma­nnschaft, quasi vor der Haustüre in Ingolstadt und Heidenheim, einen Korb geben.

„Es waren viele Telefonate mit Herrn Kuntz, Herrn Baum, den Ärzten im Dreieck“, sagte Richter Mitte der Woche. Man hat überlegt, ob er eventuell zur Nationalma­nnschaft nachreist, doch diesen Gedanken verworfen. „Die U21-Absage hat sehr wehgetan, aber ich nehme das Positive mit, dass alle hier im Verein auf mich achten und unbedingt wollten, dass ich wieder fit werde.“Er ist es vor dem Spiel am Samstag (15.30 Uhr) in der vollen WWK-Arena gegen RB Leipzig. „Ich bin komplett schmerzfre­i und versuche diese Sorge um mich durch Leistung zurückzuza­hlen.“Diese Episode zeigt, wie hoch sein Stellenwer­t inzwischen schon beim FCA ist. Richter hätte sicher zur U21 fahren können, um dann zu testen, ob er spielen kann, doch dieses Risiko wollte Baum gar nicht erst eingehen.

Richter ist der Gewinner der ersten Saisonphas­e. In fünf der sieben Punktspiel­e wurde er eingesetzt, bereitete zwei Tore vor. Aber was noch viel wichtiger ist: Das offensive Pressing gegen den Ball tief in der Hälfte des Gegners, das Baum dem FCA in dieser Spielzeit verordnet hat, ist für ihn nichts Neues.

Das hat Baum schon 2014, als er Leiter des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums wurde, eingeführt. Einer seiner Schüler dort: Marco Richter. „Die ganze Philosophi­e hat Herr Baum mit nach oben genommen, zum Glück hatte ich das im NLZ schon“, sagt Richter. Es sei wichtig, dass alle mitmachen: „Wenn einer rausfällt, ist es extrem schwer.“Gerade deswegen baut Baum auf Richter. Er kennt die Anlaufwege der Offensive in- und auswendig, weiß, wie man sich in den verschiede­nen Situatione­n zu verhalten hat. Ob er oder Caiuby auf der linken Außen- eingesetzt wird, entscheide­t Trainer Baum je nach Taktik. Braucht er Wucht und Kopfballst­ärke, bringt er Caiuby, braucht er Finesse und Zug zum Tor, ist Richter der Richtige. Gut möglich, dass Richter gegen Leipzig den Vorzug bekommt, zumal Caiuby zwar wiebahn der fit ist, während der Woche aber einige Zeit verletzt pausieren musste.

Richter ist in der Bundesliga angekommen. Dabei war er beileibe kein Streber im Nachwuchs. Er galt als ein Spieler, der Gefahr lief, zu wenig aus seinem Talent zu machen. Der zwar in einem Spiel in der U23 auch mal sieben Tore erzielte, der aber auf Fitness und profession­elle Ernährungs­weise lange keinen so großen Wert legte. So frühstückt er erst regelmäßig, wie er in einem früheren Interview verriet, seit der FCA dies vor dem Vormittags­training eingeführt hat. Einmal hat er in der U23 auch in einem nicht gewaschene­n Trikot spielen müssen, weil er es am Spieltag zuvor mal wieder liegen hatte lassen. Der Zeugwart revanchier­te sich. Richter behielt aber seinen Torriecher und traf auch stinkend.

Doch Richter ist mit seinen 20 Jahren erwachsene­r geworden. Zusammen mit seiner Freundin sucht er eine Wohnung, will endlich von zu Hause ausziehen. Er hat den Berater gewechselt. Und er hat gelernt zu verzichten. Auf Dortmund oder die Nationalma­nnschaft.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Marco Richter hat sich in der Bundesliga etabliert und er hat gelernt, auf sich zu achten.
Foto: Ulrich Wagner Marco Richter hat sich in der Bundesliga etabliert und er hat gelernt, auf sich zu achten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany