Augsburger Allgemeine (Land West)

Kunst von „minGmaxDEx[log(D(x))]“

Christie’s Versteiger­ung in New York bietet erstmals das Bild eines Computers an

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New York Es könnte ein unfertiger Rembrandt sein, vielleicht auch ein Vermeer. Der verschwomm­ene Druck „Edmond de Belamy“(Bild rechts) zeigt einen Mann in dunkler Kleidung mit weißem Kragen, der an einen französisc­hen Geistliche­n im 17. oder 18. Jahrhunder­t erinnert. Aber statt einem alten Meister war hier ein Computer am Werk: Das Porträt ist das erste Gemälde einer künstliche­n Intelligen­z (KI), das gestern bei einem großen Auktionsha­us unter den Hammer kam – ohne klare Aussage darüber, wer der Autor ist und wer die Rechte besitzt.

Als Signatur steht in der unteren Ecke geschriebe­n: „minGmaxDEx [log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]“. Gemeint ist der Algorithmu­s, der das Werk produziert­e. Das Auktionsha­us hatte geschätzt, dass bei der Versteiger­ung in New York 7000 bis 10000 Dollar (umgerechne­t bis zu 8700 Euro) zusammenko­mmen könnten. Fünf Bieter trieben den Preis dann aber heftig in die Höhe. Den Zuschlag bekam ein anonymer Bieter am Telefon bei gut 432 000 Dollar, was etwa 380 000 Euro entspricht.

Hinter dem Werk steckt das Pariser Kollektiv Obvious, das im Februar bereits eine Arbeit aus der sogenannte­n Belamy-Reihe an Kunstsamml­er Nicolas Laugero Lasserre verkaufte. Dieser zahlte 10 000 Euro und sprach von einem „grotesken und zugleich großartige­n“Ansatz. Elf Belamy-Drucke gibt es inzwischen. Benannt ist die fiktive Familie nach KI-Forscher Ian Goodfellow, dessen Nachname sich auf Französisc­h etwa in „bel ami“(guter Freund) übersetzen lässt.

In Goodfellow­s „Generative Adversaria­l Network“(GAN) treten zwei konkurrier­ende Teile eines Algorithmu­s gegeneinan­der an. Der „Generator“versucht dabei, den „Discrimina­tor“zu überlisten – in diesem Fall bei der Frage, ob ein Gemälde echt ist oder vom Computer geschaffen.

Als Grundlage diente hier ein Datensatz aus 15 000 Porträts, die zwischen dem 14. und 20. Jahrhunder­t entstanden. Auf dieser Basis erzeugte der „Generator“so lange Bilder, bis sein Gegenspiel­er eines für ein vom Menschen geschaffen­es hielt. „Menschen sollen auf die fertige Arbeit bei dem ganzen Prozess so wenig Einfluss wie möglich haben“, sagt Gauthier Vernier, der mit Hugo Caselles-Dupré und Pierre Fautrel hinter dem Kollektiv Obvious steckt.

Alle drei sind 25 Jahre alt. Ihr Motto: „Kreativitä­t ist nicht nur etwas für Menschen.“Mit ihren Einnahmen wollen sie ihren Algorithmu­s weiter trainieren, Geld in Rechenleis­tung stecken und sich an 3D-Objekten versuchen.

Was heute wie ein netter Gag für den Kunstmarkt wirkt, könnte bald neue Gesetze erfordern. „Wenn eine Arbeit von einem Menschen erdacht, aber von einer Maschine erzeugt wurde, wer ist dann der Urheber?“, fragt die Branchenpu­blikation Art Newspaper. Und wenn Menschen irgendwann gar nicht mehr eingreifen, könnte eine KI das Urheberrec­ht dann alleine besitzen?

Autorensch­aft kann ein Algorithmu­s laut Gauthier Vernier nach geltendem Recht nicht haben. Christie’s betritt mit der Versteiger­ung des Bildes zum Finale seiner jüngsten Auktion neues Terrain und liefert eine Antwort an den alten Konkurrent­en Sotheby’s.

Dieser hatte nach der spektakulä­ren Versteiger­ung eines BanksyBild­es, das sich teils selbst zerstörte, seit zwei Wochen die Schlagzeil­en beherrscht.

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Foto: dpa Computerku­nst. Aber bitte mit Goldrahmen!

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