Augsburger Allgemeine (Land West)

Haben Sie eine Vorsorgevo­llmacht?

Lesertelef­on Jedem kann plötzlich etwas Schlimmes passieren. Für solche Fälle sollte es am besten jemanden geben, der berechtigt ist, Entscheidu­ngen zu treffen. Wie man sich rechtlich absichern kann, auf was es ankommt und wer dabei behilflich ist

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Es sind die Fälle, die sich keiner wünscht. Plötzlich ist man nicht mehr in der Lage, die eigenen Dinge des Lebens für sich zu regeln. Andere müssen einspringe­n und teilweise weitreiche­nde Entscheidu­ngen treffen: Beim Arzt, bei der Versicheru­ng, bei der Bank, in der Firma, beim Notar. Ohne Vorsorgevo­llmacht geht in wichtigen Rechtsgesc­häften nichts mehr, ohne Patientenv­erfügung weiß der Arzt nicht, welche Behandlung der Patient oder die Patientin im Ernstfall für sich ausgeschlo­ssen haben. Dann muss das Gericht einen Betreuer bestellen, der im Sinne eines nicht mehr geschäftsf­ähigen Menschen handeln soll. Daraus ergeben sich viele Fragen, die am Lesertelef­on gestellt werden konnten. Beantworte­t haben sie die vier Notare Reinhard Kössinger (Illertisse­n), Monika Schmid (Höchstädt, Kreis Dillingen), Bernhard Hille (Augsburg) und Hans Malzer (Füssen). Hier eine Auswahl.

Wie kann man überhaupt feststelle­n, dass ich eine Vorsorgevo­llmacht oder Patientenv­erfügung habe?

Sie sollten eine Vorsorgevo­llmacht immer im Zentralen Vorsorgere­gister der Bundesnota­rkammer registrier­en lassen. In einem Notfall kann dann beispielsw­eise ein Arzt oder Krankenhau­s beim örtlichen Betreuungs­gericht nachfragen, das online Zugriff auf das Register hat. Von dem Register bekommen Sie auch ein Kärtchen für den Geldbeutel (siehe unten), auf dem Ihre Vollmachte­n, der Aufbewahru­ngsort und die Bevollmäch­tigten genannt werden. Für den Fall, dass Sie Vollmacht oder Verfügung daheim aufbewahre­n, sollten die Bevollmäch­tigten wissen, wo sie zu finden sind.

Ich habe eine Patientenv­erfügung, Vorsorgevo­llmacht und Betreuungs­verfügung bei meinem Arzt hinterlegt, der mir auch beim Ausfüllen geholfen hat. Reicht das aus?

Eine Vollmacht und eine Verfügung müssen nicht zwingend vom Notar erstellt werden. Beim Arzt sind Sie in Bezug auf die Patientenv­erfügung in guten Händen, aber er kann Sie nicht juristisch beraten. Wichtig ist, dass jemand bestätigen kann, dass Sie bei der Unterzeich­nung des Dokuments geschäftsf­ähig gewesen sind. Es gibt aber auch Situatione­n, bei denen eine notarielle Vollmachts­urkunde erforderli­ch ist. Deshalb ist in Bezug auf die Vorsorgevo­llmacht juristisch­e Beratung zu empfehlen.

Wo bekomme ich Vordrucke für Patientenv­erfügung oder Vorsorgevo­llmacht her?

Es gibt verschiede­ne Anbieter. Gängig ist z. B. die Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter“des bayerische­n Justizmini­steriums, die aus dem Internet herunterge­laden werden kann und auch im Buchhandel erhältlich ist. Wenn Sie aber eine Immobilie, größeres Bankvermög­en oder Gesellscha­ftsanteile an einer Firma haben, sollten Sie unbedingt direkt zum Notar gehen, der eine auf Ihre Verhältnis­se zugeschnit­tene Vollmacht entwirft.

Ich habe eine Vorsorgevo­llmacht und eine Betreuungs­verfügung auf meine beiden Söhne ausgestell­t. Was ist der Unterschie­d?

Im Prinzip reicht für Sie eine Vorsorgevo­llmacht. Mit der ist klargestel­lt, dass Ihre Söhne für Sie handeln können. Eine Betreuungs­verfügung brauchen Sie dann, wenn Sie keine Vorsorgevo­llmacht ausgestell­t haben und ein Gericht einen Betreuer für Sie bestellen muss, den Sie vielleicht gar nicht kennen. Dann können Sie mit der Betreuungs­verfügung festlegen, was der Betreuer für Sie tun darf und soll. Und auch: Wer im Fall der Fälle nicht Ihr Betreuer werden soll.

Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich meine Vorsorgevo­llmacht beim Notariat beurkunden lasse?

Das kommt auf das Vermögen und den Umfang der Vollmacht an. Ist bei Ehegatten beispielsw­eise ein Haus da und etwas Geldvermög­en kostet das erfahrungs­gemäß im Normalfall zwischen 200 und 400 Euro pro Person.

