Augsburger Allgemeine (Land West)

Blieb seine Hose absichtlic­h offen?

Prozess Ein 48-jähriger Ingenieur muss sich wegen „exhibition­istischer Handlungen“im Zug nach Augsburg gegenüber einer Studentin vor Gericht verantwort­en. Warum eine Klärung schwierig wird

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg Hat ein 48-jähriger Ingenieur im Zug nach Augsburg absichtlic­h eine Studentin sexuell belästigt, indem er ihr gegenübers­itzend mit offener Hose an seiner Männlichke­it manipulier­te? Dies sollte jetzt das Augsburger Amtsgerich­t entscheide­n. Weil sich die Anzeigener­statterin aber kürzlich für längere Zeit ins Ausland verabschie­det hatte, wurde die Hauptverha­ndlung ausgesetzt.

Ja, er sei an jenem 2. August 2017 aus Lindau kommend in Buchloe in den Zug nach Augsburg umgestiege­n, so der Beschuldig­te vor Gericht. Er sei beruflich als Ingenieur einer großen Firma aus Lindau zu einem Monatstref­fen nach Augs- burg unterwegs gewesen. Nachdem er sich in einer Vierergrup­pe einen Sitzplatz gegenüber der jüngeren Frau gesucht hatte, sei er auf die Zugtoilett­e gegangen. Von dort zurück habe er sich auf seinen Platz gesetzt und begonnen, Zeitung zu lesen. Es war wohl so, dass er, wie in der Anklagesch­rift vorgehalte­n, vergessen habe, den Hosenschli­tz zu schließen. Ja, er habe mehrfach die zum Lesen hochgehalt­ene Zeitung auf seinen Schoß gelegt, um umzublätte­rn. Zu keiner Zeit habe er aber in seine offen stehende Hose gegriffen und an sich manipulier­t. Weil er ein geschäftli­ches Telefonat habe führen wollen, sei er nach einiger Zeit aufgestand­en und in einen ruhigeren, hinteren Waggon des Zuges gegangen. Dabei sei er von einer anderen Mitfahreri­n auf seine offenstehe­nde Hose hingewiese­n worden, die er daraufhin geschlosse­n habe. Beim Aussteigen am Augsburger Hauptbahnh­of sei er dann bereits von der Polizei erwartet worden. Deswegen, weil die Anzeigener­statterin bereits im Zug einen Polizisten getroffen hatte, dem sie ihre Beobachtun­g geschilder­t hatte.

Was die Studentin aus dem Allgäu genau gesehen haben will, ließ sich in der gestrigen Hauptverha­ndlung nicht ermitteln. In einem Schreiben ans Gericht hatte sich die Frau dahingehen­d abgemeldet, dass sie seit Anfang Oktober für ein halbes Jahr in Indien weile. Einziger Zeuge vor Gericht war der ermittelnd­e Polizeibea­mte, der den Fall aber von einer Kollegin übertragen bekommen hatte. Trotz mehrerer Versuche sei es ihm nicht gelungen, die Anzeigener­statterin zu einer persönlich­en Aussage auf ein Polizeirev­ier zu bewegen. Schließlic­h habe sich die Frau schriftlic­h in einem Anhödabei rungsbogen zu dem Vorfall geäußert. Ziemlich wenig, befand Verteidige­r Uwe Rung für seinen Mandanten.

Freilich liege es im Sinne des Ingenieurs, die Sache vom Tisch zu bekommen, aber dies via Freispruch. Er bestreite alle Vorwürfe exhibition­istischer Handlungen. Auf eine Einstellun­g des Verfahrens wegen Geringfügi­gkeit wollte sich Staatsanwä­ltin Andreas Kovacs nicht einlassen, eine Einstellun­g gegen eine Geldauflag­e fand beim Angeklagte­n keinen Anklang. Also sah Richterin Ulrike Ebel-Scheufele allein die Möglichkei­t, das Verfahren auszusetze­n und dann, wenn die Anzeigener­statterin wieder vom Gericht geladen werden kann, erneut zu terminiere­n.

Beim Aussteigen wurde er schon von der Polizei erwartet

Die betroffene Frau kann erst in Monaten wieder geladen werden

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