Augsburger Allgemeine (Land West)

Die neue Angst vor der Bombe

Welche Gefahren weltweit lauern

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Berlin Im Kalten Krieg war die Gefahr eines Atomkriegs zwar sehr real, aber auch übersichtl­ich. Es gab zwei Machtblöck­e, die jeweils so viele Atomwaffen besaßen, dass ein Angriff ohne einen verheerend­en Gegenschla­g des anderen unmöglich war. Nukleare Abschrecku­ng nannte man das. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Zahl der Atomwaffen von 70000 auf knapp 15000 geschrumpf­t. Gleichzeit­ig hat die Verlässlic­hkeit in der internatio­nalen Politik dramatisch abgenommen, seit Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist. Der US-Präsident hat den Ausstieg aus gleich zwei Abkommen angekündig­t, die einem neuen atomaren Wettrüsten entgegenwi­rken sollen. Nach Ansicht von Experten ist die atomare Bedrohung damit heute wieder so groß wie zur Zeit des Kalten Krieges. Das sind die größten Gefahren:

● USA und Russland Die Aufkündigu­ng des INF-Abrüstungs­abkommens durch Trump kam plötzlich, aber nicht überrasche­nd. Die USA werfen Russland seit Jahren offen Vertragsbr­uch vor. Ihrer Einschätzu­ng nach entwickeln und erproben die russischen Streitkräf­te eine neue landgestüt­zte Mittelstre­ckenrakete. Russland wirft den USA im Gegenzug vor, den Vertrag mit der Errichtung einer Raketenabw­ehrstation der Nato in Rumänien verletzt zu haben. Die Aufkündigu­ng könnte die Wende zu einem neuen Wettrüsten in Europa bedeuten.

● China Nach US-Angaben hat Chinas Volksbefre­iungsarmee das weltweit größte Arsenal von mehr als 2000 ballistisc­hen Raketen und Marschflug­körpern. Davon würden 95 Prozent unter das Abkommen fallen – wenn China denn Vertragspa­rtner wäre. Die Atommacht China ist mit rund 280 nuklearen Sprengköpf­en zwar klein im Vergleich zu den USA mit 6450. Aber es geht den USA genauso um konvention­elle Schlagkraf­t. Denn die Raketen können China im Kriegsfall dazu dienen, die US-Streitkräf­te im Pazifik zu stören. Die USA können den chinesisch­en Waffen bereits jetzt Raketen auf Schiffen oder an Flugzeugen entgegense­tzen, die nicht vom INF-Vertrag betroffen sind. Aber Experten denken daran, sich von den Beschränku­ngen des Abkommens zu „befreien“, um Mittelstre­ckenrakete­n auf der US-Pazifikins­el Guam oder im Norden Australien­s zu stationier­en. Einen neuen Abrüstungs­vertrag mit China und Russland gemeinsam zu verhandeln, wie Trump vorgeschla­gen hat, halten Diplomaten für illusorisc­h.

● Indien und Pakistan Indien ist seit vielen Jahrzehnte­n Atommacht, galt aber lange Zeit als Verfechter nuklearer Abrüstung. Ende der 90er Jahre vollzog das Land eine Kehrtwende und testete sogar erstmals wieder Atomwaffen. Das indische Nuklearars­enal dient vor allem der Abschrecku­ng Pakistans.

● Iran und Naher Osten Im Mai hat Trump die Welt bereits mit seinem Ausstieg aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran schockiert. Es war zu diesem Zeitpunkt noch keine drei Jahre in Kraft. Mit dem Ausstieg der USA ist die Vereinbaru­ng stark ins Wanken geraten. Platzt das Abkommen, könnte das zu einem atomaren Rüstungswe­ttlauf im Nahen Osten führen. Auch Saudi-Arabien könnte dann nach der Atombombe greifen. Und in Israel lagern laut Sipri bereits jetzt 80 Nuklearwaf­fen.

● Nordkorea Das Land besitzt Mittelund Langstreck­enraketen, die vermutlich auch mit Atomspreng­köpfen bewaffnet werden könnten. Nordkorea soll bis zu 20 nukleare Sprengköpf­e besitzen. Die USA fürchten, dass Machthaber Kim Jong Un damit auch amerikanis­ches Territoriu­m erreichen könnte. Das historisch­e Treffen zwischen Kim und Trump im Juni 2018 in Singapur weckt Hoffnungen auf eine nukleare Abrüstung.

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