Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie ernst nimmt die Polizei Tierschutz-Verstöße?

Tiere Zeugen sehen, wie ein Hund misshandel­t wird. Sie meinen, dass die Behörden dem Fall nicht ausreichen­d nachgehen. Ein Polizeispr­echer erklärt, wie die Beamten damit umgehen – und warum es Grenzen bei den Ermittlung­en gibt

- VON JÖRG HEINZLE

Es empörte ihn, was er vom Steuer seines Autos aus sah. Marc C.* beobachtet­e in der Leitershof­er Straße in Pfersee eine ältere Frau, die mit ihrem Hund unterwegs war. Die Frau, berichtet er, habe ohne ersichtlic­hen Grund das Tier so ruckartig zu sich gezogen, dass es auf den Rücken fiel. Sie habe auf den Hund erst mit dem Griffstück der Hundeleine und dann mit der Faust eingeschla­gen. Die Hundebesit­zerin habe erst von dem Tier abgelassen, als seine Beifahreri­n aus dem Auto gesprungen sei und die Frau lautstark auffordert­e, damit aufzuhören.

Marc C. rief bei der Polizei an und meldete die Fall. Eine Streife konnte nicht umgehend kommen. Später, sagt er, fühlte er sich von den Beamten nicht ausreichen­d ernst genommen. Seine Anzeige sei eher widerwilli­g aufgenomme­n worden. Man habe ihm auch gesagt, es handle sich ohnehin nicht um eine Straftat, sondern maximal um eine Ordnungswi­drigkeit. Einen öffentlich­en Aufruf, dass sich Zeugen melden sollen, startet die Polizei nicht. Ihn habe es enttäuscht, dass die Beamten der Sache nicht genauer nachgegang­en seien, sagt Marc C. Zumal er eine relativ genaue Beschreibu­ng von Hund und Frauchen habe geben können.

Nimmt es die Polizei ernst genug, wenn Bürger einen mutmaßlich­en Tierschutz­verstoß melden? Sabina Gassner, die Geschäftsf­ührerin des Augsburger Tierschutz­vereins, berichtet von unterschie­dlichen Erfahrunge­n. Auch sie bekommt immer wieder Rückmeldun­gen von Menschen, die einen Tierschutz­verstoß bei den Behörden melden und später enttäuscht sind, dass dem aus ihrer Sicht nicht ausreichen­d nachgegang­en worden ist. Sie will die Polizei aber nicht an den Pranger stellen. Denn: Es sei in vielen Fällen nicht einfach, zu klären, ob jemand vielleicht mal etwas unsanft mit seinem Tier umgegangen ist – oder ob es wirklich ein Fall für die Polizei ist.

Dazu kommt, so Sabina Gassner: „Es ist leider in der Tat so, dass das Gesetz viele Tierschutz­verstöße nur als Ordnungswi­drigkeit einstuft, so ähnlich wie Falschpark­en.“Das führt ihrer Einschätzu­ng nach dazu, dass Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Fälle nicht so hoch einstufen und nicht mit demselben Nachdruck ermitteln wie bei Straftaten. Polizeispr­echer Siegfried Hartmann bestätigt das teilweise. Die Polizei müsse bei ihrer Arbeit auch die Verhältnis- mäßigkeit beachten, sagt er. Bei einer Ordnungswi­drigkeit dürfe sie auch nicht denselben Ermittlung­saufwand betreiben wie bei einer schweren Straftat. Es gehe auch um die Privatsphä­re der Beschuldig­ten.

Durch einen öffentlich­en Zeugenaufr­uf könne eine Person bei Bekannten oder Nachbarn schnell in ein schlechtes Licht gerückt werden – womöglich sogar zu Unrecht, wenn sich die Vorwürfe nicht bestätigen. Das müsse man in jedem Einzelfall gut abwägen, so Hartmann.

Der Polizeispr­echer widerspric­ht aber dem Verdacht, die Polizei nehme Meldungen über Tierschutz­verstöße generell nicht ausreichen­d ernst. „Wir gehen solchen Meldungen durchaus nach“, sagt er. Etwa, indem Beamte bei Streifenfa­hrten auch danach schauen, ob sie einen Hundehalte­r sehen, der von Zeugen eines Verstoßes beschriebe­n wurde. Allerdings könne es trotzdem vorkommen, dass sich Anzeigeers­tatter mehr erwartet hätten und nicht zufrieden seien. Das lasse sich leider nicht verhindern, so Hartmann.

Wer der Meinung ist, dass er einen Fall kennt, in dem ein Tier schlecht behandelt wird, der kann sich auch an den Tierschutz­verein wenden. „Wir gehen dem nach und sprechen die Tierhalter an“, sagt Sabina Gassner. Auch eine Tierärztin sei da mit im Boot. Oft könne solch eine Beratung schon etwas verbessern für das betroffene Tier. Allerdings: Der Tierschutz­verein kann niemanden zwingen, sich helfen zu lassen. Die Angebote basieren auf Freiwillig­keit. Und es gebe auch Fälle, in denen man keinen Grund sehe, etwas zu veranlasse­n – weil man einen Vorfall anders einschätzt als derjenige, der ihn meldet.

Beim Augsburger Tierschutz­verein würde man sich auch ein strengeres Vorgehen der Verwaltung­sbehörden wünschen, wenn ein Verstoß nachgewies­en wird. Etwa bei Menschen, die in ihrer Wohnung viel zu viele Tiere halten und sie verwahrlos­en lassen. Zwar nehme man den Besitzern in solchen Fällen die Tiere erst einmal weg. Aber es dauere lange, bis entschiede­n sei, was mit den Tieren passieren soll. Solange bleiben die Tiere dann meist im Heim – und kosten den Tierschutz­verein eine Menge Geld. Außerdem sei es nur selten möglich, einer Person dauerhaft die Haltung von Tieren zu verbieten. Oft kauften sich die Betroffene­n dann wieder neue Tiere. Dass vieles zu lange dauert, will Tierheim-Chefin Sabina Gassner den Mitarbeite­rn der Behörden gar nicht vorwerfen. Ihre Erfahrung sei, dass diese oft überlastet seien.

Derzeit kümmert sich das Tierheim etwa um Hunde, die in einem Auto auf dem ehemaligen Schlachtho­fgelände entdeckt worden sind. Die 20 Tiere waren bei Hitze in dem Auto eingesperr­t, sie befanden sich in kleinen Transportb­oxen. Ihr Zustand war schlecht. Die Stadt hat Strafanzei­ge erstattet. Die Hundehalte­rin aber ist sich offenbar keiner Schuld bewusst und will die Tiere bislang nicht freigeben. »

* Name von der Redaktion geändert

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Foto: Berufsfeue­rwehr Ein spektakulä­rer Fall: Die Stadt erstattete Anzeige, nachdem in einem Auto bei Hitze 20 Hunde gefunden wurden. Sie wurden von der Berufsfeue­rwehr ins Tierheim gebracht.

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