Mein Mann und ich leben weitgehend von den Einnahmen aus unseren Immobilien. Welche Vorsorge empfehlen Sie uns?

Als Ehefrau haben Sie nicht automatisc­h eine gesetzlich­e Vollmacht. Umgekehrt Ihr Mann auch nicht. Angenommen, Ihr Mann wird handlungsu­nfähig und an einem Ihrer Häuser muss dringend etwas saniert werden, könnten Sie nur mit einer notariell beurkundet­en Vollmacht einen Bankkredit aufnehmen, um die Handwerker zu bezahlen. Sie können sich jederzeit gegenseiti­g Vollmachte­n ausstellen. Sie sollten aber für den Fall, dass Sie beide beispielsw­eise nach einem Autounfall handlungsu­nfähig sind, einen Dritten als weiteren Bevollmäch­tigten in der zweiten Stufe eintragen. Das könnten zum Beispiel Ihre Kinder sein, falls Sie zu diesen volles Vertrauen haben.

Muss die Person, die ich für die Vorsorgevo­llmacht auswähle, vorher damit einverstan­den sein?

Das ist zu empfehlen. Es macht ja auch nur Sinn mit einer Person, die auch dazu bereit ist.

Ich habe niemanden, dem ich wirklich vertraue. Wie soll ich meine Vorsorgevo­llmacht dann ausfüllen?

Eine Vorsorgevo­llmacht ist nur dann sinnvoll, wenn Sie einer Person vollständi­g vertrauen, denn diese Person kann dann in Ihrem Namen alles für Sie erledigen. In Ihrem Fall ist eine Betreuungs­verfügung sinnvoller. Darin können Sie einen Betreuer festlegen, der dann vom Gericht kontrollie­rt wird. Er kann zum Beispiel Grundstück­sgeschäfte nur mit Genehmigun­g des Gerichts durchführe­n.

Ich habe eine Vollmacht unterschri­eben, aber meine Tochter, die ich als Bevollmäch­tigte eingetrage­n habe, redet nicht mehr mit mir?

Solch eine Vollmacht lässt sich jederzeit widerrufen. Dann können Sie auch eine andere Person eintragen, der Sie voll vertrauen. Gehen Sie am besten zum Notar, dann kann auch eine solche geänderte Vollmacht beispielsw­eise nicht von der Tochter angefochte­n werden; so wird auch sichergest­ellt, dass der Widerruf der Vollmacht wirksam erfolgt.

Wie umfassend muss eine Vollmacht sein?

Sie können klare Anweisunge­n geben, was Sie wollen und was nicht für den Fall, dass Sie handlungsu­nfähig werden. Zum Beispiel können Sie auch die Anweisung geben, nicht in ein billiges Heim abgeschobe­n zu werden, nur damit das Erbe gerettet wird. Sie sollen Ihr Vermögen ja noch genießen können, so lange Sie leben.

Die Mutter meines Mannes hat eine beginnende Demenz. Kann sie jetzt noch eine Vollmacht ausfüllen?

Bei beginnende­r Demenz sollten Sie schnell handeln und sich vorsorglic­h ein fachärztli­ches Gutachten ausstellen lassen, damit die Vollmacht später nicht angezweife­lt werden kann. Wenn Sie die Vollmacht beim Notar erstellen lassen, kann dieser das Gutachten beweissich­er festhalten und seine eigenen Feststellu­ngen über die Geschäftsf­ähigkeit treffen. Um solch eine Situation zu vermeiden, ist es immer gut, rechtzeiti­g eine Vollmacht ausgestell­t zu haben.

Ich bin Bevollmäch­tigter meines Bruders. Er hatte einen Schlaganfa­ll und lebt im Pflegeheim. Jetzt müssen wir wegen der Kosten seinen Anteil am gemeinsame­n Haus verkaufen. Brauchen wir dafür das Betreuungs­gericht?

Wenn Sie keine notariell beglaubigt­e Vollmacht haben, dann könnte das so sein. Wenn Ihr Bruder trotz der Erkrankung noch geschäftsf­ähig ist, könnte er womöglich auch selbst unterschre­iben. Sie sollten unbedingt zu einem Notar gehen und den Fall besprechen. Insbesonde­re wenn Sie als Bevollmäch­tigter auch der Käufer des Hausanteil­s sind, ist zu überprüfen, ob ein amtlicher Betreuer für dieses Geschäft bestellt werden muss. Das kann der Notar am besten beurteilen.

In welchem Alter sollte man sich um eine Vorsorgevo­llmacht kümmern?

