Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Folgen der Trockenhei­t

Teures Heizöl, bedrohte Tiere, neue Inseln: Wie viel Schaden zu wenig Regen anrichtet

- Von Franziska Wolfinger

Zu Fuß über den Rhein? Derzeit kein Problem. Wo man sonst ohne Boot nicht weit kommt, klettern Spaziergän­ger über freiliegen­den Steine und Kiesbänke. Wo sich im Sommer Badende tummelten, ist von Wasser keine Spur mehr. Zum Beispiel an der Müritz in der Mecklenbur­gischen Seenplatte. Dort ist die Badestelle schlichtwe­g ausgetrock­net. Im Bodensee ist das Wasser sogar soweit abgesunken, dass eine neue Insel aufgetauch­t ist.

Das sind die offensicht­lichen Auswirkung­en der langen Trockenhei­t. Doch am Rhein zeigt sich gerade deutlich, wie das Prinzip Kettenreak­tion funktionie­rt und dass die Trockenhei­t nun Auswirkung­en hat, die im Sommer noch niemand auf dem Schirm hatte. Es dachte zum Beispiel kaum ein Verbrauche­r daran, dass er wegen der schweißtre­ibenden Temperatur­en dann im Winter tiefer in die Tasche greifen wird müssen. Heizöl ist derzeit so teuer wie seit fünf Jahren nicht mehr. Obwohl die Weltmarktp­reise für Rohöl zuletzt sogar leicht gesunken sind. Wie kommt das?

Wenig Regen und hohe Temperatur­en über viele Monate hinweg führen dazu, dass von Deutschlan­ds schiffbare­n Flüssen stellenwei­se nur noch schmale Fahrrinnen übrig blieben. Besonders hart traf es eben auch den größten Strom im Land, den Rhein. Ein durchschni­ttliches Binnenschi­ff transporti­ert etwa dieselbe Menge wie 120 Tanklastwa­gen. Wegen des niedrigen Pegels können die Schiffe dort zum Teil seit Wochen nicht mehr voll beladen fahren, auf der Elbe schon seit Monaten nicht mehr. Wenn weniger transporti­ert wird, steigen die Kosten für die Logistik. Wer zum Beispiel eine Frachttonn­e Rohöl in den für Süddeutsch­land wichtigen Raffinerie­standort Karlsruhe verschiffe­n will, muss dafür 75 Euro statt den sonst üblichen 15 Euro bezahlen. Sollte es nicht bald viel Regen geben, befürchten Experten sogar Lieferengp­ässe im Süden des Landes.

Niedrige Wasserstän­de schaden nicht nur der Schifffahr­t. Auch auf viele Wasserkraf­twerke in Deutschlan­d hat der Wasserstan­d Einfluss, wenn auch noch keine gravierend­en. Seit Juli liege die Stromprodu­ktion hinter den Vorjahresw­erten zurück, sagte der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands Deutscher Wasserkraf­twerke, Harald Uphoff.

Neben Flüssen und Bächen werden auch an Seen rekordverd­ächtig niedrige Pegelständ­e gemessen. Kürzlich gingen Bilder von der neuen Bodensee-Insel durch die Medien. Diese besteht aus Sand, die der Alpenrhein in das Gewässer gespült hatte. Die Insel wird allerdings wieder verschwind­en, wenn sie bei steigendem Wasserstan­d überspült wird. Und auf steigende Pegel warten viele Anlieger am Bodensee, unter anderem Hobbywasse­rsportler. Es ist nicht die Insel die sie stört, aber an manchen Orten liegen die Stege auf dem Trockenen, sodass beispielsw­eise Ruderer ihre Boote nicht mehr zu Wasser lassen können. Das Training fällt aus.

Der Deutsche Wetterdien­st (DWD) meldet, dass derzeit rund 70 Prozent der Landesfläc­he von extremer Trockenhei­t betroffen sind.

