Augsburger Allgemeine (Land West)
Was das Ingele beim Bierholen anstellte
Erinnerungen Ingeborg Kolonko-Gah war mit ihrem Bruder oft beim Gasthof Schuster. Dafür gab’s auch Trinkgeld. Doch dann ging sie zu weit
Neusäß „Ingele, du bist schlimmer als fünf Buben“, das hat Mutter Gertrud Geißlinger früher immer zu Ingeborg Kolonko-Gah gesagt. Die hat sich jedoch nie viel daraus gemacht. Aufgewachsen ist sie in der Mitte von Neusäß, in der Hauptstraße 2, ganz in der Nähe des Gasthauses Schuster. Erbaut worden war das Elternhaus vom Vater selbst, Architekt und Baumeister Hans Geißlinger. In ihrer frühen Kindheit durften Ingeborg Geißlinger und ihr jüngerer Bruder Hansjörg immer für ihren Opa, Stadtobersekretär Johann Friedrich Geißlinger, zur Brotzeit frisches Bier beim „Schuster“holen. Ausgestattet mit einem gläsernen, hellgrünen und bauchigen Krug mit dunkelgrünen „Warzen“und Geld ging es los, schließlich waren die Kinder ja ganz nah am Elternhaus. Die „Warzen“am Krug waren damals übrigens große Mode, erinnert sich Ingeborg Kolonko-Gah.
Beim Schuster schenkte Hedda Zorzi immer gut ein, die Kinder bezahlten und gingen. Auf den Treppenstufen nahm dann erst mal Ingeborg einen ordentlichen Schluck aus dem Krug. „Unten an den Stufen war ein Wasserhahn, ich drehte ihn auf und füllte das fehlende ’Dünnbier’ wieder auf. Mein Bruder machte nur große Augen“, erinnert sich Ingeborg Kolonko-Gah.
Zu Hause bekamen die Kinder zwei Pfennig „Trinkgeld“fürs Bierholen, das wurde aufgespart und für ein Eis beim Bäcker Leitenmeier gleich gegenüber. „Wenn am Laden ein roter Wimpel hing, wussten wir Kinder, heute gibt’s Eis. Damals bekam man für ein Zehnerle einen Bollen. Die Bäcker-Dora, eine hübsche junge Frau, nahm’s nicht so genau und da gab’s schon mal zwei Bollen. Selig gingen wir nach Hause.“
Doch auf ewig ging das so nicht gut. „Wieder mal ging’s zum Bierholen, ich hatte meinen Herrn Bruder verärgert und der hat mich prompt beim Opa verbatscht, also verpetzt, dass ich ins Bier Wasser nachfülle. Aus war der Traum vom Eis bei der Dora.“Denn außer einer gehörigen Predigt vom Opa gab’s auch kein Trinkgeld mehr. Wütend war die kleine Ingeborg freilich nur auf den Bruder.
Und noch eine Erinnerung hat Ingeborg Kolonko-Gah, die mit dem Haus Schuster zusammenhängt: Der sogenannte „Schuster-Buckel“ging bis zur ehemaligen Bahntrasse nach Ulm, dem heutigen kaum noch genutzten Gleis für Lastzüge. Bevor das Areal erst mal zum Neusässer Sportplatz wurde, war es das Winterparadies der beiden Kindern – und nicht nur von ihnen. Dort konnten sie im Winter Schlittenfahren, die Buben bauten sogar eine „Ski-Schanze“aus Holz für extravaganten Bretter von damals.