Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie ernst nimmt die Polizei Tierschutz-Verstöße?
Tiere Zeugen sehen, wie ein Hund misshandelt wird. Sie meinen, dass die Behörden dem Fall nicht ausreichend nachgehen. Ein Polizeisprecher erklärt, wie die Beamten damit umgehen – und warum es Grenzen bei den Ermittlungen gibt
Es empörte ihn, was er vom Steuer seines Autos aus sah. Marc C.* beobachtete in der Leitershofer Straße in Pfersee eine ältere Frau, die mit ihrem Hund unterwegs war. Die Frau, berichtet er, habe ohne ersichtlichen Grund das Tier so ruckartig zu sich gezogen, dass es auf den Rücken fiel. Sie habe auf den Hund erst mit dem Griffstück der Hundeleine und dann mit der Faust eingeschlagen. Die Hundebesitzerin habe erst von dem Tier abgelassen, als seine Beifahrerin aus dem Auto gesprungen sei und die Frau lautstark aufforderte, damit aufzuhören.
Marc C. rief bei der Polizei an und meldete die Fall. Eine Streife konnte nicht umgehend kommen. Später, sagt er, fühlte er sich von den Beamten nicht ausreichend ernst genommen. Seine Anzeige sei eher widerwillig aufgenommen worden. Man habe ihm auch gesagt, es handle sich ohnehin nicht um eine Straftat, sondern maximal um eine Ordnungswidrigkeit. Einen öffentlichen Aufruf, dass sich Zeugen melden sollen, startet die Polizei nicht. Ihn habe es enttäuscht, dass die Beamten der Sache nicht genauer nachgegangen seien, sagt Marc C. Zumal er eine relativ genaue Beschreibung von Hund und Frauchen habe geben können.
Nimmt es die Polizei ernst genug, wenn Bürger einen mutmaßlichen Tierschutzverstoß melden? Sabina Gassner, die Geschäftsführerin des Augsburger Tierschutzvereins, berichtet von unterschiedlichen Erfahrungen. Auch sie bekommt immer wieder Rückmeldungen von Menschen, die einen Tierschutzverstoß bei den Behörden melden und später enttäuscht sind, dass dem aus ihrer Sicht nicht ausreichend nachgegangen worden ist. Sie will die Polizei aber nicht an den Pranger stellen. Denn: Es sei in vielen Fällen nicht einfach, zu klären, ob jemand vielleicht mal etwas unsanft mit seinem Tier umgegangen ist – oder ob es wirklich ein Fall für die Polizei ist.
Dazu kommt, so Sabina Gassner: „Es ist leider in der Tat so, dass das Gesetz viele Tierschutzverstöße nur als Ordnungswidrigkeit einstuft, so ähnlich wie Falschparken.“Das führt ihrer Einschätzung nach dazu, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Fälle nicht so hoch einstufen und nicht mit demselben Nachdruck ermitteln wie bei Straftaten. Polizeisprecher Siegfried Hartmann bestätigt das teilweise. Die Polizei müsse bei ihrer Arbeit auch die Verhältnis- mäßigkeit beachten, sagt er. Bei einer Ordnungswidrigkeit dürfe sie auch nicht denselben Ermittlungsaufwand betreiben wie bei einer schweren Straftat. Es gehe auch um die Privatsphäre der Beschuldigten.
Durch einen öffentlichen Zeugenaufruf könne eine Person bei Bekannten oder Nachbarn schnell in ein schlechtes Licht gerückt werden – womöglich sogar zu Unrecht, wenn sich die Vorwürfe nicht bestätigen. Das müsse man in jedem Einzelfall gut abwägen, so Hartmann.
Der Polizeisprecher widerspricht aber dem Verdacht, die Polizei nehme Meldungen über Tierschutzverstöße generell nicht ausreichend ernst. „Wir gehen solchen Meldungen durchaus nach“, sagt er. Etwa, indem Beamte bei Streifenfahrten auch danach schauen, ob sie einen Hundehalter sehen, der von Zeugen eines Verstoßes beschrieben wurde. Allerdings könne es trotzdem vorkommen, dass sich Anzeigeerstatter mehr erwartet hätten und nicht zufrieden seien. Das lasse sich leider nicht verhindern, so Hartmann.
Wer der Meinung ist, dass er einen Fall kennt, in dem ein Tier schlecht behandelt wird, der kann sich auch an den Tierschutzverein wenden. „Wir gehen dem nach und sprechen die Tierhalter an“, sagt Sabina Gassner. Auch eine Tierärztin sei da mit im Boot. Oft könne solch eine Beratung schon etwas verbessern für das betroffene Tier. Allerdings: Der Tierschutzverein kann niemanden zwingen, sich helfen zu lassen. Die Angebote basieren auf Freiwilligkeit. Und es gebe auch Fälle, in denen man keinen Grund sehe, etwas zu veranlassen – weil man einen Vorfall anders einschätzt als derjenige, der ihn meldet.
Beim Augsburger Tierschutzverein würde man sich auch ein strengeres Vorgehen der Verwaltungsbehörden wünschen, wenn ein Verstoß nachgewiesen wird. Etwa bei Menschen, die in ihrer Wohnung viel zu viele Tiere halten und sie verwahrlosen lassen. Zwar nehme man den Besitzern in solchen Fällen die Tiere erst einmal weg. Aber es dauere lange, bis entschieden sei, was mit den Tieren passieren soll. Solange bleiben die Tiere dann meist im Heim – und kosten den Tierschutzverein eine Menge Geld. Außerdem sei es nur selten möglich, einer Person dauerhaft die Haltung von Tieren zu verbieten. Oft kauften sich die Betroffenen dann wieder neue Tiere. Dass vieles zu lange dauert, will Tierheim-Chefin Sabina Gassner den Mitarbeitern der Behörden gar nicht vorwerfen. Ihre Erfahrung sei, dass diese oft überlastet seien.
Derzeit kümmert sich das Tierheim etwa um Hunde, die in einem Auto auf dem ehemaligen Schlachthofgelände entdeckt worden sind. Die 20 Tiere waren bei Hitze in dem Auto eingesperrt, sie befanden sich in kleinen Transportboxen. Ihr Zustand war schlecht. Die Stadt hat Strafanzeige erstattet. Die Hundehalterin aber ist sich offenbar keiner Schuld bewusst und will die Tiere bislang nicht freigeben. »
* Name von der Redaktion geändert