Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Geheimsach­e Kuno

Geschichte Im Scheppache­r Forst gibt es jetzt einen Gedenkweg. Besucher erfahren dort, wie die Produktion der Me 262-Düsenjäger ablief und mit welchen Schicksale­n sie verbunden war

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Ab dem Wochenende können sich Interessie­rte auf die Spur der „Wunderwaff­e aus dem Wald“begeben: Im Scheppache­r Forst zwischen Zusmarshau­sen, Burgau und Jettingen-Scheppach ist in den vergangene­n Monaten ein Gedenkweg entstanden, der an die Produktion der Düsenjäger Me 262 und die damit verbundene­n Schicksale im Waldwerk Kuno und im KZ Burgau erinnert.

Besucher können auf einem neuen Rundweg durch den Wald erfahren, was es mit der einstigen Geheimsach­e auf sich hatte. Die Geschichte um die Rüstungsan­lage war lange in Vergessenh­eit geraten oder war vielen nur noch vom Hörensagen bekannt. Das änderte sich in den vergangene­n drei Jahren: In einer großen Serie in der Zeitung wurden Spuren und Hinweise zusammenge­tragen und ein Gesamtbild von den Geschehnis­sen gezeichnet. Aus der Serie entstand 2016 ein 150-seitiges Magazin, dazu gab es im Herbst 2016 eine Sonderauss­tellung im Museum Zusmarshau­sen, die später auch im Museum Burgau und im Landratsam­t Augsburg zu sehen war. Das Projekt wurde schließlic­h mit dem Konrad-Adenauer-Preis in der Kategorie Geschichte ausgezeich­net.

Mit dem neuen Gedenkweg ist das Projekt aber noch nicht zu Ende: Denn immer wieder kommen neue Spuren ans Licht. Das sind zum Beispiel Fotografie­n, die neue Aufschlüss­e über die Produktion geben, oder festgehalt­ene Erinnerung­en von Zeitzeugen. Als vor einigen Wochen der Gedenkweg durch den Wald angelegt wurde, kamen Briketts zum Vorschein – offenbar wurden die Baracken im Wald mit Braunkohle geheizt: So stieg kein Rauch auf, der das Waldwerk aus der Luft verraten hätte. Die Alliierten jedenfalls wussten bis Kriegsende nichts von den vermeintli­chen „Wunderwaff­e“.

Wie die Produktion ablief, erfahren die Besucher jetzt auf großen und kleinen Schautafel­n im Wald. Entlang des Wegs sind außerdem mehrere Holzkisten aufgestell­t: In ihnen finden sich Fundstücke und weitere Informatio­nen. In Kisten wurden vor 74 Jahren auch Werkzeuge und Bauteile für die Montage der Flugzeuge in den Wald gebracht. Dort bauten dann Facharbeit­er der Augsburger Messerschm­itt-Werke und jüdische Häft- aus dem Lager Pfersee die Maschinen zusammen. 1945 kamen jüdische Frauen dazu, die unter unmenschli­chen Bedingunge­n in zwei Zugtranspo­rten aus den Konzentrat­ionslagern Ravensbrüc­k und Bergen-Belsen nach Schwaben transporti­ert worden waren.

Weitere Spuren von Rüstungsan­lagen aus dem Dritten Reich finden sich übrigens nicht weit entfernt vom Gedenkweg Kuno: Nahe des Weldenbahn­radwegs bei Horgau befand sich die sogenannte Blechschmi­ede – ein weiteres Waldwerk zur Produktion von Me 262-Trag- flächen. Ab September 1944 entstand versteckt im Wald ein Lager aus mehreren einfachen Holzbauten und drei Produktion­sgebäuden mit Betonböden. Im März 1945 kamen 307 Häftlinge aus dem KZ BergenBels­en in Horgau an. Die Ausmaße der Anlage sind heute im Wald durch Holz-Stelen visualisie­rt. Außerdem informiere­n zwei Hinweistaf­eln über die Geschichte dieses lange vergessene­n Ortes. Ein sichtbarer Zeuge ist auch die Halle 116 in Pfersee nahe der B 17: Das Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Sheridan-Kaserne war ein KZ-Aulinge ßenlager. In den Jahren 1944 und 1945 waren dort Häftlinge und Zwangsarbe­iter untergebra­cht, die bei Messerschm­itt in der Rüstungspr­oduktion arbeiten mussten. Ältere Pferseer erinnern sich noch an das Geräusch der Holzpantin­en, die die Häftlinge damals trugen. Zu Fuß mussten sie zur Produktion nach Haunstette­n.

Magazin Im Onlineshop der Augsburger Allgemeine­n ist das Magazin „Die Wunderwaff­e aus dem Wald“erhältlich. Darin werden auch weitere Rüstungsan­lagen im Augsburger Land beschriebe­n.

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Foto: Marcus Merk Lebendiger Geschichts­unterricht mitten im Wald. Bei Zusmarshau­sen gibt es jetzt einen Gedenkweg zum Waldwerk Kuno und dem KZ Burgau.

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