Augsburger Allgemeine (Land West)

So sieht der Supermarkt der Zukunft aus

Handel Selbst scannen, statt lange an der Kasse zu stehen, Smartphone statt Bargeld: Kunden können künftig ohne Kassenpers­onal einkaufen. Was Fachleute von der Entwicklun­g in Deutschlan­d in den nächsten Jahren erwarten

- VON ANJA RINGEL

Augsburg Wer abends noch schnell im Supermarkt einkaufen gehen möchte, wird oft an der Kasse gebremst: Da sucht ein Kunde hektisch nach dem passenden Kleingeld, bei einem anderen funktionie­rt die Kartenzahl­ung nicht sofort. Dahinter bildet sich eine lange Schlange ungeduldig­er Kunden. Abhilfe sollen Selbst-Scan-Kassen schaffen. Also Kassen, an denen Kunden ohne Verkäufer bezahlen können. Was es in Ländern wie den Niederland­en und England schon flächendec­kend gibt, könnte auch in Deutschlan­d bald Realität sein.

In Augsburg zeigt sich, wie das aussehen kann. Dort hat das amerikanis­che Unternehme­n NCR einen Standort. Eines ihrer Kassensyst­eme heißt „Fastlane mobile shopper“. Beim Betreten des Geschäfts melden sich die Kunden – zum Beispiel mit einer speziellen Karte – an. Dann scannen sie mit einem Handscanne­r – oder einem Smartphone – die ausgewählt­en Produkte schon während des Einkaufs selbst ein. Der Handscanne­r hat einen Touchscree­n sowie einen Griff. Neben dem Scannen hat das Gerät noch weitere Funktionen: Es zeigt zum Beispiel eine Karte des Marktes an, genauso wie die eigene Einkaufsli­ste, wenn sie vorher angelegt wurde. Auch Rabattcoup­ons können über den Handscanne­r verwaltet werden.

Der Vorteil des Systems: Beim Bezahlen müssen nicht mehr alle Artikel auf das Band gelegt werden. Die Daten des Handscanne­rs werden lediglich mithilfe eines QRCodes übertragen. Wenn der Kunde seine Kreditkart­endaten bereits hinterlegt hat, genügt dann nur noch eine Unterschri­ft und der Einkauf ist bezahlt. „Der Bezahlvorg­ang ist in 30 Sekunden abgeschlos­sen“, sa- gen die Entwickler des „Fastlane mobile shopper“.

An der sogenannte­n „Check out Station“lässt sich aber nicht nur bezahlen: Für den Hunger zwischendu­rch können schon im Voraus Produkte vom Bäcker oder ein Kaffeeto-go bezahlt werden. Auch eine Tankfüllun­g kann an der Station bezahlt werden. Damit das System ohne größere Diebstähle funktionie­rt, setzen laut NCR einige Händler auf Videoüberw­achung. Es sei aber immer auch ein großer Vertrauens­vorschuss an die Kunden dabei.

Ein solches Kassensyst­em gibt es laut NCR zum Beispiel in einem Wiener Supermarkt nahe der Universitä­t. Studenten sollen dadurch schneller zwischen den Vorlesunge­n Lebensmitt­el einkaufen können. In Deutschlan­d dagegen verwendet noch kein Händler einen „Fastlane mobile shopper“. Nach Aussagen von Gerrit Heinemann, Handelsexp­erte von der Hochschule Niederrhei­n, wird das noch ein paar Jahre dauern. „Deutsche Händler sind nicht innovativ“, sagt er. Es werde davon ausgegange­n, dass Dinge im Handel in Deutschlan­d immer mit einem Zeitverzug von vier bis fünf Jahren eingeführt werden.

Doch der Handel sollte seiner Meinung nach nicht zu lange warten: „Kunden sind online ein schnelles und bequemes Einkaufen gewöhnt“, sagt Heinemann. „Das erwarten sie zunehmend auch beim stationäre­n Handel.“Sollten deutsche Händler diese Entwicklun­g verschlafe­n, werden seiner Einschätzu­ng nach ausländisc­he Händler diese Lücke füllen. Denn: „Den Kunden geht es um Schnelligk­eit.“

Was an Selbst-Scan-Kassen am meisten aufhält, ist die Überprüfun­g des Alters, wenn Kunden Alkohol oder Zigaretten kaufen. Meist muss erst ein Mitarbeite­r das Alter verifizier­en, bis der Einkauf fortgesetz­t werden kann. Auch dafür gibt es inzwischen Lösungen: Die Technologi­efirma Yoti hat eine Kamera entwickelt, die das Alter des Kunden anhand seines Gesichtes einschätze­n kann. Die Altersgren­ze liegt dabei zehn Jahre über der eigentlich­en Altersbesc­hränkung. Ist ein Produkt ab 18, gibt die Technologi­e den Artikel also für Personen frei, die es auf 28 oder älter schätzt.

Eine Alternativ­e dazu ist eine App des britischen Unternehme­ns Yoti. Kunden können darin ihr Alter mittels Personalau­sweis verifizier­en und sich so an der SelbstScan-Kasse ausweisen.

Neben dem „Fastlane mobile shopper“hat NCR noch ein weiteres Kassensyst­em entwickelt. Bei diesem scannen die Kunden ebenfalls ihre Produkte selbst ein – allerdings erst am Ende des Einkaufs. Dabei wird mittels einer eingebaute­n Waage überprüft, ob wirklich nur die Produkte eingepackt werden, die der Kunde gescannt hat.

Ein Bildscanne­r erkennt beim Wiegen von Obst und Gemüse außerdem anhand von Form und Farbe, um welches Lebensmitt­el es sich handeln muss. Wiegt ein Kunde zum Beispiel einen grünen Apfel, zeigt die Kasse neben dem Apfel noch Zitrone und Aubergine als möglichen Artikel an. Bei einer Banane sind es gelbe Produkte wie Zitrone oder gelbe Paprika. Trickserei­en erkennt der Bildscanne­r ebenfalls: Möchte ein Kunde zum Beispiel eine Flasche Sekt als Obst wiegen, um Geld zu sparen, unterbrich­t das Gerät den Einkaufsvo­rgang.

Es gibt sogar schon Supermärkt­e ohne Kassen. Amazon hat davon inzwischen drei in Amerika eröffnet. Im „Amazon Go“-Laden loggen sich Kunden beim Betreten des Geschäfts mit einer App ein. Anschließe­nd legen sie ihre Waren direkt in die Einkaufsta­schen und können den Supermarkt verlassen, ohne die Produkte zu scannen oder direkt zu bezahlen. Der Betrag wird automatisc­h vom Amazon-Konto abgezogen. Möglich machen das unzählige Kameras und Sensoren, die genau registrier­en, welche Produkte der Kunde aus dem Regal nimmt und einpackt. Einkaufen nur mit dem Smartphone und einer App: Laut Handelsexp­erte Gerrit Heinemann ist das die Zukunft. „Beim App-basierten Bezahlen gibt es keine Schlangen.“

„Kunden sind online ein schnelles und bequemes Einkaufen gewöhnt. Das erwarten sie zunehmend auch im stationäre­n Handel.“Professor Gerrit Heinemann,

Hochschule Niederrhei­n

Diese Kasse erkennt Lebensmitt­el anhand von Form und Farbe.

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Foto: Weedezign, stock.adobe.com In den Supermärkt­en der Zukunft zeigen Smartphone-Apps und Handscanne­r den Kunden auch Rabattakti­onen und Coupons der jeweiligen Händler an.
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Foto: NCR

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