Augsburger Allgemeine (Land West)
Viel Sonne, wenig Regen – Cannabiswetter?
Drogen Die Fälle von illegal angebauten Hanfpflanzen in der Region häufen sich. Im Maisfeld, im Wald oder im Garten – das Rauschgift wächst nicht mehr nur im stillen Kämmerlein
Landkreis Augsburg In einem Maisfeld finden sich meterhohe Cannabispflanzen. Zwischen einigen Tomatenstauden im Garten riecht es verdächtig süßlich. Selbst auf Baumwipfeln in der Region sprießt illegal angebautes Cannabis. Es scheint, als fühle sich die Pflanze in der Region wohl. Liegt das am Wetter?
Einer, der sich mit Cannabis auskennt, ist Uli Ernst – rein beruflich versteht sich. Er betreibt das Labyrinth Ex Ornamentis in Utting am Ammersee. Es besteht aus Mais-, Sonnenblumen- und eben auch aus meterhohen Hanfpflanzen. Dabei handelt es sich um sogenanntes Nutzhanf, eine Cannabisart, die kaum THC aufweist und somit nicht berauschend wirken kann. Wer eine Genehmigung hat, darf diese Pflanzen in Bayern legal anbauen. Ernst macht das seit 2001. Grundsätzlich brauche Cannabis viel Sonne, erklärt er. Denn das führe zu viel Blattgrün. Was die Bewässerung angeht, habe Cannabis einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zu anderen Pflanzen wie zum Beispiel Mais. „Hanf ist unheimlich tief verwurzelt“, erklärt Ernst. Die Wurzeln werden bis zu zwei Meter lang. Wenn es also – wie zum Beispiel im vergangenen Sommer – lang anhaltende Hitzeperioden gibt, kann die Pflanze noch lange auf Wasserreserven im Erdreich zurückgreifen. Mais, der weniger tiefe Wurzeln hat, gehe deutlich schneller ein. Was aber nicht bedeutet, dass Cannabis bei lang anhaltender Dürre besonders gut wachse. „Hanf ist nur deutlich resistenter als andere Pflanzen“, sagt Ernst. Wenn es im Sommer also lange Zeit trocken ist, könne es sein, dass illegal angepflanztes Cannabis im Maisfeld auffällt, weil die verbotenen Pflanzen weiter in die Höhe sprießen als der Mais.
Dem Betreiber des Hanflabyrinths ist es wichtig zu betonen, dass die Pflanze weit mehr ist als ein Rauschmittel. Neben dem Einsatz für medizinische Zwecke finde sich Nutzhanf auch in Papier oder Stoff. „Die Luther-Bibel soll auf Hanfpapier geschrieben worden sein“, sagt Ernst. Die Hanfpflanzen, die in jüngerer Vergangenheit in der Region von der Polizei gefunden wurden, waren aber vermutlich für ganz andere Zwecke bestimmt.
Dass es immer mehr dieser Fälle gibt, hat für den Dienststellenleiter der Zusmarshauser Polizei weniger mit dem Wetter zu tun. Er sagt: „Cannabisdelikte sind Kontrolldelikte.“Man sei heute sensibler, was das Thema angeht, erklärt Pauli. Weil die Beamten häufiger nach Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem illegalen Rauschmittel suchen, steigt auch die Zahl der Fälle.
In Allmannshofen tauchten vor Kurzem zum Beispiel acht Cannabispflanzen auf, die laut Polizei „sehr pfleglich“hochgezogen worden waren. In Fischach kassierte die Polizei das Cannabis eines 59-Jährigen ein. Er flog auf, weil er durch die Beleuchtung zu Hause eine besonders hohe Stromrechnung hatte. Bei Thannhausen hatte sich eine Frau vor Jahren mit größter Sorgfalt und gärtnerischem Fachwissen um eine Plantage in einer kleinen Waldlichtung an der Mindel gekümmert. Sie flog auf, als sie dort nach dem Rechten sehen wollte. Besonders spektakulär ist außerdem ein Fall aus dem Haunstetter Wald. Fast 300 Cannabispflanzen waren dort angebaut worden. Teilweise nutzte der Täter dafür sogar Baumwipfel in 25 Metern Höhe. Auf die Spur gebracht hatte die Polizei ein Spaziergänger.
Wer mit den illegalen Pflanzen in Bayern erwischt wird, der muss mit teils hohen Strafen rechnen. Handelt es sich nicht mehr um eine geringe Menge für den Eigenbedarf, liegt der Tatbestand eines Verbrechens vor. Und der zieht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich.