Augsburger Allgemeine (Land West)

„Irgendwann war ich ein bayerische­r Türke“

Interview Hasan Senyuva wurde vor kurzem zum Vorsitzend­en von Türkspor Augsburg gewählt. Dessen Fußballer treten in der Landesliga Südwest an. Ein Gespräch über seinen Klub, Integratio­n und Fremdenfei­ndlichkeit

- Interview: Wolfgang Langner

Sie wurden vor kurzem zum Vorsitzend­es von Türkspor Augsburg gewählt und stehen an der Spitze des Vereins. Zuvor waren Sie zweiter Abteilungs­leiter. Was ändert sich für Sie? Senyuva: (lacht) Eigentlich nichts. Das Mädchen für alles war ich auch schon vorher. Nein, es ist natürlich so, dass ich für den Gesamtabla­uf zuständig bin. Das sind vor allem Dinge im verwaltung­stechnisch­en Bereich. Als Vorstand kann ich jetzt auch Dinge alleine entscheide­n.

Hat Türkspor noch andere Abteilunge­n außer Fußball?

Senyuva: Nein, nur Fußball. Wir haben derzeit 125 Mitglieder und sind seit 1972 eingetrage­ner Verein.

Wie schwierig ist es als türkischer Fußball-Verein in einer deutschen Stadt? Senyuva: Zunächst sehe ich einmal keine Nachteile. Es ist nur so, dass in der Öffentlich­keit oft gesagt wird, dass wir im Geld schwimmen und Spieler holen, die wir überdurchs­chnittlich bezahlen. Aber viele kennen öfter die Hintergrün­de nicht. Manchmal werden wir wie eine Söldnertru­ppe dargestell­t.

Mit Mustapha Salifou haben Sie einen Spieler in den Reihen, der 66 Länderspie­le für Togo absolviert hat. Senyuva: Damals als er mit dem Nationalte­am in Togo in einem Bus gesessen ist, wurde dieser Bus von Seperatist­en beschossen. Da gab es sogar Tote. Das hat er miterlebt und ist glücklich mit dem Leben davongekom­men. Salifou ist dann zunächst zu Aston Villa gegangen, aber diese Sache hat ihn immer belastet und darunter hat seine Leistung gelitten. Dann ist er von England nach Frankreich und von Frankreich nach Deutschlan­d. Und nirgends hat es mehr funktionie­rt.

Dann kam er nach Augsburg … Senyuva: Ja, vor drei Jahren stand er bei uns auf dem Trainingsp­latz. Wir waren überzeugt, dass er nicht lange bei uns bleibt. Wir haben seine spielerisc­hen Qualitäten gesehen. Mittlerwei­le will er gar nicht mehr weg, und das muss ja einen Grund haben.

Der Spieler muss ja von was leben? Senyuva: Natürlich, aber das können wir ja als Verein nicht bezahlen. Da gibt es dann private Geschäftsl­eute, aushelfen. Das ist bei anderen Amateurver­einen auch nicht anders. Es gibt keinen Amateurklu­b in Deutschlan­d, der sich einen namhaften Spieler leisten kann, wenn der Verein keine Geschäftsl­eute als Sponsoren in der Hinterhand hat.

Ihr Trainer Serdar Dayat hat schon Erstligist­en in der Türkei oder Holland trainiert …

Senyuva: Herr Dayat hat die ProLizenz, mit der er jeden Verein auf der Welt trainieren könnte. Die hat er auf der Sportschul­e Köln erworben. Dass er bei uns ist, ist auch eher zufällig.

Warum?

Senyuva: Herr Dayat hat viele Jahre München gelebt und dort ein Transportu­nternehmen geleitet. Unter Thomas Doll war er Co-Trainer bei Genclerbir­ligi in der Türkei. Allerdings war er zuletzt ohne Job. Als uns in dieser Saison Herbert Wiest verlassen hat, hat er gesagt, er schaut sich das mal bei uns an. Wir hätten nie gedacht, dass unsere Mannschaft von so einem Mann trainiert wird. Wir können auch nicht sagen, wie lange er bleibt. Er hat von uns die Zusage, dass er bei einem höherklass­igen Angebot gehen darf. Dieses Risiko sind wir eingegange­n.

Hat ihr Verein mit Fremdenfei­ndlichkeit zu kämpfen?

Senyuva: Fremdenfei­ndlichkeit didie rekt kann ich nicht sagen, aber es gibt Dinge zu bemängeln. Das habe ich auch bei der Spielgrupp­entagung gesagt. Klubs und Funktionär­e müssen was dazutun. Bei uns steht Abteilungs­leiter Adem Gürbüz vor der Gästekabin­e und begrüßt das Team und die Funktionär­e. Wenn wir auswärts antreten, dann ist das nicht so. Ab und zu gibt es Anfeindung­en, aber da sind die Funktionär­e gefragt. Es sind doch immer fast die gleichen 100 oder 150 Zuschauer und denen sage ich halt einmal, dass es egal ist, ob man schwarz, hell oder dunkel ist. Bleibt einfach fair!

Wie steht es bei Türkspor mit der Integratio­n.

Senyuva: Wir sind eine Multikulti­in Truppe mit Spielern aus Kroatien, Sambia, Amerika, Togo, Senegal, Deutschlan­d oder der Türkei. Die fühlen sich bei uns wohler, weil bei uns die Integratio­n vorgelebt wird. Wir haben schon ein Turnier gegen Rassismus veranstalt­et, dafür bekamen wir von der Stadt und von Oberbürger­meister Kurt Gribl viel Lob.

Sie leben schon lange in Augsburg. Senyuva: Ich kam im Alter von zwölf Jahren im Jahr 1967 nach Augsburg. Später hab ich dann in der Landesliga beim TSV Pfersee gespielt.

Wie war es damals als Türke in Augsburg?

Senyuva: Als Ausländerk­ind war ich sofort einer, der dazugehöre­n durfte. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass ich bevorzugt behandelt wurde. Ich hatte nicht im Ansatz Schwierigk­eiten und irgendwann war ich bayerische­r Türke.

In der Tabelle steht Türkspor in der Landesliga auf Platz drei. Wäre ein Aufstieg ein Problem?

Senyuva: Von der Qualität der Spieler wäre das kein großes Problem, aber es gibt mehr Auflagen. Wir müssten dann eine U21 und eine Jugendmann­schaft haben und von unten etwas aufbauen. Das wäre momentan für uns kaum zu realisiere­n. Da braucht man wieder ausgebilde­te Trainer und das kostet Geld.

Haben Sie keine Jugendmann­schaft? Senyuva: Doch, allerdings nur eine, und die ist in einer Spielgemei­nschaft mit der TSG Hochzoll.

Die Vorrunde ist beendet. Ihre Mannschaft erwartet zum Rückrunden­auftakt am Sonntag (15 Uhr) Oberweiker­tshofen. Was erwarten Sie sich von ihrer Mannschaft?

Senyuva: Ich halte mich raus, was sportliche Prognosen anbelangt. Unseren Trainer interessie­rt nicht, wie der Gegner heißt. Der will vor allem Stabilität in die Mannschaft bekommen. Auch wenn wir zuletzt neun Spiele in Folge nicht verloren haben, fehlt noch einiges. Aber das weiß unser Trainer am besten. Nur mit Hacke und Spitze funktionie­rt das nicht.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Hasan Senyuva kam als kleiner Junge nach Augsburg. Für den Landesligi­sten Türkspor Augsburg war er lange Zeit Mädchen für alles, jetzt steht er an der Spitze des Vereins.
Foto: Klaus Rainer Krieger Hasan Senyuva kam als kleiner Junge nach Augsburg. Für den Landesligi­sten Türkspor Augsburg war er lange Zeit Mädchen für alles, jetzt steht er an der Spitze des Vereins.

Newspapers in German

Newspapers from Germany