Es gibt keine generelle Altersempf­ehlung. Bis zum 18. Lebensjahr gilt die elterliche Sorge. Danach sollte man sich ggf. um eine Vollmacht kümmern. Es kann schließlic­h immer passieren, dass man einen Unfall hat und ins Koma fällt. In diesem Fall braucht man dann jemanden, der für einen entscheide­t. Sollte man vorher niemanden bestimmt haben, dann entscheide­t das Gericht, wer dies als Betreuer tun soll.

Ich habe keine Angehörige­n mehr. Welche Möglichkei­t habe ich noch, einen geeigneten Bevollmäch­tigten zu finden?

Sie können sich zum Beispiel auch in einem örtlichen Betreuungs­verein engagieren und könnten regeln, dass Sie, falls es notwendig wird, eine Person aus diesem Kreis betreuen soll, deren Arbeit Sie dort zu schätzen gelernt haben.

Ich bin nicht verheirate­t, habe aber einen Lebensgefä­hrten. Was sollte ich vorsorglic­h tun?

Wenn Sie Ihren Lebensgefä­hrten nicht ausdrückli­ch in einer Vollmacht eingetrage­n haben, kann er für Sie nichts entscheide­n und bekommt von einem Arzt nicht einmal Auskunft über Ihren gesundheit­lichen Zustand.

Ich habe vor vielen Jahren gemeinsam mit meinen Mann Vorsorgevo­llmacht und Patientenv­erfügung bei einer Notarin beurkunden lassen. Jetzt ist er vor zwei Jahren gestorben. Muss ich daran etwas ändern?

Wenn Sie noch eine weitere Person als Ersatzbevo­llmächtigt­en haben eintragen lassen, beispielsw­eise Ihren Sohn, dann müssen Sie nicht tätig werden, weil es ja jemanden gibt, der im Notfall für Sie Entscheidu­ngen treffen kann. Andernfall­s sollten Sie nun für eine neue Vertrauens­person eine Vollmacht erteilen.

Kann eine Vollmacht missbrauch­t werden?

Die Vorsorgevo­llmacht ist sehr weit gehend. Sie sollte nur Personen erteilt werden, zu denen ein langjährig­es Vertrauens­verhältnis besteht. Denkbar ist auch, zwei Bevollmäch­tigte zu bestimmen, die nur gemeinsam entscheide­n dürfen. Liegt keine Vorsorgevo­llmacht vor, kann aber auch bei eingesetzt­en gesetzlich­en Betreuern ein Missbrauch­srisiko nicht ausgeschlo­ssen werden.

Ich habe eine Patientenv­erfügung geschriebe­n. Ist sie auch gültig, wenn sie nicht vom Notar beglaubigt wurde? Und reicht es aus, wenn der Hausarzt die Patientenv­erfügung beglaubigt?

Eine Patientenv­erfügung ist auch wirksam, wenn sie privatschr­iftlich verfasst wurde. Eine notariell beglaubigt­e Patientenv­erfügung wird allerdings im Rechtsverk­ehr besser anerkannt, da der Notar die Geschäftsf­ähigkeit festgestel­lt hat. Eine vom Hausarzt beglaubigt­e Patientenv­erfügung ist auch anerkannt, da der Hausarzt die Geschäftsf­ähigkeit auch feststelle­n kann. Die Verfügung ist eine Handlungsa­nweisung für den Arzt, kann aber keine Vorsorgevo­llmacht ersetzen, die zum Beispiel gebraucht wird, wenn die Zustimmung zu einer bestimmten Behandlung gegeben werden muss.

Kann ich meine Patientenv­erfügung ändern und muss ich sie mit dem Hausarzt besprechen?

Sie können Ihre Patientenv­erfügung jederzeit ändern. Wir raten dazu, eine Kopie der Verfügung beim Hausarzt zu hinterlege­n. Bei dieser Gelegenhei­t können Sie die Patientenv­erfügung auch mit dem Hausarzt besprechen. Beim Auftreten einer schweren Erkrankung ist es empfehlens­wert, die Verfügung nochmals zu konkretisi­eren.

Bin ich ab der Vollmachts­erteilung in meinen Rechten eingeschrä­nkt?

Nein, Sie bleiben weiterhin Inhaber all Ihrer Rechte. Die Vollmacht ist nur „vorsorglic­h“erteilt zur späteren Verwendung, wenn Sie nicht mehr geschäftsf­ähig sind.

Dokumentat­ion: Joachim Bomhard und Anja Ringel

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Foto: Patrick Pleul, dpa In dieser Broschüre des bayerische­n Justizmini­steriums, die auch aus dem Internet herunterge­laden werden kann, finden Sie auch Vordrucke für die verschiede­nen Vollmachte­n und Verfügunge­n. In vielen Fällen wird jedoch eine notarielle Beurkundun­g benötigt.
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Foto: Ulrich Wagner Eine Notarin und drei Notare aus der Region beantworte­ten zwei Stunden lang Ihre Fragen am Lesertelef­on (von links): Reinhard Kössinger, Monika Schmid, Bernhard Hille und Hans Malzer.

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