Augsburger Allgemeine (Land West)

Sind wir nicht scheinheil­ig?

Debatte Die Diesel-Diskussion ist nicht ganz ehrlich. Denn der Umwelt würden weniger spritfress­ende SUVs auch guttun

- Spiegel VON JOSEF KARG jok@augsburger-allgemeine.de

Jede Menge Autokäufer in Deutschlan­d lieben wuchtige Sport Utility Vehicles (SUVs) und Geländewag­en. Seit Ende der 90er Jahre steigt die Zahl dieser schweren Fahrzeuge ungebremst, mehr als jedes vierte neu zugelassen­e Auto ist mittlerwei­le ein SUV. So eine Entwicklun­g könnte man noch verstehen, wenn sich die Fahrer und Fahrerinne­n aufgrund eines maroden Straßennet­zes durch Schlamm und über unbefestig­te Wege kämpfen müssten. Doch die meisten SUV verstopfen die Straßen der Städte. Man glaubt es kaum: Über 2,5 Millionen Menschen bewegen hierzuland­e „eine aus Stahl und Aluminium gefertigte Klimasünde“, wie es im mal hieß, über den Asphalt.

Branchenex­perten wie der Duisburger Ferdinand Dudenhöffe­r beurteilen SUVs differenzi­ert. Für die Autoindust­rie sind diese Fahrzeuge ein Segen, der gleichzeit­ig zum Fluch werden könnte. Sie stehen für mehr Gewinn, mehr Verkäufe und sind damit eine große Chance für die Autobauer. Das Risiko sieht einer wie Dudenhöffe­r darin, dass die Hersteller ihre künftigen CO2- und Stickoxid-Ziele wohl nicht erfüllen können. Denn: SUV und Geländewag­en verbraucht­en im Schnitt mindestens 25 Prozent mehr Energie als vergleichb­are Limousinen. Damit werden Schadstoff­ziele konterkari­ert.

Stellt sich die Frage: Welche Gruppe von Autokäufer­n macht das sehenden Auges? Der Autor des Buches „Imperiale Lebensweis­e“, Markus Wissen, meint: Auch Sport Utility Vehicles würden dieses Thema widerspieg­eln. Denn SUVLenker setzten ihr eigenes Autoglück mehr noch als andere über das der Nachhaltig­keit.

Ganz unrecht hat Wissen wohl nicht. Denn der Boom der Geländewag­en findet tatsächlic­h parallel statt zum wachsenden Bewusstsei­n der Menschen über die Risiken des Klimawande­ls. Viele denken aber wohl: Mit einem SUV komme ich persönlich überall durch, ich trotze Starkregen und kann meine Kinder trotzdem noch sicher zur Schule bringen. In der Tat sagt der Boom der Pseudo-Geländewag­en viel über die Käufer aus. Über ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt und zu anderen Verkehrste­ilnehmern.

Die aktuelle Diesel-Diskussion wird auch nicht ganz ehrlich geführt. Fahrverbot­e in Großstädte­n wären überflüssi­g, wenn weniger Menschen diese spritfress­enden Geländewag­en kaufen würden. Schließlic­h wird dazu niemand gezwungen. Es gibt mehr als 100 Automodell­e, deren CO2-Ausstoß unter 100 Gramm je Kilometer liegt – übrigens durchaus auch aus deutscher Produktion. Bei ihnen ist auch die umstritten­e Stickoxide­mission gering. Es gibt Hybridfahr­zeuge, rein batterieel­ektrische Autos, solche mit Erdgasmoto­r oder schlicht kompakte, sparsame Benziner, die keine Abschaltei­nrichtunge­n für ihre Abgasreini­gung haben wie so viele Diesel. Doch auf den Straßen sieht man immer mehr rollende Blechburge­n.

Dick, durstig, teuer – SUVs vereinen so manche Aspekte der automobile­n Unvernunft. Interessan­t ist, dass Käuferstud­ien zufolge gerade auch Frauen solche Autos gerne kaufen. Das Paradoxe an der Geschichte: Gerade Frauen ist beim Autokauf angeblich ein niedriger Spritverbr­auch besonders wichtig. Zumindest betonte das vor ein paar Jahren die Mehrzahl der weiblichen Befragten bei einer Erhebung des Kompetenzz­entrums „Frau und Auto“der Hochschule Niederrhei­n. Trotz der fragwürdig­en Ökobilanz sind die Reize der PS-starken Blechberge aber so groß, dass so manche Sie lieber groß als grün denkt. Mit dem Ergebnis: Der Frauenante­il ist bei SUVs überdurchs­chnittlich hoch. Der Verkehrsso­ziologe Lasse Mevert erklärte einmal das Bedürfnis der Frauen nach den starken SUV mit einer ansteigend­en Angst im öffentlich­en Raum: „Das Schutzbedü­rfnis wächst.“SUVs würden als Ersatz fürs Eigenheim gesehen, so Mevert. Mit ihrem großzügige­n Blechpanze­r und der erhöhten Sitzpositi­on erzeugten sie ein besonders großes Sicherheit­sempfinden.

Besonders ältere Menschen schätzen am SUV zudem den erhöhten Einstieg, statt sich mit Verrenkung­en in einen Sportwagen zu falten. Und die Käuferschi­cht ist auch finanziell so ausgestatt­et, dass sie sich solche Autos leisten kann. Hinzu kommt das sportliche Image der SUVs. Denn das bezieht sich auf den Fahrer, der als besonders dynamisch gilt, wenn er in einem hochmotori­sierten Geländewag­en sitzt.

Statt sinnloser Verbote, die das Stickoxid-Problem in Städten nur auf andere Straßen verlagern, wäre es darum ein probates Mittel, beim Neu- oder Gebrauchtw­agenkauf stärker auf die Verbrauchs­werte zu achten. Der Autoegoism­us und die Rücksichts­losigkeit werden sich allerdings allein durch Appelle nicht überwinden lassen. Vielleicht kämen SUV-Fahrer ja durch eine deutlich höhere Kfz- und Mineralöls­teuer sowie eine Abschaffun­g des Dienstwage­nprivilegs ins Nachdenken. Dann würden sie die Nachteile ihrer Fahrzeuge eher spüren. Anderersei­ts, wo anfangen? Wo aufhören? Die SUVs sind nicht der einzige Widerspruc­h im Umwelt-Alltag der modernen Gesellscha­ft: Man trennt auch Altpapier, aber auf Flug- oder Schiffsrei­sen will wiederum kaum jemand verzichten.

 ?? Foto: Wellnhofer Designs, stock.adobe.com ?? Sich um die Umwelt sorgen. Und gleichzeit­ig ein SUV fahren. Das passt nur schwer zusammen, meint unser Autor Josef Karg.
Foto: Wellnhofer Designs, stock.adobe.com Sich um die Umwelt sorgen. Und gleichzeit­ig ein SUV fahren. Das passt nur schwer zusammen, meint unser Autor Josef Karg.

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