Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Eisennagel für starke Männer und Pferde
Brauchtum Beim Leonhardiritt in Gabelbachergreut ist ein Kultgegenstand zu sehen, um den sich viele Geschichten ranken. Was es mit dem 115 Kilo schweren Stück auf sich hat
Gabelbachergreut Der Name ist irgendwie auch Verpflichtung: Leonhard Stöckle war wohl der letzte starke Mann in Gabelbachergreut, der den Leonhardsnagel um die Dorfkirche getragen hat. Statt eines schweren Weizensacks wuchtete der Landwirt in jungen Jahren den Kultgegenstand auf die Schulter – das fast einen Meter hohe Eisenstück wiegt 115 Kilo und ist eng mit dem Ritt verbunden, der an diesem Sonntag stattfindet.
Der Überlieferung nach wurde der Nagel aus gespendeten Hufeisen und anderen Eisenvotiven geschmiedet. „Wenn es tatsächlich so war, dann muss der Schmied etwas von seinem Handwerk verstanden haben“, sagt Kirchenpfleger Franz Stöckle. Sonst hätte das schwere Stück nicht so lange überdauert. Es hat offenbar etliche Jahre auf dem Buckel: Die älteste noch entzifferbare Inschrift zeigt das Jahr 1612 und den Schriftzug Bobingen. Hatten ihn Wallfahrer aus dem Dorf damals in den heutigen Landkreis-Süden gebracht? Oder stammt er aus Bobingen und war ein Geschenk an die Greuter? Es ranken sich viele Geschichten um den Klotz.
Er soll zum Beispiel schon öfters ins Wirtshaus geschleift worden sein. Dort winkte für den größten Kraftprotz dann Freibier. Angeblich zertrümmerte der Leonhardsnagel beim Kräftemessen auch schon einen Tisch: Das passierte, als die Schwerkraft die 115 Kilo anzog – nämlich ziemlich unsanft.
Der Kirche war der Leonhardsnagel eine Zeit lang ein Dorn im Auge – wegen seiner obszönen Form. Fortan wurde das unförmige Eisen aus dem Gotteshaus verbannt. Heute hat es seinen Platz im sogenannten Vorzeichen der Kirche, dem Vorbau. Der Nagel steht sicher in einer Fassung, die in den 1970erJahren in Kaufering gefertigt wurde. Dorthin wurde er nämlich ausgeliehen.
In den kommenden Tagen stellen ihn starke Greuter vor der Kir- che auf. Der Nagel wird nicht wie sonst auf einen Wagen gehievt, um dann Teil des großen Ritts zu sein. Der Grund ist einfach: „Der Wagen steht heuer nicht zur Verfügung“, erklärt Kirchenpfleger Franz Stöckle. Er schätzt, dass zwei Männer genügend Kraft haben sollten, um den Kultgegenstand zu bewegen. An ihm ziehen dann am Sonntag je nach Wetter etwa 100 Reiter mit ihren geschmückten Pferden und zehn Gespanne vorbei. Der Umritt führt dreimal um die Kirche, die Segnung findet südlich der Kirche statt. Vorangeht die Gabelbacher Musikkapelle. Viele Blicke wird auch der geschmückte Erntewagen auf sich ziehen. Nach der Segnung gibt es auf dem Kirchenplatz eine Verpflegung. Die Reiter bekommen bereits vorher einen kleinen Bügeltrunk und hernach eine Plakette für die Teilnahme. Die begehrte Anstecknadel gab es übrigens 1989 noch nicht. Damals rief Familie Langenmair die Pferderitt-Tradition wieder ins Leben. Die war nämlich mit der Motorisierung der Landwirtschaft eingeschlafen. Pferde, die vor dem Krieg noch unersetzlich waren, mussten auf einmal den Dieselrössern weichen. Als mit dem Reitsport Pferde wieder mehr und mehr Thema wurden, warben die Langenmairs für den Leonhardiritt. Zehn Reiter nahmen teil. Im Jahr darauf stieg die Feuerwehr mit Martin Reiter und danach die Kirchenverwaltung bei der Organisation ein.
Es gab auch Rückschläge: Im Laufe der Jahre musste der Umritt dreimal ausfallen. Einmal wurde die Kanalisation in Greut erneuert, ein anderes Mal gab es eine Pferdekrankheit und im vergangenen Jahr wurde er wegen starker Windböen abgesagt. „Die Pferde wären unruhig geworden und das Risiko wäre zu groß geworden, dass etwas passiert“, erinnert sich Kirchenpfleger Franz Stöckle. Die Aussichten für Sonntag sind gemäßigt: Es wird Wind mit Böen und etwas Regen erwartet.
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Termin Wer den Leonhardiritt erleben will: Am Sonntag, 28. Oktober, ist um 13.15 Uhr Andacht. Eine Dreiviertelstunde danach beginnt der Ritt mit Segnung südlich der Kirche.