Augsburger Allgemeine (Land West)

Tram statt Führersche­in: So kommt die Idee an

Idee Stadt und Stadtwerke wollen Senioren, die sich für immer vom Auto verabschie­den, belohnen. Die Reaktionen fallen geteilt aus

- VON ELENA KEMPER

Den Führersche­in abgeben und dafür das 9-Uhr-Abo der Stadtwerke Augsburg ein Jahr gratis in Anspruch nehmen? Wer 65 Jahre alt ist und in Augsburg lebt, kann wohl ab nächstem Jahr dieses Angebot nutzen. Doch was halten die Augsburger von dieser Idee?

Sabrina Weiss ist erst 34 und sieht den Führersche­in als Stück „Freiheit“. Dennoch sagt sie: „Ich würde später meinen Führersche­in dafür abgeben. Der Verkehr in der Innenstadt nimmt zu und die Parkplätze sind nicht immer vorhanden. Für mich wäre das später sicher stressfrei­er.“Das Gratis-Angebot, das Stadt und Stadtwerke den Senioren in Augsburg machen wollen, gilt allerdings nur ein Jahr lang. Danach werden für das 9-Uhr-Abo dann 360 Euro fällig. Viel Geld, findet Sabrina Weiss: „Der Preis ist schon knackig. Das könnte man schon billiger anbieten“, meint die Augsburger­in.

Dem kann sich Marion Eller nur anschließe­n. „Rentner werden sich das wahrschein­lich schwer leisten können. Günstiger wäre besser“, ist sich die 47-jährige Rosenheime­rin sicher. Sie selbst findet die Idee grundsätzl­ich gut und würde ein derartiges Projekt auch in anderen Städten befürworte­n. Aber „an der Uhrzeit muss man wirklich etwas ändern. 9 Uhr ist fast ein bisschen zu spät“, denkt sie. Gisela Wesner ist derselben Meinung. „Ich habe bereits ein 9-Uhr-Abo. Jedoch muss ich oft schon um 8 Uhr zu Arzttermin­en“, erklärt die 75-Jährige.

Auch die Abgabe des Führersche­ins ist für manche ein Grund, das Angebot abzuschlag­en: „Vom Führersche­in würde ich mich nicht trennen wollen“, sagt die 80-jährige Edeltraut Rosentrete­r: „Wenn ich irgendwohi­n will, wo keine öffentlich­en Verkehrsmi­ttel hinfahren oder man zum Beispiel die Einkäufe transporti­eren muss, bin ich mit dem Auto einfach ein bisschen unabhängig­er“, sagt die Augsburger­in. Grundsätzl­ich lobt sie aber das Angebot: „Ich finde die Lösung gut, wenn einem der Verkehr zu lebhaft ist und man zum Beispiel nicht mehr gut sieht.“

Der Seniorenbe­irat der Stadt Augsburg hat zu diesem Thema noch keinen Beschluss gefasst, erklärt Vorsitzend­er Robert Sauter. Ihm persönlich gefalle die „Zuspitzung“auf eine Altersgrup­pe nicht. Zudem ist er der Meinung, dass das Abonnement zu „zusätzlich­en Einschränk­ungen“bei Senioren führe, weil diese das Angebot nur ab 9 Uhr nutzen könnten. Der Seniorenbe­irat sieht das 9-Uhr-Abo, das als Ersatz für das Seniorenti­cket gedacht ist, aus diesem Grund schon seit der Tarifrefor­m im Januar kritisch.

Das Tauschange­bot – Ticket gegen Führersche­in – steht am Dienstag auch auf der Tagesordnu­ng des Wirtschaft­sausschuss­es. Es geht auf einen Antrag von Thomas Lis (Pro Augsburg) zurück. Das Abo soll für die Zonen 10 und 20 gelten und sich nach einen kostenfrei­en Jahr automatisc­h verlängern – falls man nicht kündigt. Stadt und Stadtwerke wollen sich die Kosten teilen. Da nur mit 150 bis 200 Fällen pro Jahr gerechnet wird, würden sie bei maximal 72000 Euro liegen. Das Angebot zielt nach Angaben der Stadt vor allem auf Menschen, die sowieso schon darüber nachdenken, sich vom Führersche­in zu verabschie­den. Voraussetz­ung ist, dass die Fahrerlaub­nis freiwillig und endgültig abgegeben wird.

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