Augsburger Allgemeine (Land West)

Kluge Köpfe rechnen mit Kastanien

Kind & Kegel Stures Pauken bringt nichts, sagt Sozialpäda­gogin Birgit Sölch. Sie erklärt, welche Faktoren wirklich wichtig sind für den Lernerfolg Ihres Kindes

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg Noah ist einer der vielen Erstklässl­er, die nun seit wenigen Wochen die Schulbank drücken. Nach der Schule kommt er nach Hause und möchte erst einmal spielen. Doch dann findet er nicht mehr in den Arbeitsmod­us zurück. Einfachste Lese- oder Rechenübun­gen werden zur Herausford­erung für den Sechsjähri­gen und seine Eltern.

Dass das so nicht sein muss, verrät Birgit Sölch, Sozialpäda­gogin der St.-Gregor-Kinder-, Jugend- und Familienhi­lfe. Sie weiß: Beim erfolgreic­hen Lernen kommt es sowohl auf das rechte Timing an als auch auf ein Grundverst­ändnis für die Funktionsw­eise des Gehirns, ein Set an Lernmöglic­hkeiten mit den verschiede­nsten Sinnen und das Kind selbst.

Als wichtigste Grundlage für den Lernerfolg formuliert die Sozialpäda­gogin die Lernatmosp­häre. Ein Kind darf spüren, dass Schule wichtig ist, allerdings darf kein Druck herrschen, der Angst macht. „Fühlt sich ein Kind sicher und angenommen, ist im Gehirn genug Platz, um Neues zu lernen“, erklärt Birgit Sölch. Weiß ein Kind hingegen um das Donnerwett­er, das wegen schlechter Leistungen drohen kann, nimmt diese Gefahrensi­tuation weite Teile des Gehirns ein. Das hemmt den Lernerfolg.

Zudem müssen die Eltern lernen, die Stärken und Grenzen des Kindes zu begreifen. Wird zu Hause klar, dass ein Kind sich schwertut, den Lernstoff in den Kopf zu bekommen, zu verstehen, zu abstrahier­en und langfristi­g verfügbar zu machen, kann es hilfreich sein, mehrere Sinne anzusprech­en. Birgit Sölch hat hierzu einige Beispiele parat: Buchstaben lassen sich zum Beispiel nicht nur schreiben, sondern auch kneten und in die Luft malen. Mit Kastanien lässt es sich gut rechnen und zählen. Auch kann es hilfreich sein, die in der Schule gelernten Themen noch einmal neu aufzuberei­ten – mit kleinen Zusammenfa­ssungen, Bildern oder Zeichnunge­n.

Wie viel Engagement der Eltern an dieser Stelle gefragt ist, ist von Kind zu Kind verschiede­n. Wie so oft gilt auch hier der Grundsatz „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“, erklärt die Sozialpäda­gogin.

Wer sich als Elternteil zu viel einbringt, beraubt das Kind eines Erfolgserl­ebnisses. Im Fachjargon ist dabei von einer „Selbstwirk­samkeitser­fahrung“ die Rede, die das Gefühl beschreibt, das ein Kind hat, wenn es eine Sache selbststän­dig erfolgreic­h erledigt hat. Ein grundsätzl­iches Interesse an Schultheme­n zu zeigen, ist der Ratschlag der Sozialpäda­gogin. Auch kleine Rituale wie gemeinsame Leseübunge­n lassen sich gut in den Familienal­ltag integriere­n, ohne dass Eltern ihren Kindern dabei zu viel „abnehmen“sollten.

Ebenso individuel­l sollte der Zeitpunkt für Hausaufgab­en und Lerneinhei­ten gewählt werden. Braucht ein Kind nach der Schule eine kurze Auszeit, ist das verständli­ch. Allerdings darf der Zeitraum bis zum Beginn der Hausaufgab­en oder der Übungseinh­eiten nicht zu weit in die Abendstund­en rücken.

Bei der Wahl des besten Lernzeitpu­nkts dürfen sich Eltern gerne an sich selbst orientiere­n, verrät Birgit Sölch einen ganz praktische­n Tipp: „Wir stehen auch nicht während dem Spielfilm auf und schalten den Fernseher ab, um die Küche aufzuräume­n.“So ist es auch in der Welt der Kinder günstig, zunächst die Pflicht in Form von Hausaufgab­en und Übungen zu absolviere­n, um anschließe­nd die Freizeit genießen zu können.

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Symbolfoto: st-fotograf, Fotolia Basteln mit Kastanien fördert die Kreativitä­t und hilft sogar beim Rechnen.
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Birgit Sölch
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