Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach Übergriff: Wie gut sollen Schulen gesichert werden?

Kriminalit­ät Die Kreisvorsi­tzende des Lehrerverb­ands hält es für falsch, Schulgebäu­de zu kleinen Festungen auszubauen

- VON JÖRG HEINZLE

Bei der Polizei ist man froh, dass der Tatverdäch­tige sofort gefasst wurde. Dass es einem körperlich fitten Lehrer aus dem Kollegium gelang, den Mann zu überwältig­en und festzuhalt­en. Nur deshalb wurde der 21-Jährige nach Ansicht der Ermittler daran gehindert, die neunjährig­e Schülerin auf einer Toilette der Wittelsbac­her Grundschul­e zu vergewalti­gen. Und nur deshalb muss nun auch niemand Angst haben, dass ein möglicherw­eise gefährlich­er Täter, der Kindern in der Schule auflauert, auf freiem Fuß ist.

In München war das so im Jahr 2001. Damals wurde ein siebenjähr­iges Mädchen an einer katholisch­en Mädchensch­ule auf einer Toilette vergewalti­gt und beinahe vom Täter erwürgt. Der Mann konnte flüchten. Eine Sonderkomm­ission wurde eingesetzt. Überführt wurde der damals 19-jährige Täter allerdings erst rund zweieinhal­b Monate später. Er vergewalti­gte in einer Gaststätte­nToilette eine Frau. Das Opfer konnte den Mann anhand eines Fotos identifizi­eren. DNA-Spuren belegten dann, dass er auch für die Tat in der Schule verantwort­lich war.

Damals gab es eine intensive Debatte um die Sicherheit an den Schulen. Die Debatte wird nach dem Augsburger Fall auch geführt, aber angesichts der sofortigen Festnahme des Tatverdäch­tigen ist sie weniger brisant. Nicht nur unter Eltern, sondern auch unter Lehrern wird über die Frage gesprochen, ob der Zugang zu Schulen besser kontrollie­rt werden muss. Gabriele Schneid ist die Augsburger Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Lehrerinne­n- und Lehrerverb­ands (BLLV). Sie sagt: „Es ist in den vergangene­n Jahren schon viel umgesetzt worden.“Sie hält es für richtig, dass jede Schule ihr eigenes Sicherheit­skonzept erarbeitet und die Regeln nicht einfach von oben übergestül­pt werden. An vielen Schulen sei es üblich, die Eingänge nach Unterricht­sbeginn zu verschließ­en. Schüler seien angehalten, vor allem in den Pausen auf die Toilette zu gehen, wenn ohnehin mehr los ist. Lehrer und Schüler sollten fremde Personen ansprechen oder melden.

Die Schulen dagegen zu kleinen Festungen auszubauen, mit Sicherheit­sleuten und Videoüberw­achung, davon hält Gabriele Schneid nicht viel. „Wir müssen uns fragen, ob wir das wirklich wollen“, sagt sie. Gerade in den Zeiten vor und nach dem Schulbegin­n, wenn die Schüler kommen und gehen, sei eine solch strenge Kontrolle auch eher „realitätsf­remd“. Jeder einzelne Fall sei furchtbar, sagt die BLLV-Kreisvorsi­tzende. Sie könne aber keine Entwicklun­g wahrnehmen, dass es für die Schüler generell gefährlich­er geworden sei und man an den Schulen deshalb dringend reagieren müsse.

So sieht es auch die Polizei. Einen ähnlichen Fall wie der vom Dienstagmi­ttag an der Wittelsbac­her Grundschul­e habe es in Augsburg seit vielen Jahren nicht gegeben. Die Kinder könnten sich an den Schulen sicher fühlen, so ein Polizeispr­echer. Der 21-jährige Verdächtig­e – ein aus Polen stammender Mann, der im Kreis Augsburg wohnte – bleibt wohl bis zu einem Prozessbeg­inn in Untersuchu­ngshaft. Mit den Polizisten hat er nach der Tat noch gesprochen, beim Termin vor dem Haftrichte­r machte er dann nach Informatio­nen unserer Redaktion keine Angaben mehr. Im Haftbefehl wird ihm Kindesmiss­brauch, versuchter schwerer sexueller Missbrauch und versuchte Vergewalti­gung vorgeworfe­n. Das Gesetz lässt den Richtern einen großen Spielraum bei den Strafen dafür. Er muss aber, sollte sich die Vorwürfe im Prozess so bestätigen, mit einer mehrjährig­en Haftstrafe rechnen.

Was andere Vertreter von Lehrerverb­änden und das Ministeriu­m zur Sicherheit an den Schulen sagen, lesen Sie im Bayernteil auf

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Foto: Silvio Wyszengrad Ein Mann hat laut Polizei auf der Toilette der Wittelsbac­her Grundschul­e ein Mädchen missbrauch­t.

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