Augsburger Allgemeine (Land West)
Handys raus, die Schule fängt an!
Bildung Thannhausens Realschule nimmt als einzige Einrichtung im Landkreis Günzburg an einem Pilotprojekt teil. Lehrer erarbeiten mit Eltern und Kindern einen Plan, wie Smartphones privat in Lehranstalten genutzt werden können
Thannhausen Der Unterricht geht los. Die Schüler nehmen als Erstes ihr Handy in die Hand und wischen über die Bildschirme, versunken in die kleinen Geräte in ihren Händen. Ihr Lehrer Michael Debbage-Koller wirkt zufrieden. In seinem Unterricht dürfen Schüler bei bestimmten Stunden ihr Smartphone benutzen. Heute recherchieren die Schüler der Klasse 10 D in der Thannhauser Christoph-von-Schmid-Schule zu Parteien und anderen politischen Organisationsformen. Ihre Erkenntnisse schreiben sie auf ein großes Plakat – wie es Schüler schon vor Jahrzehnten in der Vor-Smartphone-Zeit gemacht haben.
Doch der Unterricht mit Handy ist nicht das, was die Thannhauser Realschule, die auch von Schülern aus dem Raum Fischach besucht wird, besonders macht. Besonders ist, dass Schüler dort bald zu privaten Zwecken ihr Handy nutzen können. Die Christoph-von-SchmidSchule nimmt als einzige Schule im Landkreis Günzburg und als einzige Realschule in ganz Schwaben an einem Versuch des bayerischen Kultusministeriums teil. Dabei testen ausgewählte Schulen, wie sich die private Nutzung von Handys außerhalb des Unterrichts gestalten lässt.
Bisher sind die Regeln dazu strikt: Die bayerische Schulordnung schreibt vor, dass Handys in der Schule ausgeschaltet sein müssen – es sei denn, der Lehrer erlaubt ihre Nutzung für den Unterricht. In Thannhausen soll sich das ändern. Um eine Lösung zu finden, die in der Praxis funktioniert, werden bei dem Projekt alle Seiten beteiligt – sowohl Lehrer, Eltern als auch Schüler. Der Schulleiter der Thannhauser Realschule, Marcus Langguth, treibt die Planung voran. „Bis Ende März 2019 muss die schulische Nutzungsordnung komplett fertig sein“, erklärt er. Diese Regeln gelten dann in Zukunft für die Realschule – selbst dann, wenn das Kultusministerium eine allgemeine Regel für alle Schulen aufstellt, dürfen die Projektschulen ihren erarbeiteten Regelkatalog behalten.
Die Infrastruktur für kabelloses Internet hat die Schule bereits. WLAN in den Klassenzimmern, gesichert durch einen Jugendschutzfilter. Außerdem können Lehrer nachvollziehen, welche Internetseiten besucht wurden – und bei einem Missbrauch des Schulnetzwerks den verantwortlichen Schüler über die IP-Adresse seines Smartphones ausfindig machen.
Michael Debbage-Koller hält ein gewisses Maß an Kontrolle für notwendig, räumt seinen Schülern aber auch Freiräume ein. Bei Gruppenarbeiten mit dem Handy oder einem Tablet müssen die Schüler nicht geschlossen im Klassenzimmer bleiben, sondern dürfen auch ein paar Zimmer weiter in Ruhe arbeiten. „Bei den Regeln, die wir in den kommenden Monaten aufstellen, wollen wir den Schülern mit Vertrauen entgegenkommen“, sagt er. Denn er ist sich sicher: Wenn die Schüler an den Regeln selbst mitarbeiten können, werden sie sich in Zukunft eher daran halten.“
Auch wenn Debbage-Koller engagiert mit Handy und Tablet unterrichtet, sieht er den Einsatz von Technik differenziert: „Ich hatte in meinem Beruf an anderen Schulen schon oft mit dem Thema Mobbing zu tun. Und die sozialen Medien ha- ben das noch viel schlimmer gemacht.“Durch die Netzwerke verbreiten sich Schmähungen rasend schnell und können kaum mehr eingedämmt werden. „Im schlimmsten Fall kann so etwas regelrecht das Leben eines Schülers zerstören“, sagt er. Darum sei es notwendig, die Schüler zu beaufsichtigen – aber auch, ihnen eine verantwortliche Mediennutzung beizubringen.
In den kommenden Monaten wird sich zeigen, wann und wo Schüler ihr Handy benutzen dürfen. Schulleiter Langguth könne sich vorstellen, dass zum Beispiel Schüler, die noch am Nachmittag in der Schule sind, ihre Handys auch privat nutzen dürfen. Der genaue Plan muss aber noch ausgearbeitet werden – und die Schüler haben dabei ein Wort mitzureden.