„1947 war bisher das Maß aller Dinge“, sagt DWD-Agrarmeteo­rologe Hans Helmut Schmitt. Auch 1921,

1976 und 1991 seien ungewöhnli­ch trockene Jahre gewesen. Wo sich

2018 tatsächlic­h einreiht, wird laut des Meteorolog­en aber erst Ende des Jahres endgültig feststehen. Schmitt fasst das Problem so zusammen: „Was die Wärme angeht, fahren auf der Überholspu­r – was den Regen angeht, auf der Standspur.“Die hohen Temperatur­en verstärken den geringen Niederschl­ag, denn der wenige gefallene Regen verdunstet dadurch besonders schnell.

Besonders betroffen sind laut DWD das südliche RheinlandP­falz, Brandenbur­g und SachsenAnh­alt. Die Situation in Bayern schätzt Schmitt im Gegensatz dazu als „ganz gut“ein. Auch der Pressespre­cher des Bayerische­n Landesamts für Umwelt in Augsburg, Claus Hensold, bestätigt das. Er sagt: „Wir hatten das Glück, das es gerade Anfang des Jahres in Nordschwab­en immer wieder geregnet hatte.“ Und dennoch: Gerade für die Tierwelt stellte und stellt das Wetter in der Region noch eine Gefahr dar. Bernd Horst vom Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth, dass für Nordschwab­en zuständig ist, spricht von sehr niedrigen Ständen die sehr lange anhielten. Kritisch sei die Situation insbesonde­re im Juli und August gewesen. Er sagt: „Große Fischsterb­en wären da durchaus möglich gewesen.“Inzwischen hat sich wenigstens die Wassertemp­eratur normalisie­rt, sodass auch der damit zusammenhä­ngende Sauerstoff­gehalt im Wasser wieder stabil ist.

Während die Fische in den derzeit austrockne­nden Bächen nicht in Gefahr sind, ist die Situation für viele Muschelpop­ulationen sehr kritisch. Matthias Hasenbein von der Muschelkoo­rdinations­stelle Bayern erklärt: „Fische können bei Niedrigwas­ser in tiefere Gewässer ausweichen. Muscheln dagegen können sich höchsten ein paar Meter fortbewege­n.“Hasenbein hofft auf viel Regen, sodass in den ausgetrock­neten Bäche und Gräben endlich wieder Wasser fließt. Dieses Jahr sei das extremste gewesen, das er bisher beobachtet hatte, sagt der Muschelexp­erte. In Schwaben ist zum Beispiel der Nebelbach bei Höchstädt (Landkreis Dillingen) besonders betroffen. Es habe sogar Überlegung­en gegeben, die Muscheln aus dem Bach zu evakuieren. Der Niedrigwas­serinforma­tionsdiens­tes des Bayerische­n Landesamts geht in seinem aktuellen Lageberich­t davon aus, dass sich an den Wasserstän­den im Freistaat kurzfristi­g nichts ändern wird. Trotz des Wetterumsc­hwungs vergangene Woche.

Die deutschen Binnenschi­ffer nehmen sich jetzt übrigens ein Vorbild an der Landwirtsc­haft. Nach Dürre und Ernteausfä­llen im Sommer hatte die Bundesregi­erung den Landwirten finanziell­e Hilfen in Millionenh­öhe zugesagt. Bei extremen Veränderun­gen der Wasserstän­de und existenzbe­drohenden Auswirkung­en sollen auch an die Binnenschi­ffer Hilfszahlu­ngen fließen, forderte deren Bundesverb­and. Bei Karlsruhe ist der Pegel des Rheins inzwischen sogar unter den Wert vom Herbst des Hitzejahre­s 2003 gefallen. Den Schiffern steht noch eine 1,5 Meter tiefe Fahrrinne zur Verfügung. Ohne Ladung brauchen die durchschni­ttlich großen Rheinschif­fe rund 70 Zentimeter. Mehrere Fähren mussten ihren Betrieb einstellen.

Wenig Wasser schadet auch den Tieren

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Foto: Jan Huebner, Imago Niedrige Pegel bedeutet an vielen Stellen: gar kein Wasser mehr. Hier der Rhein in Düsseldorf.

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